Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässiger Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim BFH neben Klage gegen die Ablehnung einer Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (NV)
Ein beim BFH gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) ist neben einer, im Jahr 1992 noch statthaften, Klage gegen die Ablehnung einer AdV durch die Steuerbehörde nicht zulässig.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, 7
Tatbestand
Gegenstand des Verfahrens ist ein beim Bundesfinanzhof (BFH) gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Das Verfahren läuft neben einem Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision gegen ein Urteil des Finanzgerichts (FG), mit dem eine Klage gegen eine Beschwerdeentscheidung wegen Aussetzung der Vollziehung derselben Steuerbescheide abgewiesen wurde.
1. Die Antragstellerin, eine GmbH, betreibt Daten- und Textverarbeitung. Das Stammkapital wird von den Eheleuten CK und KK je hälftig gehalten. In den Streitjahren 1983 bis 1988 waren beide Gesellschafter Geschäftsführer der Antragstellerin. Sie waren nicht von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit.
Die Antragstellerin zahlte in den Streitjahren Gehälter an die Gesellschafter-Geschäftsführer und übernahm für sie private Versicherungsbeiträge. Die Gehälter wurden überwiegend in unterschiedlich hohen Teilbeträgen je nach Bedarf gezahlt. KK erhielt teilweise überhaupt keine Zahlungen. Lohnsteuerliche Folgen zog die Antragstellerin aus den Gehaltszahlungen nicht. Der Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) behandelte im Anschluß an eine Außenprüfung sowohl den Gehaltsaufwand als auch die Übernahme der Versicherungsbeiträge als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA).
Die Antragstellerin legte gegen die entsprechenden Körperschaftsteuer-und Gewerbesteuermeßbescheide 1983 bis 1988 Einspruch ein, der vom FA zurückgewiesen wurde. Gegen die Einspruchsentscheidung erhob die Antragstellerin Klagen, die vom FG durch Urteile vom 22. September 1993 abgewiesen wurden. Gegen die Urteile legte die Antragstellerin Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein. Die Beschwerden wurden durch Beschluß des erkennenden Senats vom heutigen Tage als unbegründet zurückgewiesen.
Neben ihrem Einspruch gegen die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide beantragte die Antragstellerin beim FA durch Schreiben vom 9. Oktober 1991 Aussetzung der Vollziehung. Das FA lehnte den Antrag durch Verfügung vom 4. November 1991 ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde wurde von der zuständigen Oberfinanzdirektion (OFD) durch Beschwerdeentscheidung vom 25. November 1991 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen erhob die Antragstellerin Klage, die vom FG durch Urteil vom 22. September 1993 abgewiesen wurde. Die gegen dieses Urteil eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision wurde vom erkennenden Senat ebenfalls durch Beschluß vom heutigen Tage als unbegründet zurückgewiesen.
2. Mit dem vorliegenden Antrag vom 30. Dezember 1993 beantragt die Antragstellerin nunmehr beim BFH Aussetzung der Vollziehung der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide 1983 bis 1988.
Sie führt aus, an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden erhebliche Zweifel. Die Leistungen der Antragstellerin seien als Betriebsausgaben abziehbar, da sie der Höhe nach ein angemessenes Entgelt für die Dienstleistungen der Gesellschafter darstellten. Zwar seien die Gehaltszahlungen und eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB möglicherweise nicht von Anfang an genau festgelegt gewesen. Es erscheine aber angebracht, auch in solchen Fällen die angemessenen Leistungen der Gesellschaft als Betriebsausgaben anzuerkennen. Kein Gesellschafter sei verpflichtet, seiner Gesellschaft unentgeltliche Leistungen zu erbringen. Zur Unregelmäßigkeit der Zahlungen sei zu bemerken, daß nur die Gehaltszahlungen unregelmäßig erfolgt seien. Die übernommenen Versicherungsbeiträge seien jeweils bei Fälligkeit entrichtet worden. Die fehlenden Lohnsteueranmeldungen seien bedeutungslos, da sich bei der Höhe der Gehälter ohnehin keine Lohnsteuer ergeben hätte.
Das FA macht geltend, es sei unzulässig, neben einem Verfahren über die Nichtzulassung der Revision gegen ein Urteil über die Aussetzung der Vollziehung einen weiteren Aussetzungsantrag mit dem gleichen Ziel zu stellen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist nicht zulässig und war abzuweisen.
1. Der BFH ist für die Entscheidung über den Antrag zuständig. Gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Der BFH ist im Streitfall Gericht der Hauptsache, da die Antragstellerin in der Hauptsache Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt und das FG dieser Beschwerde nicht abgeholfen hat (BFH- Beschluß vom 19. November 1990 III S 6/90, BFH/NV 1991, 459; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Tz. 28).
2. Der Antrag ist jedoch unzulässig.
Nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 4. Dezember 1967 GrS 4/67 (BFHE 90, 461, BStBl II 1968, 199) steht dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zu, ob er die Frage der Vollziehungsaus setzung im Klageverfahren oder im Beschlußverfahren klären lassen will. Der Steuerpflichtige muß sich aber für eines der beiden Verfahren entscheiden. Die Antragstellerin hat gegen die Beschwerde entscheidung der OFD Klage erhoben und gegen das diese Klage abweisende Urteil des FG Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision eingelegt. Die Antragstellerin hat sich damit für das Klageverfahren entschieden. Der daneben beim BFH gestellte Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO ist unzulässig.
Es kann dahinstehen, ob ein solcher Antrag bei veränderten Verhältnissen zulässig sein könnte (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 27. Januar 1982 II B 38/81, BFHE 135, 156, 157, BStBl II 1982, 326; vom 25. November 1992 II B 86/91, BFHE 169, 120, BStBl II 1993, 122). Die Antragstellerin stützt ihren Antrag nicht auf veränderte Verhältnisse.
Die zum bisherigen Recht ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung ist auch im Streitfall anwendbar. Zwar ist der Antrag der Antragstellerin bereits nach Inkrafttreten des § 69 Abs. 7 FGO gestellt worden, der ein Klageverfahren gegen die Entscheidung der Steuerbehörde seit 1. Januar 1993 ausschließt. Im Streitfall war die Klage gegen die Beschwerdeentscheidung der OFD jedoch noch zulässig, da die Beschwerdeentscheidung bereits am 25. November 1991 ergangen war. Soweit aufgrund der bisherigen Rechtslage noch die grundsätzliche Möglichkeit mehrfacher Verfahren mit gleichem Ziel besteht, ist auch die zu dieser Rechtslage ergangene Rechtsprechung noch anzuwenden.
Fundstellen
Haufe-Index 420005 |
BFH/NV 1995, 224 |