rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kommunale Zuwendungen an einen Verein, der herrenlose Tiere in das von ihm betriebene Tierheim aufnimmt, als nicht steuerbare Zuschüsse
Leitsatz (redaktionell)
1. Erbringt ein Unternehmer in Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Leistungen gegen Entgelt, ist grundsätzlich von einem steuerbaren Leistungsaustausch auszugehen. Leistungen, die ein eingetragener Verein (e. V.) von einer Gemeinde im Zusammenhang mit Tätigkeiten erhält, die er in Erfüllung seines satzungsmäßigen Zwecks ausübt, sind hingegen nicht steuerbare „echte”) Zuschüsse.
2. An der Einwohnerzahl bemessene, jährlich neu zu beantragende Zuwendungen einer Gemeinde an einen e. V., der ein Tierheim betreibt, in das er entsprechend seinem satzungsmäßigen Zweck im Gemeindegebiet aufgefundene herrenlose Tiere aufnimmt, sind keine Entgelte für eine steuerpflichtige Leistung.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
Tenor
Die Änderungsbescheide über Umsatzsteuer 1996 und 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.09.2006 werden aufgehoben. Der Bescheid über Umsatzsteuer 1998 vom 18.05.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.09.2006 und die Änderungsbescheide über Umsatzsteuer 1999 bis 2002 vom 16.04.2007 werden dahingehend geändert, dass die Zuwendungen der Stadt L. i.H.v. 265.000 DM im Jahr 1998, i.H.v. 258.100 DM im Jahr 1999, i.H.v. 245.000 DM im Jahr 2000, i.H.v. 230.966 DM im Jahr 2001 und i.H.v. 113.650 EUR im Jahr 2002 nicht der Umsatzsteuer unterliegen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollsteckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollsteckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob Zahlungen der Stadt L. an den Kläger Entgelte für umsatzsteuerpflichtige Leistungen sind.
Satzungsgemäßer Zweck des Klägers ist es u.a., als helfende und vermittelnde Anlaufstelle für alle Tiere in Not tätig zu sein und ein Tierheim zu betreiben.
Mit Vertrag vom 28.04.1992 wurde der Kläger von der Stadt L. beauftragt, kommunale Hoheitsaufgaben wahrzunehmen (§ 1). Er fängt erkennbar herrenlose Fundtiere ein bzw. holt gefundene Tiere unverzüglich nach Benachrichtigung durch den Finder, durch städtische Ämter außer dem Veterinäramt oder durch die Feuerwehr ab und verbringt sie in das Tierheim. Er gewährleistet die Annahme von Tieren, die das Veterinäramt zum Tierheim bringt. Mit Ausnahme von Tieren aus dem Vollzug des Tierschutzgesetzes erfolgt die Aufnahme im Tierheim nur im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten (§ 2). Die verwahrten Tiere werden für sechs Monate unterhalten, wobei der Kläger berechtigt ist, Tiere vor Ablauf dieser gesetzlichen Verwahrungsfrist unter Vorbehalt der Rechte des Verfügungsberechtigten geeigneten Personen zu übergeben (§ 3). Gemäß § 6 Abs. 3 fördert die Stadt den Kläger mit einer Zuwendung von 0,50 DM je Einwohner für die Mitfinanzierung, Betreibung und Erhaltung des Tierheims.
Während 1995 die Zuwendungen an den Kläger ohne Zuwendungsbescheid überwiesen wurden, bewilligte die Stadt für die Streitjahre auf Antrag des Klägers Zuwendungen für die Aufnahme und Betreuung kleiner gefundener, abgegebener oder eingezogener Heimtiere. Als Rechtsgrundlagen nannten die Zuwendungsbescheide 1996 und 1997 die „allgemeinen Grundsätze und Aufgaben der Gemeindeordnung des Freistaates Sachsen in Verbindung mit der Förderung von Vereinen mit gemeinnützigen Zielen und den allgemeinen Grundsätzen § 26 der Gemeindehaushaltsverordnung” bzw. ab 1998 die „Vorläufige Verwaltungsvorschrift für die Bewilligung staatlicher Zuwendungen nach § 44 Abs. 1 Vorläufige Sächsische Haushaltsverordnung”, die „Organisations-Verfügung des OBM Nr. 21/97 vom 24.11.1997, Rahmenrichtlinien der Stadt L. zur Vergabe von Zuwendungen an außerhalb der Stadtverwaltung stehende Stellen” und die „Allgemeinen Nebenbestimmungen der Stadt L. für Zuwendungen zur institutionellen Förderung vom 23.10.1997”. Die bewilligten Zuwendungen blieben teilweise hinter den beantragten Zuwendungen zurück und entsprachen nur ungefähr den im Vertrag vom 28.04.1992 zugesagten Beträgen. Maßgeblich für die Bewilligung waren die anerkannten zuwendungsfähigen Aufwendungen. Im Einzelnen:
Jahr |
Bewilligt |
Beantragt |
0,50 DM/0,25 EUR pro Einwohner |
1996 (DM) |
265.000 |
265.000 |
254.918 |
1997 (DM) |
265.000 |
265.000 |
250.897 |
1998 (DM) |
265.000 |
265.000 |
247.644 |
1999 (DM) |
258.100 |
668.286 |
246.936 |
2000 (DM) |
245.000 |
684.304 |
246.604 |
2001 (DM) |
230.966 |
782.070 |
246.526 |
2002 (EUR) |
113.650 |
234.944 |
123.698 |
Aufgrund einer Außenprüfung behandelte der Beklagte die Zuwendungen mit Änderungsbescheiden über die Umsatzsteuer 1996 und 1997 jeweils vom 08.07.1999 sowie mit Bescheiden über die Umsatzsteuer 1998 bis 2002 vom 18.05.2000, vom 20.06.2001, vom 20.06.2002, vom 15.04.2004 und vom 12.08.2004 als Entgelte für umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Die dageg...