Tz. 130
Stand: EL 129 – ET: 11/2022
Seit dem 01.01.2021 gehört Großbritannien nicht mehr der Europäischen Union an, sondern gilt zollrechtlich als Drittland. Zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU wurde ein "Abkommen über Handel und Zusammenarbeit" – "Trade and Cooperation Agreement (TCA)" – abgeschlossen, welches zunächst zum 01.01.2021 vorläufig angewendet wurde und zum 01.05.2021 in Kraft getreten ist. Es handelt sich bei diesem TCA um ein sog. "Freihandelsabkommen", das den präferenziellen Warenverkehr mit Ursprungserzeugnissen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU regelt.
Tz. 131
Stand: EL 129 – ET: 11/2022
Hierbei ist wichtig, zu bestimmen, was "präferenzieller Warenverkehr mit Ursprungserzeugnissen" meint. Waren, deren eindeutiger und nachweisbarer "Ursprung" das Vereinigte Königreich oder die EU ist, können in den jeweils anderen Vertragspartner zollfrei eingeführt werden. Hierbei befassen sich ein Großteil der Regelungen des Abkommens mit der Definition und dem Nachweis dieses "Ursprungs". Die bloße "Herkunft" aus dem oder eine Einführ über das Vereinigte Königreich stellen noch keinen "Ursprung" dar und berechtigen noch nicht zur Inanspruchnahme einer Zollpräferenz. Als Zollpräferenz wird – hierauf wurde oben eingegangen – eine begünstigte Zollbehandlung (im Falle des TCA ein Verzicht auf die Entstehung von Zöllen) verstanden.
Beispiel
Wird etwa eine Ware in Großbritannien hergestellt, die aus Bestandteilen besteht, die sämtlich in China gefertigt werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Ware ihren "Ursprung" in Großbritannien hatte. Gleiches gilt etwa, wenn Autos aus China zunächst nach Großbritannien geliefert werden, um im Anschluss in die EU importiert zu werden. Würden beide vorgenannten Sachverhalte bereits ausreichen, um von einem "Ursprung" in Großbritannien auszugehen, wäre der zollrechtlichen Umgehung Tür und Tor geöffnet. China würde dann mit Großbritannien ein entsprechendes Freihandelsabkommen abschließen, um auf diesem Wege seine Waren zollfrei in die EU importieren zu können. Deshalb sind an den Ursprung von Waren in Großbritannien nach dem Abkommen viel strengere Anforderungen zu richten.
Tz. 132
Stand: EL 129 – ET: 11/2022
Um von einem Ursprung von Waren in Großbritannien oder der EU ausgehen zu können, müssen die betreffenden Waren die im TCA festgelegten Ursprungsregelungen erfüllen, die einen bestimmten Be-/Verarbeitungsgrad in der jeweiligen Vertragspartei (EU/UK) voraussetzen. Erfolgt z. B. in UK oder der EU ein wesensprägender Bearbeitungsschritt, aufgrund dessen die Ware zu einer anderen Ware wird, kann davon ausgegangen werden – sofern die konkreten Voraussetzungen des Abkommens für die bestimmte Ware erfüllt werden – dass eine ursprungsbegründende Bearbeitung gegeben ist und die Ware ihren Ursprung in der Vertragspartei hat, in der die Bearbeitung erfolgte.
Beispiel
Wird etwa ein Bausatz für eine Puppe, der in China hergestellt wird, in Großbritannien lediglich zusammengebaut oder wird ein in China hergestellter Pkw in Großbritannien lediglich poliert, liegen hierin keine ursprungsbegründenden Bearbeitungsschritte. Etwas anderes gilt aber, wenn z. B. Bleche aus China nach Großbritannien eingeführt werden und aus diesen Blechen in Großbritannien ein Auto gefertigt wird. Dann kann von einer solchen ursprungsbegründenden Bearbeitung ausgegangen werden. Das TCA sieht für sämtliche Warengruppen nach dem Zollkodex entsprechende Mindestbearbeitungen vor, um von einem ursprungsbegründenden Bearbeitungsschritt ausgehen zu können.
1. Warenverkehr mit Nordirland
Tz. 133
Stand: EL 129 – ET: 11/2022
Warenbewegungen zwischen der EU und Nordirland gelten als Warenverkehr innerhalb der EU, für die keine Einfuhr- oder Ausfuhrzollförmlichkeiten zu erfüllen sind. D.h. weil sich die EU und UK bislang noch nicht über das schwierige Verhältnis des UK zu Irland einigen konnten und man keine grüne Grenze zwischen der EU und UK wollte, vereinbarte man zunächst für eine Übergangszeit, dass Nordirland in Bezug auf den Warenverkehr weiterhin als der EU angehörig "fingiert" wird. Das gilt jedoch umsatzsteuerlich ausschließlich für den Warenverkehr, nicht aber auch für den Dienstleistungsverkehr. D.h. zollrechtlich und umsatzsteuerlich gilt der Warenverkehr zwischen dem EU-Gebiet und Nordirland weiterhin als innerhalb der EU stattfindend. Mithin kommt es weiterhin zum Vorliegen innergemeinschaftlicher Lieferungen und innergemeinschaftlicher Erwerbe. Es hat sich somit für den Warenverkehr zwischen der EU und Nordirland tatsächlich nichts durch den Brexit geändert.
2. Das Ursprungskapitel des TCA
Tz. 134
Stand: EL 129 – ET: 11/2022
Das Abkommen (TCA) enthält im Unterschied zu anderen Freihandelsabkommen kein gesondertes "Ursprungsprotokoll". Vielmehr ergeben sich die Ursprungsregelungen aus dem Abkommen selbst (Art. 37ff). Die Liste mit den produktspezifischen Regeln, einleitenden Bemerkungen und die Texte der Erklärungen zum Ursprung (sog. Ursprungserklärungen) finden sich in den Anhängen 2 bis 9 des Abkommens.
Tz. 135
Stand: EL 129 – ET: 11/2022
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