Leitsatz (amtlich)
Hat das FA in der Revisionsinstanz dem Klageanspruch durch Erlaß eines neuen Verwaltungsakts stattgegeben und erklärt darauf der Revisionskläger, er nehme die Revision zurück und die Hauptsache sei damit erledigt, so ist der wirkliche Wille des Revisionsklägers im Wege der Auslegung der prozessualen Erklärungen zu ermitteln.
Normenkette
FGO §§ 125, 136 Abs. 2, § 138 Abs. 2
Tatbestand
Nachdem der die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1959 betreffende Rechtsstreit beim BFH anhängig geworden war, änderte das FA (Revisionsbeklagter) den angefochtenen Bescheid gemäß dem Antrag der Stpfl. (Revisionsklägerin) nach § 94 AO. Hiervon gab das FA dem BFH mit Schriftsatz vom 13. September 1967 Kenntnis. Es teilte gleichzeitig mit, an der von ihm bisher vertretenen Rechtsauffassung werde im Hinblick auf die inzwischen geänderte Rechtsprechung des BFH nicht mehr festgehalten; eine Stellungnahme zur Revisionsbegründung erübrige sich daher. Die Stpfl. erklärte daraufhin mit Schriftsatz vom 10. Oktober 1967: "Hiermit nehme ich die Revision ... zurück, da das Finanzamt ... an der von mir bestrittenen Rechtsauffassung nicht mehr festgehalten hat. Damit ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt."
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, wenn Kläger und Beklagter den Rechtsstreit für erledigt erklären. Dies ist hier der Fall, obwohl die Hauptbeteiligten des Verfahrens Erklärungen der Erledigung der Hauptsache nicht ausdrücklich abgegeben haben. Das ist indessen nicht erforderlich, vielmehr genügt es, wenn die Äußerungen der Hauptbeteiligten im Sinne einer Erledigungserklärung gedeutet werden können. Denn auch bei prozessualen Erklärungen, soweit sie überhaupt einer Auslegung fähig sind, ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Ausdruck zu haften. Die Auslegung des Schriftsatzes vom 13. September 1967 ergibt, daß das FA die Hauptsache für erledigt ansieht. Es hat diese Auffassung nach Änderung des angefochtenen Bescheids im Sinne des Klagebegehrens durch die Erklärung zum Ausdruck gebracht, auf Grund der Änderung erübrige sich eine Stellungnahme zur Revisionsbegründung der Stpfl. Mit der Erklärung der Stpfl., sie nehme die Revision zurück, war erkennbar keine Rechtsmittelrücknahme im Sinne von § 125 FGO mit der Kostenfolge des § 136 Abs. 2 FGO beabsichtigt. Durch den Hinweis der Stpfl., das FA halte an der von ihr bestrittenen Rechtsauffassung nicht mehr fest, ist ersichtlich, daß sie sich nicht als Unterlegene des Rechtsstreits ansieht und nicht durch Rücknahme ihres eingelegten Rechtsmittels das von ihr mit der Revision angefochtene Urteil des FG in Rechtskraft erwachsen lassen will (vgl. § 125 Abs. 2 FGO). Diesem wirklichen Willen entspricht der letzte Satz ihres Schreibens vom 10. Oktober 1967, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache erledigt, dem damit für die Auslegung entscheidendes Gewicht zukommt.
Da der Rechtsstreit dadurch erledigt wurde, daß dem Antrag der Stpfl. durch Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts stattgegeben worden ist, waren gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO die Kosten des Rechtsstreits der Behörde aufzuerlegen. Die Kostenentscheidung hatte der Senat auch ohne Antrag von Amts wegen zu treffen.
Fundstellen
Haufe-Index 424551 |
BStBl II 1968, 203 |
BFHE 1968, 20 |