OFD Münster v. 11.1.1982, S 0170 – 10 – St 13–34
Der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat in einem Einzelfall zur Verwendung der Mittel einer Stiftung aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht folgendes ausgeführt:
Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO dürfen die Mittel der Körperschaften nur für die steuerbegünstigten Zwecke verwendet werden. Mittel i.S. dieser Vorschrift sind sowohl alle Einkünfte im technischen Sinn, z.B. die Vermögenserträge einer Körperschaft, als auch Spenden, vgl. Einführungserlaß zu § 55 AO Nr. 2 des Erlasses. Auch der Gewinn aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb – sei es ein Zweckbetrieb i.S. der §§ 65 bis 68 oder nicht – darf nur zu satzungsmäßigen (begünstigten) Zwecken verwendet werden. Daß nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO die Mittel der Körperschaften nur für die steuerbegünstigten Zwecke zu verwenden sind, bedeutet nicht nur ein Verbot der Zuführung zu satzungsfremden Zwecken, sondern auch ein Verbot der Zuführung von Mitteln zur Mehrung des Vermögens der Körperschaften.
Die Bestimmung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO muß im Zusammenhangmit der Vorschrift des § 58 Nr. 6 AO gesehen werden. Nach der zuletzt genannten Vorschrift wird die Steuervergünstigung nicht dadurch ausgeschlossen, daß eine Körperschaft ihre Mittel ganz oder teilweise einer Rücklage zuführt, soweit dies erforderlich ist, um ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke nachhaltig erfüllen zu können. Zur Auslegung dieser Vorschrift ist im Einführungserlaß zur AO (zu § 58 Nr. 9 des Erlasses) folgendes bestimmt:
Voraussetzung einer Rücklagenbildung ist in jedem Fall, daß ohne sie die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke nachhaltig nicht erfüllt werden können. Das Bestreben, ganz allgemein die Leistungsfähigkeit der Körperschaft zu erhalten, reicht für eine steuerlich unschädliche Rücklagenbildung nicht aus. Vielmehr müssen die Mittel für bestimmte – die steuerbegünstigten Satzungszwecke verwirklichende – Vorhaben angesammelt werden, für deren Durchführung bereits konkrete Zeitvorstellungen bestehen. Eine Rücklage zum Ausgleich der durch die Geldentwertung beeinträchtigten Leistungsfähigkeit ist beispielsweise nicht zulässig.
Die Verwendung der Mittel zu steuerbegünstigten Zwecken hat – abgesehen von der Rücklagenbildung nach § 58 Nr. 6 AO – zeitnah zu geschehen.
Einer anderen gemeinnützigkeitsrechtlichen Beurteilung unterliegt dagegen das Vermögen der gemeinnützigen Körperschaften (z.B. das Stiftungskapital einer gemeinnützigen Stiftung). Es steht der Gemeinnützigkeit nicht entgegen, wenn eine gemeinnützige Körperschaft ihr Vermögen umschichtet.
Beispiel: Eine gemeinnützige Stiftung veräußert den zum Stiftungskapital gehörenden Grundbesitz und setzt den Veräußerungserlös für den Erwerb von Wertpapieren ein. Durch Vermögensumschichtungen treten reale Vermögensmehrungen bzw. -minderungen nicht ein. Das an die Stelle der bisherigen Vermögenswerte tretende Vermögen repräsentiert lediglich in anderer Form den realen Wert des vor der Umschichtung vorhandenen Vermögens. Folglich bleiben buchmäßige Gewinne oder Verluste, die bei der Vermögensumschichtung realisiert werden, für die gemeinnützigkeitsrechtliche Beurteilung außer Betracht. Derartige Buchgewinne unterliegen nicht den oben beschriebenen Bindungswirkungen.
Stellt sich allerdings der An- und Verkauf von Stiftungsvermögen (Wertpapiere) als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i.S. des § 14 AO dar, unterliegen die Gewinne des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs den oben beschriebenen Bindungswirkungen. Sie sind – vorbehaltlich der Rücklagenbildung nach § 58 Nr. 6 AO zeitnah für die steuerbegünstigten Zwecke zu verwenden, § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO.
Normenkette
AO § 14
AO § 55 Abs. 1 Nr. 1
AO § 55 Nr. 2
AO § 58 Nr. 6
AO § 58 Nr. 9