Entscheidungsstichwort (Thema)
Erinnerung gegen den Kostenansatz für eine Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (NV)
1. Mit der Erinnerung gegen den Kostenansatz können nur Einwendungen erhoben werden, die sich gegen die Kostenrechnung selbst, also gegen den Ansatz einzelner Kosten und deren Höhe, ggf. auch gegen den zugrunde liegenden Streitwert richten.
2. Die Erhebung einer Gerichtsgebühr für eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Beschwerde wegen Nichtbeachtung des beim BFH bestehenden Vertretungszwanges unzulässig ist.
3. Eine Überprüfung des in § 62a FGO angeordneten Vertretungszwangs unter dem Gesichtspunkt des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, des Art. 6 EMRK und des Abschlussdokuments des KSZE-Folgetreffens in Wien vom 15. Januar 1989 kommt nicht in Betracht.
4. § 11 GKG a.F. ist hinreichend bestimmt und ermöglicht eine eindeutige Berechnung der Gerichtsgebühren.
5. Der Einwand der Aufrechnung gegen eine Gerichtskostenforderung ist im Erinnerungsverfahren nur dann zulässig, wenn die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist.
Normenkette
EMRK Art. 6, 13; FGO § 62a; GKG § 5 Abs. 4 S. 4, § 11 Abs. 1-2, § 3 Abs. 2, § 34 Abs. 1, § 66 Abs. 7 S. 2; JBeitrO § 8 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
I. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Beschwerde des Kostenschuldners und Erinnerungsführers (Kostenschuldner) wegen Nichtzulassung der Revision mit seinem dem Kostenansatz zugrunde liegenden Beschluss vom 20. Juli 2001 als unzulässig verworfen, weil der Kostenschuldner nicht ordnungsgemäß vertreten war, wie es § 62a der Finanzgerichtsordnung (FGO) verlangt. Daraufhin hat die Kostenstelle des BFH die zu entrichtenden Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren mit Kostenrechnung vom 22. August 2001 mit 70 DM angesetzt.
Dagegen hat der Kostenschuldner Erinnerung sowie "hilfsweise Beschwerde gemäß Art. 47 EU-Charta bzw. Art. 6, 13 EMRK" eingelegt und die Einstellung der Vollstreckung beantragt. Er macht geltend, dass der für das Verfahren über die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision geltende Vertretungszwang eine unzulässige Beschränkung seiner Freiheitsrechte darstelle und weist darauf hin, dass es unlogisch sei, Verfahrenskosten zu erheben, obwohl das Verfahren wegen der Nichtbeachtung des Vertretungszwanges tatsächlich nicht durchgeführt worden sei. Die Kostenforderung beruhe ferner auf einer nicht ausreichenden gesetzlichen Grundlage, denn es sei nicht möglich, anhand von § 11 des Gerichtskostengesetzes --GKG-- (in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung --GKG a.F.--) die geschuldeten Gebühren zu berechnen. Die Vorschrift biete mehrere Auslegungsalternativen, von denen keiner eindeutig der Vorzug gebühre. Schließlich erklärt der Kostenschuldner die Aufrechnung mit angeblichen Schadensersatzansprüchen, die ihm wegen der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft im Bereich des Umwelt- und Gesundheitsschutzes gegen die Bundesrepublik Deutschland zuständen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Erinnerung ist nicht begründet. Die Kostenrechnung entspricht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach dem Gesetz.
a) Mit seinem Einwand, der für das Verfahren über die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision geltende Vertretungszwang verstoße gegen Völkerrecht und beschränke ihn unzulässig in seinen Rechten, kann der Kostenschuldner im Erinnerungsverfahren nicht gehört werden, denn mit der Erinnerung können nur Einwendungen erhoben werden, die sich gegen die Kostenrechnung selbst, also gegen den Ansatz einzelner Kosten und deren Höhe, ggf. auch gegen den zugrunde liegenden Streitwert richten (Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2005 VII E 10/05, BFH/NV 2006, 345). Die Erinnerung ist daher nicht geeignet, eine Überprüfung einer rechtskräftigen Entscheidung auf ihre Richtigkeit herbeizuführen. Das gilt sowohl für die Sachentscheidung als auch für die dem Kostenansatz zugrunde liegende Kostenentscheidung (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Januar 1994 VII E 15/93, BFH/NV 1994, 818, m.w.N.).
