I. Einleitung
Tz. 1
Stand: EL 140 – ET: 12/2024
In der Beratungspraxis ist erkennbar, dass sich das Klima in Betriebsprüfungen zunehmend verschärft. Keineswegs selten kommt es im Rahmen der Betriebsprüfung auch zur Einbeziehung der Straf- und Bußgeldstellen (BuStra) des Finanzamtes, weil der Betriebsprüfer der Ansicht ist, es lägen Anhaltspunkte für die Verwirklichung einer Steuerordnungswidrigkeit oder einer Steuerstraftat vor.
Tz. 2
Stand: EL 140 – ET: 12/2024
Das hat seinen Grund häufig in der Regelung des § 10 Betriebsprüfungsordnung (BpO 2000). Dieser bestimmt für den Fall, dass sich während einer Außenprüfung zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat ergeben, deren Ermittlung der Finanzbehörde obliegt, die für die Bearbeitung dieser Straftat zuständige Stelle unverzüglich (d. h. ohne schuldhaftes Zögern) einzuschalten ist. Das gilt selbst dann, wenn lediglich die Möglichkeit besteht, dass ein Strafverfahren durchgeführt werden muss.
Hinweis:
Die Verwaltungsanweisungen, die die Anwendungsfragen zu § 10 Abs. 1 BpO betreffen, äußern sich ausdrücklich zur Frage, ab welchem Zeitpunkt eine Unterrichtungspflicht des Prüfers gegenüber der BuStra besteht. Ausreichend ist für die Mitteilungspflicht schon, wenn lediglich die Möglichkeit der Durchführung eines Strafverfahrens besteht. Es soll also nicht auf die subjektive Einschätzung des Prüfers hinsichtlich der Durchführung eines Strafverfahrens ankommen. Bloße Vermutungen des Vorliegens einer Straftat ohne entsprechende Anhaltspunkte lösen keine Mitteilungspflicht aus. Die Anweisungen führen zahlreiche Beispielfälle auf, bei deren Vorliegen noch keine Mitteilungspflicht besteht, sowie Beispielsachverhalte, bei deren Vorliegen eine Mitteilungspflicht besteht. Hiernach besteht etwa keine Mitteilungspflicht, wenn offensichtlich kein schuldhaftes und vorwerfbares Verhalten vorliegt oder offensichtlich ist, dass objektive oder subjektive Tatbestandsmerkmale mit der im Straf- und Bußgeldverfahren erforderlichen Gewissheit nicht nachzuweisen sind, s. Koordinierter Ländererlass 3 – S – 1400/2 vom 31.08.2009, DStR 2009, 2102. Dafür, dass der Betriebsprüfer i. d. R. kein Volljurist ist, wird ihm ein hohes Maß an juristischem Sachverstand abverlangt.
Tz. 3
Stand: EL 140 – ET: 12/2024
Will sich der Betriebsprüfer nicht später des Vorwurfes einer Strafvereitlung im Amt (§ 258a StGB) gegenübersehen, wird er beim geringsten Verdacht der Verwirklichung einer Straftat die Straf- und Bußgeldstelle (BuStra) des Finanzamtes einbeziehen, von der nicht ausgeschlossen ist, dass diese ein Strafverfahren einleiten wird.
Hinweis:
In der Praxis ist die Ansicht weit verbreitet, gemeinnützigen Körperschaften und ihren Handelnden gegenüber komme es nicht zu bußgeldrechtlichen oder strafrechtlichen Vorwürfen. Vielmehr werde diesen gegenüber eine gewisse Nachsicht geübt, was das Strafrecht angeht. Tatsächlich kann dies aber aus praktischer Erfahrung heraus so nicht bestätigt werden.
II. Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten
Tz. 4
Stand: EL 140 – ET: 12/2024
Mögliche Steuerstraftaten, die durch Vereine verwirklicht werden können, sind zum einen die vorsätzliche Steuerhinterziehung gem. § 370 AO (Anhang 1b) sowie die grob fahrlässige Steuerhinterziehung gem. § 378 AO. Während die Steuerhinterziehung einen Steuerstraftatbestand darstellt, handelt es sich bei der leichtfertigen Steuerverkürzung um eine bloße Ordnungswidrigkeit, die gem. § 377 AO mit einer Geldbuße sanktioniert wird. Neben den vorgenannten allgemeinen Tatbeständen existieren verschiedene weitere Normen, die bestimmte Handlungen sanktionieren. Insbesondere im Bereich der Steuerordnungswidrigkeiten sind das die Steuergefährdung (§ 379 AO), die Gefährdung der Abzugsteuern (§ 380 AO), die Verbrauchsteuergefährdung (§ 381 AO) sowie die Gefährdung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben (§ 382 AO).
Hinweis:
Die Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten sind als Sonderstrafrecht nicht im Strafgesetzbuch (StGB) oder im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) geregelt, sondern im steuerlichen Verfahrensrecht, der Abgabenordnung (AO). Allerdings gilt das allgemeine Strafrecht – wie etwa die Abgrenzung von Versuch und vollendeter Straftat, der Täterschaft und Beihilfe, die Fragen des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit sowie des Rücktritts – auch im Steuerstrafrecht, so dass grundsätzlich sowohl das StGB als auch die AO Anwendung finden. Aus der Abgabenordnung ergeben sich zudem Besonderheiten wie etwa die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO (Anhang 1b), die außer im Steuerstrafrecht (im übrigen) Strafrecht nicht existiert.
1. Vorsätzliche Steuerhinterziehung gem. § 370 AO
Die vorsätzliche Steuerhinterziehung ist in § 370 AO geregelt und stellt den stärksten Vorwurf steuerstrafrechtlicher Art dar.
Hinweis:
Oben wurde darauf hingewiesen, dass in der Praxis gemeinnütziger Körperschaften der Irrglaube stark verbreitet ist, es komme nicht zu strafrechtlich relevanten Vorwürfen bzw. zur Eröffnung von Strafverfahren. Dem ist schon längst nicht mehr so. Steht die mögliche Verwirklichung eines Straftatbestandes im Raum, verfügen gemeinnützige Kör...