Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Fehlende Begründung des vorinstanzlichen Urteils, rechtliches Gehör
Leitsatz (NV)
Das Urteil des FG ist im Sinne von § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen, wenn die Vorinstanz zu dem mit der Klagebegründung vorgetragenen Sachverhaltskomplex "verdeckte Gewinnausschüttung" weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht Stellung nimmt. Das FG verletzt hierdurch zugleich den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör.
Normenkette
FGO §§ 115, 119 Nrn. 3, 6; GG Art. 103 Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist, soweit es die Klage gegen den Einkommensteueränderungsbescheid 1991 vom 22. Januar 1997 abgewiesen hat, aufzuheben und der Rechtsstreit insoweit an die Vorinstanz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Aus dem schlüssigen und zutreffenden Vortrag der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ergibt sich, dass der geänderte Einkommensteuerbescheid 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 1998 sowohl mit Rücksicht auf die Ansicht des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) zum Vorliegen der Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels als auch im Hinblick auf den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1991 in Höhe von … DM angefochten wurde und die Vorinstanz die Klage ―auch bezüglich des Streitjahrs 1991― abgewiesen hat, ohne zu letzterer Klagebegründung in tatsächlicher oder in rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. Demgemäß ist das vorinstanzliche Urteil im Hinblick auf den Sachverhaltskomplex "vGA" zum einen i.S. von § 119 Nr. 6 FGO "nicht mit Gründen versehen" (vgl. einschließlich der erforderlichen Abgrenzungen Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20. Februar 1997 VII R 102/96, BFH/NV 1997, 677; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 119 Rz. 25, m.w.N.); zum anderen muss aus der Nichtberücksichtigung dieses Streitpunkts in den Entscheidungsgründen des finanzgerichtlichen Urteils geschlossen werden, dass die Vorinstanz den Vortrag der Kläger insoweit nicht erwogen und hierdurch deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG―; vgl. auch § 96 Abs. 2 FGO) verletzt hat (§ 119 Nr. 3 FGO; vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 19. Mai 1992 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133, 146; zur Kausalitätsvermutung vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 11).
Der Beschwerde ist demnach stattzugeben, ohne dass der Frage nachzugehen wäre, ob die Kläger einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 108 FGO gestellt haben. Abgesehen davon, dass eine Berichtigung des Tatbestands nicht geeignet wäre, die vorgenannten Verfahrensverstöße zu beseitigen (vgl. hierzu auch BVerfG-Entscheidung vom 23. Juni 1989 1 BvR 147/89, juris), kommt im Streitfall hinzu, dass das FG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 90 Abs. 2 FGO) und der Tatbestand eines solchen Urteils keinen (urkundlichen) Beweis für den schriftsätzlichen Vortrag der Beteiligten erbringt (vgl. § 314 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO). Hieraus folgt aber nicht nur, dass im Falle des schriftlichen Verfahrens ein Antrag nach § 108 FGO ausgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 1. Dezember 1982 I R 75/82, BFHE 137, 212, BStBl II 1983, 227), sondern darüber hinaus auch, dass die Kläger nicht gehindert sind, Verfahrensverstöße (hier: im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde) im Zusammenhang mit den Teilen des Streitstoffes (vgl. § 105 Abs. 3 FGO: Sach- und Streitstand) geltend zu machen, die im Tatbestand des vorinstanzlichen Urteils nicht oder nur unzutreffend wiedergegeben worden sind (BFH-Beschlüsse vom 17. Dezember 1999 V B 116/99, BFH/NV 2000, 852; vom 19. April 1991 IX B 151/90, BFH/NV 1991, 615).
Im Übrigen sieht der Senat von einer Begründung dieses Beschlusses ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2, letzter Halbsatz FGO).
Fundstellen