Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassene Aussetzung als Verfahrensmangel
Leitsatz (NV)
- Ergeht ein gesonderter Beschluss, mit dem die beantragte Aussetzung des Verfahrens abgelehnt wird, so ist dieser prozessual zunächst mit der Beschwerde anzugreifen.
- Geschieht dies nicht, so ist die auf eine Verfahrensrüge gestützte Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht statthaft.
Normenkette
FGO §§ 74, 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Der Senat kann offen lassen, ob der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) offensichtlich als Zulassungsgrund behauptete Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) in einer den Anforderungen des Gesetzes erforderlichen Form dargelegt worden ist (vgl. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge, das Finanzgericht (FG) habe das Verfahren nach § 74 FGO aussetzen müssen, bis über die rechtshängigen Klagen gegen die Einkommensteuerfestsetzungen der Jahre 1991, 1992, 1993 und 1996 in der Hauptsache rechtskräftig entschieden worden sei, hätte eine genaue Bezeichnung der angegebenen Verfahren und eine substantiierte Darlegung, dass diese Verfahren die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für eine Verfahrensaussetzung erfüllen, erfordert (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 12. November 1993 III B 234/92, BFHE 173, 196, BStBl II 1994, 401). Voraussetzung für eine Aussetzung nach § 74 FGO ist grundsätzlich, dass der Rechtsstreit, dessen Entscheidung vorgreiflich ist, bei einem anderen Gericht, zumindest aber bei einem anderen Spruchkörper desselben Gerichts anhängig ist (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 17. August 1995 XI B 123, 125/94, BFH/NV 1996, 219).
Die Beschwerde ist aber jedenfalls unstatthaft. Zwar kann bei ermessenswidriger Unterlassung der Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens und damit ein schwerwiegender Verfahrensmangel vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 12/98, BFHE 189, 148, BStBl II 1999, 731). Der Streitfall weist indes die Besonderheit auf, dass der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens durch gesonderten Beschluss des Vorsitzenden im vorbereitenden Verfahren (§ 79a Abs. 1 Nr. 1 FGO) abgelehnt wurde. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger keine Beschwerde eingelegt, obwohl diese zulässig gewesen wäre (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 74 Rz. 20). Allerdings wäre eine eingelegte Beschwerde im Nachhinein unzulässig geworden, weil der Rechtsstreit inzwischen in der Sache durch Urteil abgeschlossen worden ist (Fall der sog. prozessualen Überholung, siehe dazu BFH-Beschluss vom 9. Dezember 1992 IV B 155/90, BFH/NV 1993, 426).
Der Senat kann offen lassen, wie über die Zulassung der Revision zu entscheiden wäre, wenn der Kläger rechtzeitig Beschwerde gegen den die Aussetzung nach § 74 FGO ablehnenden Beschluss eingelegt hätte und das Gericht dennoch in der Hauptsache entschieden hätte, ohne die Ablehnung der Aussetzung näher zu begründen. Ergeht indes ―wie im Streitfall― ein gesonderter, die Aussetzung ablehnender Beschluss, so ist dieser prozessual zunächst mit der Beschwerde anzugreifen. Geschieht dies nicht, ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil in der Hauptsache grundsätzlich nicht statthaft, es sei denn, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO). Hierzu hat der Kläger aber nichts vorgetragen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Kläger die Ablehnung der Aussetzung durch Beschluss ohne Begründung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt hat.
Fundstellen