Tz. 11
Stand: EL 117 – ET: 06/2020
Zunächst hat die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 26.01.2006 durch Veröffentlichung des sog. Rettungsdiensturteils im BStBl dieses für allgemein anwendbar erklärt und gleichzeitig die Quersubventionierung weiterer Zweckbetriebe außerhalb des § 66 AO (Anhang 1b) zunächst verneint. Im Grundsatz war damit der Zweckbetrieb Wohlfahrtspflege i. S. d. § 66 AO (Anhang 1b) isoliert und musste als "§ 66 AO-Sparte" ähnlich der Spartenrechnung i. S. d. § 8 Abs. 9 KStG (Anhang 3) behandelt und innerhalb der Zweckbetriebe isoliert geführt werden.
Mit BMF-Schreiben vom 06.12.2017 (BStBl I 2017, 1603) hat die Finanzverwaltung die Regelungen im AEAO zu § 66 AO jedoch erweitert und abgeändert. Zur nunmehr sog. wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre gehören:
- Wohlfahrtspflegeeinrichtungen i. S. d. § 66 AO,
- Zweckbetriebe i. S. d. § 68 AO, soweit diese auch die Voraussetzungen des § 66 AO erfüllen,
- Zweckbetriebe i. S. d. § 67 AO,
- sowie ideelle Tätigkeiten, für die die Voraussetzungen des § 66 AO vorlägen, wenn sie entgeltlich ausgeführt würden (AEAO Nr. 2 zu § 66 AO).
Durch die zuvor erwähnte Definition der sog. wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre werden Tätigkeiten der Wohlfahrtspflege nicht auf den Anwendungsbereich des § 66 AO beschränkt, sondern beziehen sämtliche Zweckbetriebe ein, die dem Wohl bedürftiger Menschen i. S. d. § 53 AO (Anhang 1b) dienen (Seeger/Brox/Leichinger, DStR 2018, 2002f.). Nicht verkannt werden darf aber, dass zur Ermittlung dieser wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre ein erheblicher zusätzlicher Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand erforderlich ist.
Die Einbeziehung des ideellen Tätigkeitsbereichs ist wohl darauf zurückzuführen, dass für den besonders schützenswerten Personenkreis i. S. d. § 53 AO (Anhang 1b) Wohlfahrtspflegeeinrichtungen auch kostenfreie Angebote vorhalten. Soweit Leistungen des ideellen Tätigkeitsbereichs aber nicht durch entsprechende Einnahmen gedeckt werden, findet eine zulässige Quersubventionierung statt. Durch die Formulierung "Zweckbetriebe i. S. d. § 68 AO, welche die Voraussetzungen des § 66 AO erfüllen", sind von den Katalogzweckbetrieben des § 68 AO (Anhang 1b) die Selbstversorgungsbetriebe des § 68 Nr. 2 AO und die in § 68 Nr. 6 bis 9 AO genannten Zweckbetriebe (Lotterien, kulturelle Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen) von der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre ausgeschlossen. Ab dem Veranlagungszeitraum 2017 ist hiermit dennoch verbunden, dass die Sphäre Zweckbetrieb bei Wohlfahrtseinrichtungen eine zusätzliche Unterteilung oder Untersphäre erfordert.
Tz. 12
Stand: EL 117 – ET: 06/2020
Die neue Regelung i. S. d. BMF-Schreibens vom 06.12.2017 (BStBl I 2017, 1603) geht davon aus, dass eine schädliche Erwerbsabsicht dann gegeben ist, wenn ein planmäßiges Anstreben von Gewinnen erkennbar wird, das wie bisher den konkreten Finanzierungsbedarf der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre übersteigt. Allerdings können gerade klassische Wohlfahrtsunternehmen auf ihre Einnahmen- und Ausgabenseite nur bedingt Einfluss nehmen, da diese zum einen durch die Kostenträger bestimmt sind und auf der anderen Seite aber auch Tarifbindungen bestehen, sodass insbesondere der geforderte Ruf nach Planung zur Abgrenzung wohl teilweise fehl geht (s. a. Seeger/Brox/Leichinger, DStR 2018, 2002f., Tz. 3.2.1).
Neu weiter geregelt ist, dass nicht nur auf den betroffenen Veranlagungszeitraum abgestellt werden muss, sondern dass die Finanzverwaltung ähnlich wie in anderen Bereichen (z. B. bei Anwendung des § 68 Nr. 9 AO, Anhang 1b) einen Drei-Jahres-Zeitraum zulässt. Dies hat allerdings zur Folge, dass wenn in drei aufeinander folgenden Veranlagungszeiträumen Gewinne erwirtschaftet werden, die Finanzverwaltung hierin ein Indiz sieht, dass der Zweckbetrieb des Erwerbs wegen ausgeübt wird. Aufgrund der bisherigen Übergangsregelungen dürften die Grundlagen für die Berechnung des Drei-Jahres-Zeitraums für die Jahre vor 2017 nicht vorliegen, sodass sich ein erster Prüfungszeitraum für die Veranlagungszeiträume 2017 bis 2019 ergibt.
Als Indiz für gerade das Nichtvorliegen eines Erwerbzweckes gelten Gewinne aufgrund staatlich regulierter Preise (Gebührenordnung). In der Literatur wird deshalb die Auffassung vertreten, dass auch die Preise, die aufgrund sozialrechtlicher Bestimmungen mit den jeweiligen Kostenträgern verhandelt werden, unter die staatlich regulierten Preise zu fassen sind (Seeger/Brox/Leichinger, DStR 2018, 2002f.).
Mit den Steuererklärungsformularen 2017 wurde die sog. Gemeinnützigkeitserklärung (Erklärung zur Überprüfung gemeinnütziger Körperschaften) als Anlage zur Körperschaftssteuererklärung ausgewiesen und es wird das tatsächliche Ergebnis der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre abgefragt.
Tz. 13
Stand: EL 117 – ET: 06/2020
AEAO TZ 2 zu § 66 AO beinhaltet nunmehr auch, dass der konkrete Finanzierungsbedarf auch die zulässige Rücklagenbildung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, 2 AO umfasst. Demnach können in der wohlfahrtspf...