Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung: Verlust des Ablehnungsrechts, Ablehnung wegen Fehlentscheidungen
Leitsatz (NV)
1. Unterläßt es ein Beteiligter in einem Revisionsverfahren im 1. Rechtsgang, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, obwohl er hierzu in der Lage gewesen wäre, so verliert er sein Ablehnungsrecht für das anschließende Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision im 2. Rechtsgang.
2. Ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter kann regelmäßig nicht darauf gestützt werden, daß der Richter im Streitfall selbst unrichtige Entscheidungen getroffen hat.
3. Ein solches Gesuch kann nur ausnahmsweise begründet sein, wenn Umstände dargetan werden, die dafür sprechen, daß die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür beruht. Die Fehlerhaftigkeit muß ohne weiteres sichtbar und gravierend sein. Das ist weder der Fall, wenn der betreffende Richter innerhalb eines Kollegialorgans zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung an einer Vorberatung teilnimmt, noch wenn dieses unterbleibt. Das ist gleichermaßen nicht der Fall, wenn der Richter als Vorsitzender des Kollegialorgans auch längere und ausführliche Ausführungen der gegnerischen Partei nicht unterbricht, und schließlich dann nicht, wenn der abgelehnte Richter zur außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits den Beteiligten einen Verständigungsvorschlag unterbreitet.
Normenkette
FGO §§ 51, 155; ZPO §§ 42-43
Tatbestand
Im Klage- und Beschwerdeverfahren ist streitig, ob Vergütungen, die der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als "president" einer kanadischen Aktiengesellschaft in den Streitjahren 1983 bis 1986 erhalten hat, im Inland steuerpflichtig sind. Es handelt sich im einzelnen um Einkünfte von ... c$ (1983), ... c$ (1984), ... c$ (1985) und ... c$ (1986), die die kanadische Steuerverwaltung in vollem Umfang der kanadischen Besteuerung und die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) im Ergebnis zu 50 v. H. der deutschen Besteuerung unterwarf. Das FA war der Auffassung, daß der Kläger seiner Auskunftspflicht über den Umfang der Tätigkeit in Kanada nicht ausreichend nachgekommen sei.
Die Sache befindet sich im 2. Rechtsgang. Das Finanzgericht (FG) hatte mit Urteil vom 15. Februar 1993 der Klage im wesentlichen stattgegeben. Es bezog sich dabei auf den Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. November 1971 GrS 1/71 (BFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68). Danach hatte der BFH für Art. 4 Abs. 1 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 i. d. F. des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 -- DBA-Schweiz 1931/1959 -- (BStBl I 1959, 1006) entschieden, daß die Geschäftsführer einer GmbH mit Sitz im Inland, die ihren Wohnsitz in der Schweiz haben und dort die Geschäfte der Gesellschaft führen, ihre persönliche Tätigkeit am Sitz der Gesellschaft im Inland ausüben. Auf die Revision des FA hob der BFH das Urteil des FG mit Urteil vom 5. Oktober 1994 I R 67/93 (BFHE 175, 424, BStBl II 1995, 95) auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das Urteil ist unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am BFH A, der Richter am BFH C, D und E ergangen. Ihm war ein -- im Ergebnis und in der Begründung weitgehend entsprechender -- Gerichtsbescheid vorangegangen. Im 2. Rechtsgang ist die Klage vom FG durch Urteil vom 20. Juni 1996 weit überwiegend abgewiesen worden. Sie hatte lediglich insoweit Erfolg, als sich die Kläger dagegen wandten, daß die Steuerbescheide hinsichtlich der kanadischen Einkünfte weiterhin vorläufig waren. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Kläger haben Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, der das FG nicht abgeholfen hat. Mit der Beschwerde wird grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend gemacht, und zwar hinsichtlich der Rechtsfrage, ob die Bindung des FG gemäß § 126 Abs. 5 FGO an die vorgängige Entscheidung des BFH auch dann bestehe, wenn diese Entscheidung verfassungswidrig zustandegekommen sei. Dies sei der Fall. Der BFH habe gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen. Von grundsätzlicher Bedeutung seien ferner die Fragen,
--inwieweit der deutsche Fiskus an die bereits in Kanada erfolgte Besteuerung gebunden sei,
--inwieweit der Grundsatz von Treu und Glauben die Finanzverwaltung binde,
--auf welche Weise Doppelbesteuerungsabkommen auszulegen seien,
--wie das Welteinkommensprinzip zu verstehen sei,
--wen die Feststellungslast im Streitfall treffe,
--ob und inwieweit es zulässig sei, den inländischen Tätigkeitsanteil zu schätzen.
Außerdem rügen die Kläger Abweichung des FG-Urteils von dem Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68. Ü
ber die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist noch nicht entschieden.
Die Kläger beantragen, die Richter A, C, D und E gemäß § 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wegen Besorgnis der Befangenheit von dem weiteren Verfahren auszuschließen.
Das FA beantragt, den Antrag zurückzu weisen.
Die von den Klägern abgelehnten Richter haben sich zu den Ablehnungsgesuchen dienstlich geäußert.
Entscheidungsgründe
I. Das Verfahren betreffend die Ablehnung der Richter D und E wird zur gesonderten Entscheidung abgetrennt (§ 73 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Senat entscheidet zunächst -- wie aus der Tenorierung ersichtlich -- nur über das Ablehnungsgesuch betreffend die Richter A und C und stellt damit die Beschlußfähigkeit des I. Senats in seiner Zusammensetzung, wie diese sich aus dem Geschäftsverteilungsplan des BFH für 1997 ergibt (vgl. BStBl II 1997, 104), wieder her.
II. Im Hinblick auf die Richter A und C bleibt das Ablehnungsgesuch der Kläger ohne Erfolg.
1. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich voreingenommen ist. Entscheidend ist vielmehr, ob der Beteiligte, der das Ablehnungsgesuch angebracht hat, von seinem Standpunkt aus bei Anlegung eines objektiven Maßstabs Anlaß hat, Voreingenommenheit des Richters zu befürchten (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluß vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555). Eine Partei kann einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit allerdings nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat (§ 43 ZPO).
2. Soweit den Klägern die von diesen geltend gemachten Ablehnungsgründe im ersten Rechtsgang bereits bekannt waren, haben sie ihr Ablehnungsrecht verloren. Zwar haben sie sich nicht auf eine Verhandlung in dem Verfahren -- hier: in dem Beschwerdeverfahren auf Zulassung der Revision -- eingelassen, in dem sie ihr Ablehnungsgesuch gestellt haben. Sie haben jedoch im ersten Rechtsgang an der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden am 5. Oktober 1994 teilgenommen und mitgewirkt und damit i. S. von § 43 ZPO eingelassen (vgl. auch Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 51 FGO Rz. 89, m. w. N.). Sie hätten die geltend gemachten Ablehnungsgründe deshalb insoweit bereits in dieser Verhandlung vorbringen müssen. Denn der Zweck der Vorschrift in § 43 ZPO besteht darin, den Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters hegenden Beteiligten zur alsbaldigen Kundgabe seiner Bedenken zu veranlassen (Günther, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1986, 281, 287f.). Durch die Unterlassung der Ablehnung des Richters in einem Prozeß verliert die Partei ihr Recht, diesen Richter abzulehnen, auch für ein nachfolgendes Verfahren, wenn zwischen beiden Verfahren ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht (BFH-Beschlüsse vom 15. April 1987 IX B 99/85, BFHE 149, 424, BStBl II 1987, 577, m. w. N.; vom 16. Dezember 1987 I B 130/87, BFH/NV 1988, 788; Stein/Jonas/Bork, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 43 Rdnr. 2; Schneider, Monatsschrift für Deutsches Recht 1977, 441, 443; a. A. Zöller/Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 43 Rdnr. 7; Feiber in Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung, § 43 Rdnr. 8 mit Hinweis darauf, daß Zulässigkeitsfragen nicht von Wertungen über rechtliche und tatsächliche Zusammenhänge abhängen dürften; Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 19. Aufl., § 43 Anm. 1). Ein derartiger Zusammenhang ist zwischen dem Klage- und Revisionsverfahren im 1. Rechtsgang und dem nämlichen Klage- und Beschwerdeverfahren im 2. Rechtsgang gegeben. Die vorgetragenen Befangenheitsgründe beziehen sich zum weitaus überwiegenden Teil auf ein Verhalten der abgelehnten Richter in dem Revisionsverfahren im 1. Rechtsgang. Dies betrifft sowohl die von den Klägern gerügte Verhandlungsführung des Richters A als auch das Verhalten des Richters C, insbesondere den von diesem gemachten Vorschlag zur nichtstreitigen Erledigung des Rechtsstreits. Der Verlust des Rügerechts in diesem Verfahren greift deshalb auch im anhängigen Beschwerdeverfahren im 2. Rechtsgang durch.
3. Die von den Klägern gegen die Richter A und C vorgebrachten Gründe rechtfertigen im übrigen aber auch nach Maßgabe einer objektiven Betrachtung nicht die Besorgnis der Befangenheit dieser Richter.
a) Die Kläger begründen das Ablehnungsgesuch u. a. damit, vor allem der Richter A, aber auch der Richter C hätten in der mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 1994 völlig falsche Rechtsansichten geäußert. Sie seien mitverantwortlich dafür, daß das Urteil des Senats in BFHE 175, 424, BStBl II 1995, 95, falsch sei. Dieses berücksichtige nicht die jahrzehntelange Rechtsprechung, die in dem Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68 bestätigt worden sei. Das Senatsurteil vom 22. Juni 1983 I R 67/83 (BFHE 138, 464, BStBl II 1983, 625) -- von den Klägern offensichtlich irrtümlich als Urteil vom 7. Dezember 1982, BStBl II 1983, 626 angegeben -- sei völlig außer acht gelassen worden, ebenso die einschlägige Kommentierung bei Debatin zu Art. 15 DBA- Schweiz. Die in dem Urteil vertretene Auffassung, das DBA-Schweiz sei mit dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern vom 17. Juli 1981 -- DBA Kanada -- (BGBl II 1982, 802) wegen eines späteren gesetzgeberischen Aktes zu dem DBA-Schweiz nicht vergleichbar, sei abwegig. Das Urteil enthalte überdies ein überflüssiges obiter dictum für die weitere Sachbehandlung durch das FG im zweiten Rechtsgang, an das das FG sich sodann auch gehalten habe. Auf die zahlreichen Argumente des Klägers, die dieser im Hinblick auf dieses obiter dictum nach Ergehen des Gerichtsbescheides geltend gemacht habe, sei mit keinem Wort eingegangen worden. Gleiches gelte hinsichtlich der Zielsetzung eines Doppelbesteuerungsabkommens, eine doppelte Besteuerung gerade zu vermeiden, hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Grenzen einer exzessiven Besteuerung sowie der Einwände des Klägers zum Welteinkommensprinzip, zu der Feststellungslast, zur Beweisvorsorge u. a. Im einzelnen verweisen die Kläger dafür auf die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.
In diesem Vorbringen liegen keine tragfähigen Ablehnungsgründe. Das Richterablehnungsverfahren soll nicht gegen unrichtige bzw. für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen des abgelehnten Richters schützen. Insoweit stehen den Beteiligten die allgemeinen Rechtsbehelfe zur Verfügung. Das Institut der Richterablehnung dient allein dazu, die Beteiligten vor Unsachlichkeit zu bewahren. Ein Ablehnungsgesuch kann daher grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, daß von einem Richter im Streitfall selbst oder in einem vorangegangenen Verfahren unrichtige Entscheidungen in formeller oder -- wie vorliegend geltend gemacht -- in materiell-rechtlicher Hinsicht getroffen worden seien (vgl. BFH-Beschluß vom 8. Mai 1992 III B 110/92, BFH/NV 1993, 174, m. w. N.).
b) Behauptete Rechtsfehler eines Richters können eine Besorgnis der Befangenheit ausnahmsweise dann rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, daß die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BFH-Beschluß vom 16. Februar 1989 X B 99/88, BFH/NV 1989, 708). Die Fehlerhaftigkeit muß ohne weiteres feststellbar und gravierend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen (BFH-Beschlüsse vom 7. April 1988 X B 4/88, BFH/NV 1989, 587; vom 27. Juli 1992 VIII B 59/91, BFH/NV 1993, 112).
Derartige Gründe sind hier jedoch nicht ersichtlich.
aa) Die Kläger haben insoweit zunächst vorgebracht, die Richter A und C hätten sich durch -- formelle oder informelle "Vorberatungen" -- ein Vorverständnis des zu beurteilenden Sachverhalts gebildet. Sie seien dem Kläger und dessen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung gegenüber deswegen nicht mehr unbefangen und unvoreingenommen gewesen. Nach den dienstlichen Äußerungen der beiden abgelehnten Richter hat eine derartige "Vorberatung" nach Ergehen des Gerichtsbescheides jedoch nicht stattgefunden. Ein derartiges Vorgehen ist im I. Senat des BFH auch nicht üblich. Die Bedenken der Kläger sind folglich schon von daher ungerechtfertigt. Soweit die Kläger nunmehr -- nachdem sie die dienstlichen Äußerungen von A und C zur Kenntnis genommen haben und gerade entgegen ihrer vorherigen Annahme -- in dem Fehlen von Vorberatungen einen Grund für ihr Ablehnungsgesuch zu sehen glauben, so ist dies aber gleichermaßen unbegründet. Das Kollegialgericht ist nicht verpflichtet, vor Durchführung einer mündlichen Verhandlung Vorberatungen irgendwelcher Art durchzuführen. Solches wird in den Gerichtsordnungen und im Gerichtsverfassungsgesetz auch nicht bestimmt. Das Fehlen von Vorberatungen läßt deshalb keine Rückschlüsse darauf zu, daß die beteiligten Richter sich mit dem Sach- und Streitstand vor der mündlichen Verhandlung nicht vertraut gemacht hätten. Für eine derartige Annahme gibt es auch im Streitfall -- entgegen der Annahme der Kläger -- keine Veranlassung. Es ist nach Aktenlage in dem Revisionsverfahren I R 67/93 (dort Bl. 213 bis 217) im Gegenteil ersichtlich, daß über das Vorbringen der Kläger nach Ergehen des Gerichtsbescheides von dem seinerzeitigen Berichterstatter B ein ergänzender Sachbericht angefertigt worden ist.
bb) Die Bedenken der Kläger sind gleichermaßen ungerechtfertigt, was den Vorwurf anbelangt, A habe als Vorsitzender des Senats "ein hemmungsloses und langatmiges Filibustern" des mit den Klägern verfeindeten Beklagtenvertreters zugelassen. Der Klägervertreter habe darauf umfänglich replizieren müssen, was den Senat ersichtlich ermüdet habe. Dem Kläger selbst sei damit faktisch die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit den Gründen des Gerichtsbescheides verweigert worden, weil der Senat nicht mehr "aufnahmefähig" gewesen sei.
