Entscheidungsstichwort (Thema)
Im NZB-Verfahren: Zeitpunkt des Zuflusses einer vGA bei Einnahmeverkürzung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer einer Ein-Mann-GmbH, zur Bedeutung von Rückgewähr- bzw. Schadensersatzansprüchen der GmbH; Vorliegen einer Divergenz ohne ausdrücklichen Widerspruch in Form eines abstrakten Rechtssatzes
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1, § 8 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2; KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, deren Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605, m.w.N.). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein.
a) Im Streitfall hat der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in Bezug auf das Rechtsinstitut der tatsächlichen Verständigung keine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen. Denn das Finanzgericht (FG) hat seine auf tatsächlicher Ebene liegende Überzeugung, dass dem Alleingesellschafter-Geschäftsführer von der GmbH in den Streitjahren Einnahmen von jeweils … DM, die von der GmbH steuerlich nicht erklärt worden waren, als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zugeflossen sind, ausdrücklich (S. 12 des Urteils) aus dem Akteninhalt, durch Urkundsbeweis und durch eine eigene Beweisaufnahme, also aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) gewonnen. Es hat sich gerade nicht allein auf die tatsächliche Verständigung gestützt, sondern dieser nur die Wirkung eines Indizes beigemessen. Deshalb sind die Fragen, die der Kläger im Zusammenhang mit dem Rechtsinstitut der tatsächlichen Verständigung aufgeworfen hat, im Streitfall nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsbedürftig.
b) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob bei einer Einnahmeverkürzung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer einer sog. Ein-Mann-GmbH diesem die Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zeitgleich mit der Vermögensminderung bei der GmbH zufließen (§ 11 Abs. 1 EStG), hat der Kläger nicht in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt. Er hat keine Umstände aufgezeigt, die dafür sprechen könnten, dass dem Alleingesellschafter-Geschäftsführer die vGA als Einnahmen (§ 8 Abs. 1 EStG) aus Kapitalvermögen zu einem anderen Zeitpunkt zufließen als in dem Moment, in dem er tatsächlich über die zu Unrecht steuerlich nicht erklärten Einnahmen der GmbH verfügen kann. Etwaige Rückgewähransprüche der GmbH vermögen an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Es ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt, dass ein eventueller Rückgewähranspruch der GmbH der Annahme einer vorherigen vGA nicht entgegensteht und aus der Sicht der GmbH den Charakter einer Einlageforderung hat (vgl. BFH-Urteile vom 29. Mai 1996 I R 118/93, BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92; vom 25. Mai 1999 VIII R 59/97, BFHE 188, 569, unter 1. a der Gründe). Im Streitfall ist nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsbedürftig, ob möglicherweise für Schadensersatzansprüche etwas anderes gelten könnte als für Rückgewähransprüche und ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Schadensersatzansprüche der Kapitalgesellschaft gegen den Gesellschafter den Tatbestand der vGA gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausschließen können (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Juli 1998 VIII B 38/98, BFHE 186, 379; BFH-Urteil in BFHE 188, 569). Denn der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, und es ist auch nicht offensichtlich, dass und auf welcher Rechtsgrundlage der GmbH gegen ihren Alleingesellschafter-Geschäftsführer ein Schadensersatzanspruch zugestanden hat.
2. Eine Abweichung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) von einer Entscheidung des BFH liegt ebenfalls nicht vor.
Die schlüssige Darlegung einer Abweichung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO erfordert grundsätzlich, dass der Beschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz herausarbeitet, der das erstinstanzliche Urteil trägt. Diesem Rechtssatz ist ein abweichender ―ebenfalls tragender― Rechtssatz aus der Rechtsprechung des BFH (oder Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes) gegenüberzustellen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. November 1995 VIII B 70/95, BFH/NV 1996, 421; vom 2. August 1996 VIII B 74/95, BFH/NV 1997, 133). Der Kläger behauptet nicht, dass die von ihm mitgeteilten Rechtssätze vom BFH in den Urteilen vom 23. Mai 1984 I R 266/81 (BFHE 141, 261, BStBl II 1984, 723) und vom 26. April 1989 I R 147/84 (BFHE 157, 121, BStBl II 1991, 213) aufgestellt worden sind, sondern räumt selbst ein, dass sie von ihm, dem Kläger, aus den Rechtssprüchen des BFH "abgeleitet" worden sind. Die eigenen Schlussfolgerungen, die der Steuerpflichtige aus abstrakten Rechtssätzen des BFH zieht, vermögen jedoch eine Divergenz nicht zu begründen.
Zwar kann ausnahmsweise eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO auch ohne ausdrücklichen Widerspruch in Form eines abstrakten Rechtssatzes dann vorliegen, wenn nach Auffassung des FG einem bestimmten Sachverhalt eine andere Rechtsfolge beizumessen ist als sie der BFH in seiner Entscheidung zu einem im Wesentlichen gleichen Sachverhalt ausgesprochen hat. Eine Abweichung liegt jedoch dann nicht mehr vor, wenn der vom FG beurteilte Sachverhalt sich in so wesentlicher Weise von dem Sachverhalt der BFH-Entscheidung unterscheidet, dass durch den vom BFH aufgestellten Rechtssatz der Sachverhalt des FG nicht als "mitentschieden" anzusehen ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. Oktober 1990 II B 31/90, BFHE 162, 483, BStBl II 1991, 106; vom 1. Juli 1996 VIII B 113/95, BFH/NV 1997, 26). Auch bei Anwendung dieses Maßstabs liegt im Streitfall keine Abweichung vor. Denn die vom Kläger angeführten angeblichen Divergenz-Entscheidungen sind zu anderen Sachverhalten ergangen und befassen sich nicht mit der im Streitfall entscheidungserheblichen Frage des Zuflusses (§ 11 Abs. 1 EStG) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei einem Alleingesellschafter einer GmbH im Falle nicht erklärter Einnahmen der GmbH.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen