Entscheidungsstichwort (Thema)
Kontokorrentkredit als Dauerschuld im Kfz-Handel
Leitsatz (NV)
Bei einem Kontokorrentverhältnis oder einem kontokorrentähnlichen Verhältnis ist ein Kredit nur bei nachweisbarer Beziehung zu den laufenden Geschäften nicht als Dauerschuld anzusehen. Dies ist nicht der Fall, wenn im Kfz-Handel ein Kfz-Hersteller einem Vertragshändler zwar Einzelkredite zur Begleichung der Kaufpreise von Fahrzeugen und Ersatzteilen gewährt, wenn jedoch auf die bei Verkauf des jeweiligen Kfz und der jeweiligen Ersatzteile vorgesehene Kreditrückzahlung verzichtet wird (Anschluß an BFH-Urteil vom 3. August 1993 VIII R 40/92, BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664).
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Vertragshändlerin und -werkstatt der X-AG. Sie finanzierte sich in den Streitjahren 1982 bis 1986 über die X-Bank GmbH, die den X-Vertragshändlern und so auch der Klägerin für den Handel mit Neu- und Gebrauchtwagen, Ersatzteilen und ehemaligen Leasing-Kfz jeweils unterschied liche Kreditlinien eingeräumt hatte. Es wurden einheitliche Rahmenkreditverträge abgeschlossen, aufgrund deren die Klägerin Einzelkredite zur Begleichung der Kaufpreise einzelner Fahrzeuge und Ersatzteile erhielt. Diese Einzelkredite wurden einzeln gebucht und abgerechnet. Die jeweilige Laufzeit richtete sich nach der Lagerdauer des einzelnen Fahrzeugs bzw. Ersatzteils, längstens jedoch neun Monate mit Verlängerungsmöglichkeit von vier Monaten in Ausnahmen für Neufahrzeuge.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) sah diese Kredite teilweise als Dauerschulden an, weil von den im Kfz-Handel üblichen Kreditkonditionen abgewichen worden sei. Denn der Klägerin seien aufgrund ihrer finanziellen Schwierigkeiten von der X-Bank Sonderkonditionen eingeräumt worden. So sei auf die im Rahmenvertrag bei Verkauf des jeweiligen Kfz vorgesehene Kreditrückzahlung verzichtet worden. Statt dessen sei eine Ablösung nur dann vorgenommen worden, "sofern (deren) monatliche Zukäufe sich gegenüber (deren) Verkäufe verringern". In ähnlicher Weise wurde bei den Ersatzteilen verfahren. Bei entsprechenden finanziellen Möglichkeiten war es der Klägerin aufgrund der Sonderkonditionen erlaubt, zusätzliche Beträge abzulösen. Sie hatte der Bank gegenüber vierteljährlich die zur Prüfung erforderlichen Nachweise zu erbringen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Dagegen richtet sich die Beschwerde, mit der die Klägerin Zulassung der Revision begehrt.
Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Zwar habe der Bundesfinanzhof (BFH) sich in seinem Urteil vom 3. August 1993 VIII R 40/92 (BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664) mit der Frage, wann ein Kredit im Kfz- Handel als Dauerschuld zu behandeln sei, befaßt. Danach sei eine Dauerschuld nicht gegeben, wenn ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Kreditgewährung und dem einzelnen Warengeschäft und dessen Abwicklung festgestellt werden könne. Der "enge wirtschaftliche Zusammenhang" sei indes noch nicht abschließend definiert worden, insbesondere nicht für die Frage,
-- ob die Möglichkeit der Kreditablösung bzw. der Verzicht hierauf den wirtschaftlichen Zusammenhang beeinträchtige, wenn die Gesamthöhe des Kredits an den Gesamtbestand der jeweiligen Vorräte (Gebrauchtwagen, Ersatzteile) gekoppelt sei, und
-- ob es für die Annahme des Zusammenhangs ausreiche, wenn der Darlehensgeber über vertragliche Einsichts- und Kontrollrechte jederzeit die Kontrolle darüber habe, daß die Kreditmittel nicht anderweitig als zur Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Vorratsvermögens verwendet werden und wenn überdies die Kredithöhe an den Vorratsbestand angepaßt sei.
Richtiger Ansicht nach sei die erste Frage zu verneinen. Denn die Gefahr eines allgemein betriebsmittelverstärkenden Kredits bestehe infolge der bloßen Möglichkeit, den Kredit vorzeitig ablösen zu können, nicht. Allgemeine Mittel würden hierdurch nicht frei. Nach dem o. a. BFH-Urteil müßten freiwerdende Mittel aus Kfz-Verkäufen unmittelbar zur Kreditabdeckung verwendet werden. Es sei unklar, was der BFH unter einer "unmittelbaren Verwendung" der Mittel aus den Kfz-Verkäufen verstehe. Erforderlich sei insofern ein Verständnis im Lichte des Gewerbesteuerrechts. Durch die Sonderzusage hinsichtlich des Verzichts auf die monatliche Ablösung würde bei ihr kein Vermögen gebildet, das zur allgemeinen Finanzierung verwendet werden könnte. Der erforderliche Unmittelbarkeitszusammenhang sei deshalb gewahrt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Nach § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der für die Streitjahre geltenden Fassung werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die bei seiner Ermittlung abgezogenen Zinsen für Schulden in vollem Umfang wieder hinzugerechnet, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen -- erste Tatbestandsgruppe -- oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen -- zweite Tatbestandsgruppe --. Die Verbindlichkeiten, für die die bezeichneten Schuldzinsen zu zahlen sind, sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des Gewerbebetriebs wieder hinzuzurechnen, soweit sie bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen worden sind.
2. Ein Kredit hat nur dann Dauerschuldcharakter, wenn die Valuta zur Beschaffung des eigentlichen Dauerkapitals dient, das der Betrieb seiner Eigenart und seiner besonderen Anlage und Gestaltung nach ständig zur Verfügung haben muß. Demzufolge sind vorübergehende Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr des Unternehmens regelmäßig eingegangen und aus den laufenden Geschäftseinnahmen abgedeckt zu werden pflegen, keine Dauerschulden, sondern laufende Schulden, die nicht dem Gewerbekapital und deren Zinsen nicht dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile 7. August 1990 VIII R 423/83, BFHE 162, 117, BStBl II 1991, 23, und vom 31. Januar 1991 IV R 84/89, BFH/NV 1991, 821). Zu den laufenden Schulden gehört auch ein Kredit, den ein Unternehmer zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines bestimmten Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens aufnimmt und der aus dem bei der Veräußerung dieses Wirtschaftsguts erzielte Erlös zu tilgen ist. Denn ein solcher Kredit kann infolge seiner Objektgebundenheit nicht als Dauerkapital dienen, das der Betrieb seiner Eigenart und seiner besonderen Anlage und Gestaltung nach ständig zur Verfügung haben muß (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH- Urteile vom 18. April 1991 IV R 6/90, BFHE 164, 381, BStBl II 1991, 584; in BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664). Eindeutig mit dem laufenden Geschäftsverkehr zusammenhängende Verbindlichkeiten sind auch nicht bereits deshalb Dauerschulden, weil ihre Laufzeit mehr als zwölf Monate beträgt (BFH-Urteile vom 7. August 1990 VIII R 6/90, BFHE 162, 350, BStBl II 1991, 246, und vom 12. September 1990 I R 107/87, BFHE 162, 441, BStBl II 1991, 251, m. w. N.).
3. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die einzelnen Kredite in ein Kontokorrentverhältnis eingestellt werden. Bei einem Kontokorrentverhältnis oder einem kontokorrentähnlichen Verhältnis ist ein Kredit bei konkreter Beziehung zu den laufenden Geschäften nicht als Dauerschuld anzusehen (BFH-Urteil in BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664, m. w. N.). Die Auflösung eines einheitlich gewährten Kredits in einzelne, steuerlich für sich zu beurteilende Kreditgeschäfte, ist nach ständiger Rechtsprechung allerdings nur zulässig, wenn ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Kreditgewährungen, den einzelnen Warengeschäften und deren Abwicklung festgestellt werden kann (BFH-Urteile in BFHE 162, 350, BStBl II 1991, 246; in BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664). Der Zusammenhang muß von den Beteiligten nachweisbar vertraglich begründet und bei der Abwicklung des Geschäfts auch tatsächlich gewahrt werden. Letzteres ist der Fall, wenn die Erlöse aus den kreditfinanzierten Geschäften zur Abdeckung der Kredite zu verwenden sind (BFH-Urteile vom 11. Dezember 1986 IV R 185/83, BFHE 149, 248, 252, BStBl II 1987, 443; in BFHE 162, 350, BStBl II 1991, 246; in BFHE 164, 381, BStBl II 1991, 584, und in BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664, m. w. N.).
Die vorgenannten Grundsätze sind höchstrichterlich -- gerade auch für den Kfz-Handel (BFH-Urteil in BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664) -- als geklärt anzusehen. Dies wird auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Es geht ihr im Ergebnis lediglich darum, ob der danach erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Kredit und Einzelgeschäft aufgrund der besonderen Gegebenheiten im Streitfall nachgewiesen ist.
4. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat in einem nachfolgenden Revisionsverfahren gebunden wäre (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), ist dieser Nachweis jedoch nicht erbracht worden. Die von der Klägerin aufgeworfenen und als grundsätzlich angesehenen Rechtsfragen wären damit in einem solchen Verfahren auch nicht klärungsfähig.
Zwar hat die Bank die aufgrund der Rahmenkreditzusage ausgezahlten Kredite zunächst zur Finanzierung einzelner Warengeschäfte gewährt. Deren Höhe war im Rahmen des Höchstbetrages von den jeweils zum Ankauf des Kfz erforderlichen Mitteln abhängig. Bei Aufnahme der Kredite war der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang sonach gegeben. Dies änderte sich jedoch während des Kreditverhältnisses und bei dessen Abwicklung. Wie das FG festgestellt hat, wurde auf die Ablösung der Kredite -- einzelfallbezogen bei den jeweiligen Gebrauchtwagen und monatlich bei den Ersatzteilen -- verzichtet. Die Erlöse aus den kreditfinanzierten Geschäften sind durchgängig gerade nicht zur Abdeckung der Kredite verwendet worden. Statt dessen erhöhten oder verringerten sich die Darlehen unabhängig von den einzelnen Warengeschäften und orientierten sich an dem Gesamtfinanzbedarf der Klägerin für den Gebrauchtwagen- und Ersatzteilhandel. Die Kreditmittel waren mithin nicht mehr objektgebunden, vielmehr losgelöst von dem konkreten Einzelgeschäft und standen der Klägerin zum Ankauf weiterer Fahrzeuge und Ersatzteile, also einer Vielheit von Wirtschaftsgütern, zur Verfügung. Einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Krediten und den einzelnen Warengeschäften hat das FG deshalb nicht (mehr) feststellen können.
Angesichts dieser tatrichterlichen Feststellungen konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 422089 |
BFH/NV 1997, 612 |