Richter A hat sich dazu dienstlich geäußert, daß keine Möglichkeit bestanden habe, den Beklagtenvertreter als solchen gemäß § 62 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Davon, daß dieser mit den Klägern verfeindet sei, habe er nichts gewußt. Dem Kläger sei die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Er sei nicht von dem Vortrag des Klägervertreters ermüdet gewesen und habe auch bei den anderen Senatsmitgliedern keinen solchen Eindruck gehabt. Es ist in Anbetracht dessen nichts dafür dargetan, das die Besorgnis der Befangenheit der Richter A und C aufgrund ihres Verhaltens in der mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 1994 rechtfertigen könnte. Insbesondere bestehen keine substantiierten Einwände gegen die Verhandlungsführung von A als Vorsitzenden des Senats. Den Beteiligten ist in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit zu geben, ihre Anträge zu stellen und zu begründen (vgl. § 92 Abs. 3 FGO). Dem ist sowohl für die Kläger als auch für das FA entsprochen worden, auch was den Kläger persönlich angeht (vgl. § 155 FGO i. V. m. § 137 Abs. 4 ZPO). A hatte als Senatsvorsitzender zwar die Verhandlungsführung inne. Er war indes nicht dazu verpflichtet, dem Beklagtenvertreter das Wort abzuschneiden. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß dies nur deshalb unterblieben wäre, um dem Kläger die Zeit für eigenes Vorbringen zu nehmen. Auch irgendwelche Tatsachen und Gesichtspunkte, die geeignet wären, bei vernünftiger, objektiver Betrachtung die Befürchtung zu rechtfertigen, daß die Richter A und C vorein genommen entscheiden würden, sind nicht ersichtlich. Daß die Besorgnis der Befangenheit insoweit nicht ernstlich besteht, erweist sich im übrigen daran, daß die Kläger diese Gründe im 1. Rechtsgang nicht geltend gemacht haben (vgl. zu diesem Aspekt Feiber, a. a. O., § 43 Rdnr. 8).
4. Letzteres betrifft auch die von den Klägern erhobene Rüge, A habe gegenüber dem damaligen Berichterstatter, Richter B, und auch gegenüber dem Richter E im Interesse eines fairen Verfahrens eingreifen und dafür sorgen müssen, daß diese sich um eine vorurteilslose und ausreichend tiefgehende Bearbeitung des Falles bemühen. Insoweit ist gleichermaßen nicht erkennbar, worin insoweit die Besorgnis der Befangenheit liegen soll. Es wird nicht klar, worauf sich das angebliche Versäumnis von Richter A konkret beziehen soll. Sollte dies die von den Klägern beanstandete Äußerung des Richters E sein, haben sie (auf S. 8 ihres Ablehnungsgesuchs) im übrigen selbst ausgeführt, daß Richter A einschränkend erwidert habe.
5. Die Besorgnis, Richter C sei den Klägern gegenüber nicht mehr unbefangen und unvoreingenommen gewesen, ist auch nicht darin begründet, daß dieser den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 1994 einen Vorschlag zur nichtstreitigen Verständigung des Falles unterbreitet hat. Das Gericht hat die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern (vgl. § 93 Abs. 1 und 2 FGO). In diesem Zusammenhang kann es prozeßförderlich sein, eine Verständigung zwischen den Beteiligten zu erreichen. Der Richter darf dabei nur nicht den Eindruck erweken, er kenne den Ausgang des Prozesses schon vor dem Ende der Erörterung und brauche Argumenten gegenüber nicht mehr aufgeschlossen zu sein (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 51 FGO Tz. 7g). Die Kläger vermuteten auch bei C eine derartige Einstellung anfänglich nur deshalb, weil sie annahmen, es habe eine "Vorberatung" des Senats stattgefunden. Wie bereits ausgeführt, ist dies aber nicht der Fall gewesen. Wenn sie nunmehr auch bei ihm der Ansicht sind, gerade am Fehlen der Vorberatung erweise sich, daß sich C nicht hinreichend auf die mündliche Verhandlung vorbereitet habe, so gilt Gleiches, wie zu diesem Punkt für A ausgeführt worden ist. Daß der Verständigungsvorschlag möglicherweise auf der Linie des FA gelegen haben mag, ändert daran nichts. Es kann im Rahmen der Rechtserörterung durchaus sachgerecht sein, wenn den Beteiligten seitens der Richterbank ein Verständigungsvorschlag unterbreitet wird, der eher Sympathie für den Standpunkt der einen oder anderen Seite erkennen läßt.
6. Schließlich ist es ohne Bedeutung, daß sich die abgelehnten Richter in ihren dienstlichen Äußerungen gemäß § 44 Abs. 3 ZPO nicht zu allen Einzelheiten der gegen sie von den Klägern erhobenen Vorwürfe geäußert haben. Insbesondere liegt darin kein Eingeständnis ihrer Befangenheit oder eine Selbstablehnung (§ 48 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 422161 |
BFH/NV 1997, 684 |