Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe
§ 18 EStG bestimmt, wer Einkünfte aus selbstständiger Arbeit bezieht. Wer nicht hierunter fällt, bezieht Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Zu der Einkunftsart "Selbstständige Tätigkeit" gehören insbesondere die Berufsbilder Freiberufler und sonstige selbstständig Tätige.
Typisch für Freiberufler ist
die selbstständige Ausübung einer wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeit. Maler, Bildhauer, Komponisten, Dichter, Pianisten, Sänger und Schauspieler üben i. d. R. eine künstlerische Tätigkeit aus. Eine schriftstellerische Tätigkeit liegt vor, wenn es sich bei dem für die Öffentlichkeit Geschriebenen um den Ausdruck eigener Gedanken handelt. Der "Schriftsteller" muss kein Dichter oder Gelehrter sein.
Eine unterrichtende Tätigkeit liegt immer dann vor, wenn der Unterricht darauf abgestimmt ist, Menschen Fähigkeiten zu vermitteln. Beispiele: Erteilung von Tanz-, Koch-, Turn-, Schwimm-, Reit-, Sprach-, Musik-, Zeichen-, Fahr- oder Nachhilfeunterricht. Beinhaltet eine Tätigkeit unterrichtende, aber auch gewerbliche Elemente, führt dies nur zu freiberuflichen Einkünften, wenn die Gesamttätigkeit von der unterrichtenden Betätigung dominiert wird (FG Münster, Urteil v. 17.12.2010, 4 K 3554/08 G).
- die Ausübung eines sog. Katalogberufs, z. B. Heilberufe: Arzt, Zahn-, Tierarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, rechts-/wirtschaftsberatende Berufe (Rechts-, Patentanwalt, Notar, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, -bevollmächtigter, vereidigter Buchprüfer, beratende Volks- und Betriebswirte); naturwissenschaftliche Berufe (Architekt, Ingenieur, Handelschemiker), Vermittler von geistigen Gütern und Informationen (Journalist, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer), Lotsen.
- die Ausübung eines einem Katalogberuf ähnlichen Berufs: Die Ausübung eines einem Katalogberuf ähnlichen Berufs wird ebenfalls als freiberufliche Tätigkeit eingestuft. Ein ähnlicher Beruf ist nicht nur bei staatlicher Ausbildung und Prüfung gegeben. Fehlen gesetzliche Regelungen in dieser Hinsicht, kann durch eine vergleichbare Ausbildung und eine Zulassung trotzdem ein ähnlicher Beruf vorliegen (BFH, Urteil v. 22.1.2004, IV R 51/01, BFH/NV 2004 S. 884). Zur Vergleichbarkeit mit einem Katalogberuf von Heil- oder Heilhilfsberufen siehe BMF, Schreiben v. 20.11.2019, IV C 6 – S 2246/19/10001, BStBl 2019 I S. 1298.
Als sonstige selbstständige Tätigkeiten gelten die
- Tätigkeit als Testamentsvollstrecker oder Nachlasspfleger,
- Tätigkeit als Vermögens-, Zwangs-, Insolvenz-, Vergleichs- oder Hausverwalter und
- Tätigkeit im Aufsichtsrat, Verwaltungsrat oder Beirat.
Auch Einkünfte von Berufsbetreuern und Verfahrenspflegern gehören dazu (BFH, Urteil v. 15.6.2010, VIII R 10/09, BFH/NV 2010 S. 1903; BFH, Urteil v. 15.6.2010, VIII R 14/09, BFH/NV 2010 S. 1905). Selbstständig tätige Prostituierte erzielen dagegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (BFH, Beschluss v. 20.2.2013, GrS 1/12, BFH/NV 2013 S. 1029) und unterliegen der Gewerbesteuer.
Eine freiberufliche Tätigkeit kann nur derjenige ausüben, der aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Die Beschäftigung von Hilfskräften (Sekretärin etc.) ist unschädlich. Werden fachlich vorgebildete Mitarbeiter beschäftigt, ist dies unschädlich, solange der Betriebsinhaber seine Arbeitskraft so einsetzt, dass er die uneingeschränkte fachliche Verantwortung für sämtliche Arbeiten übernehmen kann (BFH, Urteil v. 14.5.2019, VIII R 35/16, BFH/NV 2019 S. 1163).
Zu einer Einstufung als Gewerbebetrieb kam es früher, wenn Mitarbeiter in unüblich großem Umfang beschäftigt werden. Der BFH hat dies eingeschränkt. Solange der Inhaber persönlich mitarbeitet, leitend und eigenverantwortlich tätig wird, bleibt es bei Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit (BFH, Urteil v. 26.1.2011, VIII R 3/10, BFH/NV 2011 S. 899). Das gilt auch, wenn ein selbstständiger Arzt die Voruntersuchungen durchführt und die Behandlungsmethode festlegt, während die Behandlung durch angestellte Ärzte erfolgt (BFH, Urteil v. 16.7.2014, VIII R 41/12, BFH/NV 2015 S. 376).
Eine Gemeinschaftspraxis ist insgesamt als Gewerbebetrieb einzustufen, wenn einer der Ärzte für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig ist und nur noch in geringem Umfang eigene Leistungen am Patienten erbringt (FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 16.9.2021, 4 K 1270/19, EFG 2022 S. 490, Revision eingelegt, Az. VIII R 4/22 beim BFH).
Wenn sich Freiberufler (z. B. Ärzte, Rechtsanwälte, Architekten etc.) zu einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts oder einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenschließen, erzielen sie weiterhin Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Die Einkünfte einer Freiberufler-GbR werden aber insgesamt gewerblich, wenn diese auch Vergütungen aus Leistungen erzielt, die in nicht unerheblichem Umfang ohne leitende und eigenverantwortliche Beteiligung der Mitunternehmer-Gesellschafter erbracht werden (BFH, Urteil v. 3.11.2015, VIII R 62/13, BFH/NV 2016 S. 833).
Gleiches gilt, wenn in einer Geme...