Tz. 77
Stand: EL 111 – ET: 04/2019
Ein Rücktritt ist von jeder Straftat im Versuchsstadium möglich. Im Steuerstrafrecht existiert daneben noch die Möglichkeit einer sog. strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 StGB für vorsätzliche Taten nach § 370 AO. Für die leichtfertige (d. h. grob fahrlässige) Steuerverkürzung nach § 378 AO existiert ebenfalls eine Selbstanzeigemöglichkeit. Diese ist in § 378 Abs. 3 AO geregelt und hat weniger strenge Voraussetzungen als die Selbstanzeige nach § 371 AO.
Tz. 78
Stand: EL 111 – ET: 04/2019
Die Begrifflichkeit "Selbstanzeige" ist missverständlich, da es nicht erforderlich ist, dass sich der Täter selbst "anzeigt". In der Praxis wird weder das Wort "Anzeige" noch irgendein Hinweis auf eine Strafbarkeit eines vorherigen zwischenzeitlich als fehlerhaft erkannten Verhaltens verwendet. Vielmehr wird neutral von der "Berichtigung" oder "Korrektur" früherer Angaben gesprochen.
Hinweis:
Die Abgrenzung des Rücktritts von der strafbefreienden Selbstanzeige ist umstritten. Nach einhelliger Meinung soll der Rücktritt nicht durch die strafbefreiende Selbstanzeige ausgeschlossen werden. Vielmehr stehen beide gleichberechtigt nebeneinander. Ein Rücktritt kann günstiger für den Täter sein, weil er z. B. nicht durch eine erfolgte Anordnung einer Betriebsprüfung ausgeschlossen wird, wie dies bei der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 Abs. 2 AO der Fall ist.
1. Selbstanzeige bei vorsätzlicher Steuerhinterziehung
Tz. 79
Stand: EL 111 – ET: 04/2019
Nach § 371 Abs. 1 AO wird wegen Steuerstraftaten nicht bestraft, wer (i) gegenüber der Finanzbehörde (ii) zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart (iii) in vollem Umfang (iv) die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt. Hierbei müssen die Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, zumindest aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.
Hinweis:
Die Selbstanzeige setzt also grundsätzlich das vollständige Offenlegen sämtlicher Straftaten oder fehlerhaften Angaben zu einer Steuerart (also z. B. die Umsatzsteuer oder Körperschaftsteuer betreffend) voraus. Hierdurch soll verhindert werden, dass der Täter nur "scheibchenweise" Straftaten offenlegt, da er befürchtet, dass diese ohnehin entdeckt werden. In der Vergangenheit war es häufig so, dass der Straftäter z. B. Schwarzgeld auf Konten in der Schweiz angegeben hat, seine Zinserträge aus Kapitalvermögen in Luxemburg, Liechtenstein oder einer anderen Steueroase weiter verschwiegen hat. Mit der Änderung im Gesetz und dem Erfordernis der vollständigen Offenlegung sollte die sog. Teilselbstanzeige abgeschafft werden. Hiernach trat in der Vergangenheit zumindest für die offengelegten Straftaten Straffreiheit ein, d. h. ein "Abschichten" war auch strafrechtlich möglich. Die Teilselbstanzeige existiert gegenwärtig nur noch für fehlerhafte Umsatzsteuer- und Lohnsteuervoranmeldungen. Wird hier nur die jeweilige falsche Voranmeldung korrigiert, tritt diesbezüglich Straffreiheit ein. Für einen Verein bedeutet das, dass für eine wirksame Selbstanzeige nach § 371 AO sämtliche bekannten Fehler eine Steuerart betreffend offengelegt werden müssen. Hingegen besteht keine Ermittlungs- oder Nachforschungspflicht des Vereins oder seiner Organe, d. h. es muss nicht aktiv nach weiteren Fehlern in der Vergangenheit gesucht werden.
Tz. 80
Stand: EL 111 – ET: 04/2019
Die Selbstanzeige ist zwar noch möglich, diese führt aber nicht zur Straffreiheit nach § 370 Abs. 1 AO, wenn die in Absatz 2 der Vorschrift genannten Sachverhalte erfüllt sind. Wurde etwa dem an einer Tat Beteiligten, seinem Vertreter oder dem aus der Tat Begünstigten die Anordnung einer Außenprüfung (Prüfungsanordnung) bekannt gegeben, kann für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuern und Zeiträume keine Straffreiheit mehr eintreten.
Hinweis:
Der Gedanke dahinter ist, dass kein Verhalten des Täters mehr belohnt werden kann, da die Finanzverwaltung bereits eine Prüfung angekündigt hat und jede Selbstanzeige nach Ankündigung der Prüfung aufgrund eines Entdeckungsdrucks erfolgen würde. D.h. der Täter will nicht "freiwillig" Besteuerungsquellen offenlegen, sondern will nur die Entdeckung durch das Finanzamt vorwegnehmen, um noch Straffreiheit zu erlangen. Ein solches Verhalten "angesichts" einer Außenprüfung, die vermutlich die Steuerstraftat ohnehin aufdecken wird, soll nicht mehr belohnt werden. In der Vergangenheit trat die Sperrwirkung für die Straffreiheit noch nicht mit dem Bekanntgeben der Prüfungsanordnung, sondern erst mit dem Erscheinen des Prüfers zur Prüfung ein. Der Steuerpflichtige hatte dann immer noch die Möglichkeit, zwischen dem Erhalt der Prüfungsanordnung und dem Erscheinen des Prüfers Selbstanzeige zu erstatten. Diese Möglichkeit existiert nach der gegenwärtigen Rechtslage nicht mehr.
Tz. 81
Stand: EL 111 – ET: 04/2019
Gleichfalls tritt keine Straffreiheit ein, wenn ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschie...