Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Berufsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Seit dem 1. Januar 1966 ist für den Erlaß von Gerichtskosten § 7 GKG maßgebend.
§ 319 Abs. 1 AO a. F. kann auch nicht auf die Fälle angewendet werden, die vor dem 1. Januar 1966 beim Bundesfinanzhof anhängig geworden sind.
Normenkette
AO § 319 Abs. 1; FGO § 162 Ziff. 40; AO § 184/1, § 140 Abs. 1; GKG § 7
Tatbestand
Mit Urteil des Senats vom 30. September 1965 wurden der Antragstellerin die Kosten der Rb. als der unterliegenden Beteiligten auferlegt. Streitig war, ob der Antragstellerin für die Ausfuhr eines Seeschiffes Ausfuhrvergütung zusteht.
Mit Schreiben vom 8. November 1965 ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten beantragen, ihr die Kosten der Rb. aus Billigkeitsgründen (§ 319 Abs. 1 AO) zu erlassen. Der Antrag wurde damit begründet, daß das Urteil des Senats eine gewisse Einschränkung, wenn nicht änderung der Rechtsprechung darstelle, eine besonders schwierige und höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfrage erstmals geklärt worden sei und der Verordnungsgeber trotz Kenntnis der Dinge die Lücke der UStDB nicht geschlossen habe.
Entscheidungsgründe
Der Antrag wird abgelehnt. Die Vorschrift des § 319 Abs. 1 AO ist nach § 162 Ziff. 40 in Verbindung mit § 184 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit dem Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 außer Kraft getreten. Sie kann deshalb vom Senat nicht mehr angewendet werden. Die übergangsvorschriften enthalten hinsichtlich der Kosten keine Regelung. Der Senat kann sich auch nicht der im Schrifttum vertretenen Auffassung anschließen (vgl. Loose, Der Betriebs- Berater 1966 S. 74), daß § 319 Abs. 1 AO noch anzuwenden sei für die Fälle, für welche die Instanz vor dem 1. Januar 1966 eröffnet worden sei. Für eine solche Annahme hätte es einer übergangsregelung bedurft. Wohl ist in Art. XI § 3 des Gesetzes zur änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl I S. 861, 935) vorgeschrieben worden, daß die Gebühren für die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes anhängig gewordenen Rechtsstreite nach dem bisherigen Recht erhoben werden. Der Sinn dieser übergangsregelung war ganz offensichtlich der, eine Rückwirkung der durch das änderungsgesetz eingeführten Gebührenerhöhungen auszuschließen. Der Senat trägt jedoch Bedenken, dieser übergangsregelung, die für einen ganz bestimmten Zweck und Bereich ergangen ist, auf das finanzgerichtliche Verfahren zu übertragen. Der Gesetzgeber, dem die gegenüber der früheren Regelung abweichende Regelung der Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht unbekannt geblieben sein kann, hat gleichwohl eine übergangsregelung nicht getroffen. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber eine übergangsregelung hinsichtlich der Kosten bewußt unterlassen hat. Infolgedessen kann auch auf eine andere übergangsregelung nicht zurückgegriffen werden.
Nach § 140 Abs. 1 FGO findet auf die Gerichtskosten das Gerichtskostengesetz (GKG) sinngemäße Anwendung, soweit dieses Gesetz nicht etwas anderes bestimmt. Mangels einer anderen Regelung der FGO ist daher auch § 7 GKG sinngemäß anzuwenden. Danach kann von der Erhebung der Kosten für "abweisende Bescheide" abgesehen werden, "wenn der Antrag auf unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht". Diese Vorschrift stimmt mit § 319 Abs. 1 AO im wesentlichen überein.
Da der Senat § 319 Abs. 1 AO nicht mehr anwenden kann, nach der nunmehrigen Rechtslage vielmehr § 7 GKG anzuwenden ist, sieht der Senat den gestellten Antrag als Antrag nach § 7 GKG an.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet; denn es liegen die Voraussetzungen für einen Kostenerlaß nach dieser Vorschrift nicht vor. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Gründe können nicht dahin gewürdigt werden, daß die Rb. infolge unverschuldeter Unkenntnis der rechtlichen Verhältnisse - nur eine solche kommt allenfalls in Frage - eingelegt worden ist. Sowohl der Einspruch als auch die Berufung der Antragstellerin wurden jeweils zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat die Rb. ersichtlich nur aus dem Grunde eingelegt, weil sie sich mit der Rechtsauffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts nicht abfinden wollte. Sie konnte nicht damit rechnen, da der Senat die streitige Rechtsfrage in ihrem Sinne entscheiden würde. Regelmäßig ist der Ausgang eines Rechtsstreits ungewiß. Es ist aber nicht der Sinn des § 7 GKG, der unterliegenden Partei das mit dem Prozeß verbundene Risiko abzunehmen. Nur in solchen Fällen, in denen der Prozeß aus unverschuldeter Unkenntnis der Rechtslage geführt worden ist, könnten die Kosten erlassen werden. Diese Voraussetzung liegt aber dann nicht vor, wenn die Rechtslage zweifelhaft ist und deren Zweifelhaftigkeit auch erkannt wird, wie es hier offenbar geschehen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 412186 |
BStBl III 1966, 565 |
BFHE 1966, 502 |
BFHE 86, 502 |