LfSt Bayern v. 17.11.2014, S 0450.2.1 - 10/St 42
Erteilung von Abrechnungsbescheiden (§ 218 Abs. 2 AO)
1. Verfahrensrechtliche Fragen
Die mit einer Steuerfestsetzung verbundene Verfügung über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen (§ 36 Abs. 2 EStG) ist ein eigenständiger Verwaltungsakt, für den Bestandskraft eintritt und der nur unter den Voraussetzungen der §§ 129 bis 131 AO geändert werden kann. Die Anrechnungsverfügung entfaltet gegenüber einem späteren Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 AO Bindungswirkung. Diese Bindungswirkung muss deshalb beim Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO beachtet werden. Im Rahmen eines Abrechnungsbescheides kann die Steueranrechnung nur dann geändert werden, wenn die Vorschriften der §§ 129 bis 131 AO dies zulassen (BFH-Urteil vom 15.4.1997, BStBl 1997 II S. 787, vgl. auch AEAO zu § 218, Nr. 3).
Ändert sich die Festsetzung der Einkommensteuer, ist im Umfang dieser Änderung auch die mit dem Änderungsbescheid verbundene Anrechnungsverfügung anzupassen, ohne dass der Anpassung bis dahin ggf. bereits abgelaufene Zahlungsverjährungsfristen bezüglich früher entstandener Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entgegenstehen könnten. Dies hat innerhalb der Zahlungsverjährungsfrist des § 228 AO zu geschehen, die mit der Bekanntgabe des Steueränderungsbescheids (insoweit erneut) in Lauf gesetzt wird (BFH-Urteil vom 29.10.2013, BFH/NV 2014 S. 393).
Erfolgt jedoch keine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung, kann die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen nach Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist weder zu Gunsten noch zu Lasten des Steuerpflichtigen geändert werden. Es handelt sich dabei um Fälle, in denen aufgrund vorgelegter Steuerbescheinigungen Abzugsbeträge zunächst in die Anrechnungsverfügung eingestellt, später jedoch vom FA nicht mehr als abzugsfähig anerkannt worden waren (BFH-Urteil vom 27.10.2009, BStBl 2010 II S. 382), Steuerbescheinigungen für geltend gemachte Steuerabzugsbeträge erst nach Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist vorgelegt worden waren (BFH-Urteil vom 12.2.2008, BStBl 2008 II S. 504 und einbehaltene Lohnsteuer versehentlich zu hoch in die Anrechnungsverfügung eingegeben worden war (BFH-Urteil vom 25.10.2011, BStBl 2012 II S. 220).
Die möglichen weiteren Punkte des Abrechnungsteils (sonstige Zahlungen, Umbuchungen, Aufrechnungen) werden nicht von der Bestandskraft umfasst (vgl. BFH-Urteil vom 13.1.2005, BStBl 2005 II S. 457).
Gegen eine Anrechnungsverfügung, die zusammen mit einer Steuerfestsetzung ergeht, ist der Einspruch gegeben, da es sich um einen Verwaltungsakt im Erhebungsverfahren handelt. Allerdings hat die Erteilung eines Abrechnungsbescheids Vorrang gegenüber der Durchführung eines Einspruchsverfahrens gegen eine Anrechnungsverfügung. Als gesetzlich geregeltes spezielles Verfahren dient der Erlass eines Abrechnungsbescheids i.S. des § 218 Abs. 2 AO dazu, über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, endgültig zu entscheiden (vgl. BFH vom 15.4.1997, BStBl 1997 II S. 787).
Kann aufgrund der Ausführungen des Steuerpflichtigen im Einspruchsschreiben gegen die Anrechnungsverfügung dem Begehren stattgegeben werden, ist die Anrechnungsverfügung entsprechend zu ändern. Gleiches gilt, wenn der Steuerpflichtige zwar keinen Einspruch eingelegt, aber einen Antrag auf Änderung der Anrechnungsverfügung gestellt hat. In beiden Fällen ist die Erteilung eines Abrechnungsbescheids nicht erforderlich, da mit der Stattgabe ein Streit im Sinne des § 218 Abs. 2 AO (nicht) mehr besteht.
Kann dem Einspruch des Steuerpflichtigen gegen die Anrechnungsverfügung nicht abgeholfen werden, ist der Einspruch als Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids nach § 218 Abs. 2 AO anzusehen (BFH-Urteil vom 28.4.1993, BStBl 1994 II S. 147). Über Streitigkeiten, die die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Steuervorauszahlungen betreffen, kann endgültig nur im Verfahren nach § 218 Abs. 2 AO entschieden werden. Eine Entscheidung zum Einspruch gegen die Anrechnungsverfügung ist daher nicht zu fertigen.
Im Zeitpunkt des Erlasses des Abrechnungsbescheids entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch gegen die Anrechnungsverfügung. Der Steuerpflichtige kann ab diesem Zeitpunkt seine Einwände nur noch in dem Verfahren nach § 218 Abs. 2 AO vorbringen. Nur wenn der Steuerpflichtige auf einer Entscheidung über seinen Einspruch besteht, ist neben dem Verfahren nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO auch noch ein Einspruchsverfahren durchzuführen. In diesem Fall ist der Einspruch als unzulässig zu verwerfen.
Soll ein (formloser) Antrag auf Änderung der Anrechnungsverfügung abgelehnt werden, so hat dies ebenfalls durch einen Abrechnungsbescheid zu erfolgen.
2. Organisatorische Fragen
Für die Erteilung von Abrechnungsbescheiden sind in Fällen, in denen Streit über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen besteht, die Veranlagungsstellen zuständig. In diesem Bescheid sind neben der festgesetzten Steuer die einzel...