Tz. 87
Stand: EL 140 – ET: 12/2024
Denkbare Fallgruppen eines steuerstrafrechtlich relevanten Verhaltens gemeinnütziger Körperschaften bzw. der für diese verantwortlich und zurechenbar Handelnden sind sehr vielfältig. Nachfolgend sollen daher – die Liste wird künftig stetig ergänzt – die aus der Praxis bekannten (häufigsten) Fälle genannt werden.
Praxishinweis:
Es kann davon ausgegangen werden, dass auch die Finanzverwaltung und die Strafverfolgungsbehörden diese in der Praxis immer wieder auftretenden Fälle kennen und daher – z. B. in Betriebsprüfungen – gezielt nach diesen suchen werden. Deshalb ist die gemeinnützige Körperschaft bzw. deren handelnde Personen – gut beraten, diese praxisrelevanten Fallkonstellationen zu vermeiden bzw. zu beheben, falls es zum Eintritt derselben bereits gekommen sein sollte.
1. Übersehen einer Betriebsaufspaltung
Tz. 88
Stand: EL 140 – ET: 12/2024
In der Praxis existiert häufig die Konstellation, dass eine gemeinnützige Körperschaft über eine nicht gemeinnützige wirtschaftlich tätige Tochtergesellschaft – meist in Gestalt einer GmbH – verfügt. Das bloße Halten der Beteiligung an der GmbH wird bekanntlich der ertragsteuerfreien Vermögensverwaltung auf Ebene der gemeinnützigen Muttergesellschaft zugeordnet. Nimmt die gemeinnützige Muttergesellschaft auf die laufende Geschäftsführung der wirtschaftlich tätigen Tochtergesellschaft Einfluss, wird sie über die Tochtergesellschaft wirtschaftlich "am Markt tätig", womit die Beteiligung an der Tochtergesellschaft dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet wird. Entsprechendes gilt bzgl. etwaiger Dividendenerträge aus der Tochtergesellschaft. Neben der Einflussnahme auf die laufende Geschäftsführung erfolgt eine solche Umqualifizierung sowohl der Beteiligung als auch der Beteiligungserträge durch das Begründen einer ertragsteuerlichen Betriebsaufspaltung zwischen der gemeinnützigen Muttergesellschaft und ihrer unternehmerisch tätigen Tochtergesellschaft. Folge der Betriebsaufspaltung ist, dass zum einen die Beteiligung an der Tochtergesellschaft fortan im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gehalten wird. Daneben unterliegen die Beteiligungserträge – vorbehaltlich § 8b KStG (Anhang 3) – der Ertragsbesteuerung. Werden diese nicht versteuert – weil etwa die Begründung der Betriebsaufspaltung nicht bemerkt wurde –, liegt ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt vor.
Praxishinweis:
Entsprechend sollten Strukturen geschaffen werden, die eine Begründung einer Betriebsaufspaltung, die Begründung einer Personalunion zwischen der Leitung der Mutter- und der Tochtergesellschaft oder einer umsatzsteuerlichen Organschaft identifizieren bzw. bemerken.
2. Ausstellung fehlerhafter Zuwendungsbestätigungen
Tz. 89
Stand: EL 140 – ET: 12/2024
Für gemeinnützige Körperschaften können sich strafrechtlich relevante Risiken aus der Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen, hier vor allem im Falle von Sachzuwendungen, ergeben. Häufig hat der Spender eine gewisse "Erwartungshaltung" im Hinblick auf die Höhe seiner Sachzuwendung. Sachspenden haben regelmäßig das Risiko einer fehlerhaften Bewertung ihres Wertes. Kommt die gemeinnützige Körperschaft dem Spender hier entgegen und erstellt eine Zuwendungsbestätigung, die einen großzügigen Wert der Sachspende angibt, und macht der Spender diese Spende im Rahmen seiner individuellen Steuererklärung als Sonderausgabe steuerlich geltend, reduziert er hierdurch (unzulässig) seine Steuerlast. Wissen sämtliche Beteiligten – d. h. der Spender sowie der die Zuwendungsbestätigung namens und in Vollmacht der gemeinnützigen Körperschaft Ausstellende –, dass die Zuwendungsbestätigung einen zu hohen Wert im Vergleich zum tatsächlichen Wert der Sachspende angibt, kann hierin eine vorsätzliche Steuerhinterziehung des Spenders gegeben sein, wenn dieser die Zuwendungsbestätigung zur steuerlichen Berücksichtigung im Rahmen des Sonderausgabenabzugs geltend macht.
Tz. 90
Stand: EL 140 – ET: 12/2024
Der für die gemeinnützige Körperschaft Handelnde kann mit der Ausstellung der zu hohen Zuwendungsbestätigung eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten. Hierzu ist der sog. doppelte Gehilfenvorsatz erforderlich, d. h., der Beihelfer muss sowohl hinsichtlich seines eigenen Tatbeitrags – der Ausstellung der zu hohen Zuwendungsbestätigung – als auch im Hinblick auf die Haupttat – die Geltendmachung der zu hoch ausgewiesenen Spende – vorsätzlich handeln. Das dürfte bei Kenntnis der fehlerhaften Höhe und der Geltendmachung der Spende anzunehmen sein. Daneben kommen noch der steuerliche Haftungstatbestand der Spendenhaftung seitens der gemeinnützigen Körperschaft sowie die Verwirklichung des Ordnungswidrigkeiten-Tatbestandes des § 379 AO in Betracht. Hiernach handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig (d. h. grob fahrlässig) Belege ausstellt, die in tatsächlicher Hinsicht unrichtig sind (Abs. 1 Nr. 1), und dadurch ermöglicht, Steuern zu verkürzen oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen. Die Ordnungswidrigkeit tritt hinter der Vorsatztat einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung zurück.