Aber selbst wenn dies statthaft wäre, käme eine Überprüfung des in § 62a FGO angeordneten Vertretungszwanges unter dem Gesichtspunkt des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2000 Nr. C 364/1 --EU-Grundrechts-Charta--) bzw. der Art. 6 und 13 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und des Abschlussdokuments des KSZE-Folgetreffens in Wien vom 15. Januar 1989 (KSZE-Abschlussdokument) nicht in Betracht.
Die EU-Grundrechts-Charta ist bisher mangels Aufnahme in die Europäischen Verträge rechtlich unverbindlich geblieben (Pernice/Mayer in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, nach Art. 6 EUV Rz. 24; Pechstein in Streinz, EUV/EGV Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Art. 6 EUV Rz. 12). Auch das vom Kostenschuldner in Bezug genommene KSZE-Abschlussdokument ist lediglich eine politische Absichtserklärung ohne rechtliche Verbindlichkeit (vgl. Ipsen, Völkerrecht, 4. Aufl. 1999, § 34 Rz. 15; v. Vitzthum in v. Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, Abschn. 1 Rz. 67). Art. 6 EMRK findet wegen des öffentlich-rechtlichen Charakters der Besteuerung im finanzgerichtlichen Verfahren keine Anwendung (vgl. z.B. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Entscheidungen vom 12. Juli 2001 44759/98, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3453, und vom 13. Januar 2005 62023/00, Europäische Grundrechte-Zeitschrift 2005, 234; s. auch BFH-Beschlüsse vom 21. Februar 2006 I B 32/05, BFH/NV 2006, 1305; vom 31. Juli 2003 IX E 6/03, BFH/NV 2003, 1603, jeweils m.w.N.). Eine zur Beschwerde i.S. von Art. 13 EMRK berechtigende Rechtsverletzung liegt daher nicht vor.
b) Die Erhebung einer Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Beschwerde wegen Nichtbeachtung des Vertretungszwanges unzulässig ist. Denn auch die unzulässige Beschwerde erfordert ein Tätigwerden des Gerichts und verursacht damit Aufwand, der durch die Erhebung der im GKG vorgesehenen Gebühren abgegolten wird. Eine unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht (§ 8 GKG a.F.) ist nicht erkennbar. Nicht der Senat hat die Sache unrichtig behandelt, sondern der Kostenschuldner, der trotz entsprechender Rechtsmittelbelehrung in der Entscheidung des FG den beim BFH nach § 62a FGO bestehenden Vertretungszwang nicht beachtet hat.
c) § 11 GKG a.F. ist hinreichend bestimmt und ermöglicht eine eindeutige Berechnung der geschuldeten Gerichtsgebühren. Die vom Kostenschuldner gegen die Verfassungskonformität vorgebrachten Einwände kann der Senat nicht nachvollziehen. Nach § 11 Abs. 1 GKG a.F. i.V.m. Nr. 3402 des Kostenverzeichnisses ist für das Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision eine Gerichtsgebühr festzusetzen. Diese Gebühr berechnet sich wie folgt: Bei einem Streitwert bis 600 DM beträgt die Gebühr 50 DM (§ 11 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F.). Diese Gebühr erhöht sich bei einem Streitwert bis 3 000 DM für jeden angefangenen Betrag von weiteren 600 DM um 20 DM (§ 11 Abs. 2 Satz 3 1. Zeile der Tabelle GKG a.F.). Bei einem von der Kostenstelle zutreffend angenommenen Streitwert von 790 DM beträgt die Gebühr somit 50 DM + 20 DM = 70 DM. Die Anwendung der Tabelle in Anlage 2 zum GKG a.F. führt zum gleichen Ergebnis.
d) Soweit der Kostenschuldner die Aufrechnung mit angeblichen Schadensersatzansprüchen wegen der Nichtumsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft erklärt hat, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen. Der Einwand der Aufrechnung gegen eine Gerichtskostenforderung ist im Erinnerungsverfahren gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 der Justizbeitreibungsordnung nur dann zulässig, wenn die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist (Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 345). Dafür ist nach dem Vortrag des Kostenschuldners nichts ersichtlich.
2. Über den Antrag auf Einstellung der Vollstreckung, den der Senat als Antrag, die aufschiebende Wirkung der Erinnerung gegen den Kostenansatz anzuordnen (§ 5 Abs. 4 Satz 4 GKG a.F.), auslegt, braucht der Senat nicht mehr zu entscheiden, weil er endgültig über die Erinnerung entschieden hat und deshalb eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht mehr in Betracht kommt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. Juli 2003 VII E 13/03, BFH/NV 2003, 1593; vom 13. Juni 1997 VII E 3/97, BFH/NV 1998, 75).
3. Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs. 6 GKG a.F.).
Fundstellen