Entscheidungsstichwort (Thema)
Erheblichkeit der Divergenz; keine Tarifbegünstigung bei Einzelveräußerung eines Wirtschaftsguts
Leitsatz (NV)
- Obwohl nach dem Gesetzeswortlaut des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO im Gegensatz zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. die Erheblichkeit der Abweichung nicht mehr ausdrücklich gefordert wird, setzt auch die Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung voraus, dass die als divergierend bezeichnete Rechtsfrage im nachfolgenden Revisionsverfahren entschieden werden kann.
- Der Gewinn aus der Einzelveräußerung eines Wirtschaftsguts (hier: Grundstück) ist auch dann nicht tarifbegünstigt zu besteuern, wenn das Wirtschaftsgut stille Reserven in erheblichem Umfang enthält.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2; EStG § 34
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist im Streitfall nicht gegeben. Die gerügten Abweichungen liegen nicht vor.
a) Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Abweichung von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. Februar 1996 VIII R 39/92 (BFHE 180, 278, BStBl II 1996, 409). Zwar wird im Gegensatz zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. nach dem Gesetzeswortlaut des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Erheblichkeit der Abweichung nicht mehr ausdrücklich gefordert; als Konkretisierung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung setzt aber auch die Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung voraus, dass die als divergierend bezeichnete Rechtsfrage im nachfolgenden Revisionsverfahren entschieden werden kann (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Rz. 59, m.w.N.).
Im Streitfall hat der Kläger zwar zutreffend dargelegt, dass es das Finanzgericht (FG) in seinem Urteil abgelehnt habe, ein Wirtschaftsgut unabhängig von seiner Erforderlichkeit für den Betrieb allein auf Grund erheblicher stiller Reserven den wesentlichen Betriebsgrundlagen zuzuordnen, während der VIII. Senat des BFH in seiner angeführten Entscheidung auch solche Grundstücke zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gerechnet habe, "die funktional gesehen für den Betrieb nicht erforderlich sind, in denen aber erhebliche stille Reserven ruhen" (in BFHE 180, 278, BStBl II 1996, 409 zu 3. b der Entscheidungsgründe). Diese normspezifische Auslegung des Begriffs der wesentlichen Betriebsgrundlage durch den VIII. Senat, die auch ständiger Rechtsprechung des beschließenden Senats entspricht, setzt allerdings einen Vorgang der Betriebs-, Teilbetriebs- oder Anteilsveräußerung oder -aufgabe voraus (Urteile vom 26. April 1979 IV R 119/76, BFHE 128, 54, BStBl II 1979, 557; vom 24. August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014, und vom 2. Oktober 1997 IV R 84/96, BFHE 184, 425, BStBl II 1998, 104; a.A. Dötsch, Die Behandlung der Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG im Rahmen der Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe, in: Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, Köln 1997, S. 411, 422). Im Streitfall erfolgte die Veräußerung des streitigen Grundstücks aber nicht im Rahmen einer Betriebsaufgabe oder -veräußerung, weil die unentgeltliche Übertragung des Betriebs keinen dieser Tatbestände des § 16 Abs. 1 oder 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt. Eine solche isolierte Veräußerung führt stets, unabhängig vom Umfang der aufgedeckten stillen Reserven, zu einem laufenden tarifbesteuerten Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft.
b) Die gleichen Gründe sprechen gegen die geltend gemachte Abweichung vom Senatsurteil vom 10. Juli 1986 IV R 12/81 (BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811). Der Senat hat dort auch bei teilentgeltlicher Veräußerung eines Mitunternehmeranteils einen steuerbegünstigten Gewinn angenommen, während das FG in der angefochtenen Entscheidung unter Hinweis auf ein anderes Urteil des Senats vom 19. Februar 1981 IV R 116/77 (BFHE 133, 176, BStBl II 1981, 566) ausgeführt hat, auch die teilweise Aufdeckung stiller Reserven einzelner Wirtschaftsgüter sei nicht steuerbegünstigt, wenn bei einer Betriebsübertragung die stillen Reserven im Betriebsvermögen nicht aufgedeckt würden. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt im Streitfall aber keine teilentgeltliche Betriebsübertragung vor, denn weder die auf Grund des Hofübergabevertrags geschuldeten Versorgungsleistungen noch der von der X gezahlte Kaufpreis für das Grundstück sind eine Gegenleistung für die Übertragung des Betriebs auf den Sohn (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, Abschn. C. II. Nr. 1 c).
c) Dass das Urteil des FG mit "offensichtlichen Fehlern" behaftet sei, die nach dem Willen des Gesetzgebers in Erweiterung der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO a.F. ebenfalls eine Zulassung zur Sicherung der Rechtsprechungseinheit rechtfertigen sollen (BTDrucks 14/4061, 9), hat der Kläger selbst nicht vorgetragen. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG, wonach das an die X veräußerte Grundstück keine wesentliche Betriebsgrundlage des übertragenen Betriebs war, erweist sich das Urteil auch als zutreffend. Dagegen würde die Auffassung des Klägers, der das Grundstück für eine wesentliche Betriebsgrundlage hält, zur Annahme einer Betriebsaufgabe und damit auch zur Aufdeckung der stillen Reserven zwingen, die in den Wirtschaftsgütern des Betriebs enthalten sind (s. nur Senatsurteil vom 1. Februar 1990 IV R 8/89, BFHE 159, 471, BStBl II 1990, 428).
2. Schließlich ist die Revision auch nicht zur Rechtsfortbildung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO zuzulassen. Die Frage, wie die im Rahmen einer unentgeltlichen Betriebsübertragung zurückbehaltenen und nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zählenden Wirtschaftsgüter zu besteuern sind, ist durch das Senatsurteil in BFHE 133, 176, BStBl II 1981, 566, auf das sich auch das FG bezogen hat, hinreichend geklärt (s. auch Senatsurteile vom 27. Juli 1961 IV 295/60 U, BFHE 73, 679, BStBl III 1961, 514; in BFHE 159, 471, BStBl II 1990, 428, und vom 9. Mai 1996 IV R 77/95, BFHE 180, 391, BStBl II 1996, 476). Wenn der Kläger demgegenüber den Grundgedanken des § 34 EStG heranzieht, der die Steuerbegünstigung auch für den Fall vorsehe, dass "ein Betriebsteil teilentgeltlich und zeitgleich ein anderer Betriebsteil vollentgeltlich an verschiedene Erwerber veräußert werden", so ist diese Frage nicht klärungsfähig. Wie bereits ausgeführt, wurde im Streitfall nämlich der gesamte Betrieb unter Fortführung der Buchwerte unentgeltlich übertragen (§ 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung a.F., jetzt § 6 Abs. 3 EStG). Diese unentgeltliche Betriebsübertragung wird aber nicht dadurch zu einem teilentgeltlichen Vorgang, dass ein Einzelwirtschaftsgut zum Marktpreis an einen Dritten veräußert wird.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 840430 |
BFH/NV 2002, 1570 |