Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen Aussetzung des Verfahrens
Leitsatz (NV)
1. Die Beschwerde gegen eine Aussetzung des Verfahrens richtet sich nicht gegen eine "prozessleitende Verfügung" und ist daher nicht ausgeschlossen.
2. Über die Berechtigung einer Aufrechnung gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis mit einer bürgerlich-rechtlichen Forderung des FA, die nur vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden kann, kann das FG, wenn der Bestand dieser Forderung strittig ist, nicht selbst entscheiden; das Verfahren ist vielmehr bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Gegenforderung auszusetzen (vgl. BFHE 198, 55, BStBl II 2002, 509).
Normenkette
FGO §§ 74, 128
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (Beschluss vom 09.08.2004; Aktenzeichen 1 K 2774/01) |
Tatbestand
I. Bei dem Finanzgericht (FG) ist ein Klageverfahren anhängig, in dem sich der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gegen einen Abrechnungsbescheid des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) wendet. Mit dem angegriffenen Beschluss hat das FG das Verfahren bis zum Abschluss des beim Landgericht P anhängigen Klageverfahrens ausgesetzt. Zur Begründung dieser im Hinblick auf die Gegebenheiten der Streitsache nicht näher begründeten Entscheidung wird auf § 17 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie die Entscheidung des beschließenden Senats vom 9. April 2002 VII B 73/01 (BFHE 198, 55, BStBl II 2002, 509) hingewiesen, welcher sich das FG "aus prozessökonomischen Gründen" meint anschließen zu können.
Der Kläger hat gegen den Aussetzungsbeschluss fristgerecht Beschwerde erhoben, deren Begründung sich in dem Hinweis erschöpft, die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens lägen "derzeit" nicht vor.
Aus den Akten des FG entnimmt der beschließende Senat zum Streitstoff des Beschwerdeverfahrens Folgendes:
Die beim FG anhängige Klage richtet sich gegen den Abrechnungsbescheid des FA vom 12. September 2000 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2001. Der Abrechnungsbescheid betrifft u.a. die Erstattung von Einkommensteuer 1998 und evangelischer Kirchensteuer 1999. Das FA hat die hierzu festgesetzten Erstattungsbeträge nur teilweise an den Kläger ausgekehrt, sie im Übrigen jedoch --hinsichtlich Einkommensteuer 1998 in Höhe von 3 884 DM und hinsichtlich Kirchensteuer 1999 in Höhe von 570,23 DM-- mit einer Forderung verrechnet, deren es sich gegenüber dem Kläger berühmt. Diese Forderung soll auf einer Bürgschaft beruhen, die der Kläger zur Sicherung eines der M e.G., zu deren Vorstand der Kläger gehört hat, gewährten Kredits gegenüber der D-Bank abgegeben hat; deren Forderungen einschließlich der für sie u.a. in Form der Bürgschaft des Klägers bestehenden Sicherheiten seien, so meint das FA, inzwischen auf das Land Brandenburg übergegangen und könnten deshalb gemäß § 226 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) durch Aufrechnung gegen steuerliche Forderungen des Klägers realisiert werden, da dieser seine Bürgschaftsverpflichtung nicht erfüllt habe. Er hat sich vielmehr im Klageverfahren im Wesentlichen damit verteidigt, die Bürgschaft sei sittenwidrig.
Auf Aufforderung des FG hat das Land Brandenburg gegen den Kläger beim Landgericht P Klage mit dem Antrag erhoben, den Kläger zur Zahlung von rd. 7 000 € zu verurteilen. Die Klage ist auf die Bürgschaftserklärung des Klägers gestützt, die dieser für Forderungen der D-Bank gegen die M e.G. abgegeben habe.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nach § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig. Ein Fall des § 128 Abs. 2 FGO, wonach die Beschwerde gegen u.a. "prozessleitende Verfügungen" ausgeschlossen ist, liegt nicht vor; denn der Beschluss über die Aussetzung eines Verfahrens dient nicht wie jene Verfügungen unmittelbar der Vorbereitung einer Entscheidung des Gerichts über das Klagebegehren, sondern soll im Gegenteil das Gericht von der Pflicht, über das Klagebegehren alsbald zu entscheiden, vorläufig suspendieren. Hiergegen den Beteiligten ein Rechtsmittel zu eröffnen, wie es in der FGO bis zum In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ausdrücklich geregelt war (vgl. § 128 Abs. 2 Halbsatz 2 FGO a.F.), verlangt deren Anspruch auf (alsbaldigen) Rechtsschutz (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 128 Rdnr. 4).
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Da das FG über die Berechtigung einer Aufrechnung gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis mit einer bürgerlich-rechtlichen Forderung des FA, die nur vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden kann, hinsichtlich des Bestandes dieser Forderung nicht selbst entscheiden kann, ist nach dem Beschluss des Senats in BFHE 198, 55, BStBl II 2002, 509 im Falle einer diesbezüglichen Aufrechnungserklärung des FA das Verfahren nach § 74 FGO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Gegenforderung auszusetzen (vgl. auch Beschluss des Senats vom 25. November 1997 VII B 146/97, BFHE 184, 242, BStBl II 1998, 200). Dies entspricht der Rechtsauffassung auch anderer oberster Gerichtshöfe des Bundes zu wortgleichen Vorschriften der von diesen anzuwendenden Verfahrensordnungen (vgl. die Nachweise in der Entscheidung in BFHE 198, 55, BStBl II 2002, 509). Weder dem Beschluss des FG noch dem Vorbringen der Beschwerde sind nachvollziehbare Einwendungen hiergegen zu entnehmen.
Ebenso wenig ist zu erkennen, dass die vorgenannten verfahrensmäßigen Voraussetzungen für eine Aussetzung im Streitfalle nicht vorlägen, was die Beschwerde auch lediglich behauptet, ohne dazu irgend etwas substantiiert vorzutragen. Die Beschwerde ist deshalb zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1329096 |
BFH/NV 2005, 711 |