Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Nichtvorlage an den EuGH
Leitsatz (NV)
1. Verletzt ein Gericht willkürlich seine Vorlagepflicht an ein anderes Gericht, so war das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt.
2. Eine Gerichtsentscheidung, in der eine mögliche Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 Abs. 3 EG abgelehnt wird, verstößt nur dann gegen das Gebot des gesetzlichen Richters, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat.
Normenkette
FGO § 119 Nr. 1, § 134; ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 1; EG Art. 234 Abs. 3; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
Gründe
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hat keinen Erfolg.
Nach § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. §§ 578, 579 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) wird das Verfahren auf Nichtigkeitsklage bzw. im Fall eines verfahrensabschließenden Beschlusses auf Nichtigkeitsantrag wieder aufgenommen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. März 1988 V K 1/88, BFHE 152, 426, BStBl II 1988, 586, unter II.2. der Gründe).
a) Die Regelung des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO stimmt mit dem absoluten Revisionsgrund des § 119 Nr. 1 FGO überein (BFH-Beschluss vom 18. Juni 2008 I S 13/07 (PKH), juris, unter II.1.a der Gründe). Verletzt ein Gericht willkürlich seine Vorlagepflicht an ein anderes Gericht, so war das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt (BFH-Beschluss vom 11. November 1996 VIII B 57/96, BFH/NV 1997, 419, unter 2.c der Gründe, zu § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO a.F.; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 119 FGO Rz 112 f.).
b) Eine Gerichtsentscheidung, in der eine mögliche Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 Abs. 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft abgelehnt wird, verstößt nur dann gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes), wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat, z.B. dann, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. September 2008 2 BvR 1321/07, BFH/NV 2009, 110, unter III.1. der Gründe, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 11. Mai 2007 V S 6/07, BFHE 217, 230, BStBl II 2007, 653, m.w.N.).
c) Der Senat hat in seinem Beschluss vom 24. April 2009 IV B 104/07 (BFH/NV 2009, 1398) ausgeführt, dass die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob "ein Benennungsverlangen seine Grenze dort findet, wo die Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft keine missbräuchliche Gestaltung des Rechts darstellt", bereits geklärt ist, weil es nach der Rechtsprechung des BFH im Rahmen des § 160 der Abgabenordnung nicht darauf ankommt, ob eine ausländische Gesellschaft als eigenständiges Rechtssubjekt anzuerkennen ist. Vielmehr reicht für ein Benennungsverlangen u.a. aus, dass eine (inländische oder ausländische) Person die vertraglich bedungenen Leistungen mangels eigener wirtschaftlicher Betätigung gar nicht erbringen konnte (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1398, unter II.2.a der Gründe). Die Frage, ob ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb besteht, ist im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung des Finanzgerichts (BFH-Beschluss vom 15. Februar 2006 XI B 78/05, BFH/NV 2006, 1122). Im Streitfall hatte danach die leistende Gesellschaft keinen eigenen Geschäftsbetrieb (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1398, unter II.2.b der Gründe).
Fundstellen