Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung von Gesellschaftern
Leitsatz (NV)
Durch die Feststellung, wer an dem Gewinn einer Personengesellschaft als Mitunternehmer beteiligt ist, wird nicht nur derjenige berührt, dessen Beteiligung streitig ist, sondern jeder der Gesellschafter, und zwar unabhängig davon, ob die Entscheidung Einfluß auf die Höhe seines Gewinnanteils haben kann.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1, § 60 Abs. 3 S. 1
Tatbestand
Der Beigeladene ist Tiefbauingenieur. Er betrieb ein Straßen- und Tiefbauunternehmen.
Am 31. Mai 1974 gründete er zusammen mit G und Frau A die K-GmbH. Der Beigeladene wurde auf die Dauer seiner Mitgliedschaft bei der K-GmbH deren Geschäftsführer. Nachdem der Beigeladene am 7. Mai 1977 einen Gesellschaftsanteil von 1 000 DM an Frau A abgetreten hatte, war er mit 9 000 DM, G mit 8 000 DM und Frau A mit 3 000 DM an der K-GmbH beteiligt. Ebenfalls am 7. Mai 1977 erteilte Frau A dem Beigeladenen eine unwiderrufliche Vollmacht, sie und ihre Erben in allen gesellschaftlichen Angelegenheiten hinsichtlich ihres Anteils an der K-GmbH zu vertreten.
Im Dezember 1974 gründete die K-GmbH zusammen mit der Ehefrau des Beigeladenen Frau K die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG. Die GmbH wurde persönlich haftende Gesellschafterin und alleinige Geschäftsführerin. Frau K wurde Kommanditistin.
Ab Januar 1975 verpachtete der Beigeladene die Geräte und Fahrzeuge seines Einzelunternehmens an die Klägerin. Als Pachtzins wurden monatlich 8 111 DM zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart. Vom gleichen Zeitpunkt an wurde der Beigeladene von der Klägerin als Geschäftsführer angestellt. Das monatliche Anfangsgehalt sollte 5 000 DM betragen. Ferner sollte der Beigeladene eine Tantieme von 10 v. H. des Betriebsergebnisses erhalten.
Abweichend von der Erklärung der Klägerin erhöhte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bei der Gewinnfeststellung für das Streitjahr (1977) den Gewinn der Klägerin um 195 714 DM, nämlich um das von der Klägerin als Betriebsausgabe behandelte Geschäftsführergehalt des Beigeladenen und den ebenfalls als Betriebsausgabe behandelten Pachtzins.
Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA mit der Begründung zurück, der Beigeladene sei als Mitunternehmer der Klägerin anzusehen.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat eine Mitunternehmerstellung des Beigeladenen verneint. Zwar ist das FG der Ansicht, daß zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen ein stilles Gesellschaftsverhältnis besteht. Es verneint aber die Möglichkeit, daß ein atypischer stiller Gesellschafter Mitunternehmer sein kann.
Mit der Revision rügt das FA die unzutreffende Auslegung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das FG.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das angefochtene Urteil hätte ohne vorherige Beiladung der Gesellschafter der Klägerin, nämlich der K-GmbH und der Frau K, nicht ergehen dürfen.
Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. In Angelegenheiten, die einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid betreffen, kommt eine Beiladung nur dann in Betracht, wenn die Mitberechtigten nach § 48 Abs. 1 FGO klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Die Entscheidung der Frage, ob der Beigeladene in den Streitjahren Mitunternehmer der Klägerin war, kann gegenüber allen Mitunternehmern der Klägerin nur einheitlich ergehen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. November 1974 I R 62/74, BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209; Urteil vom 4. August 1976 I R 66/74, BFHE 121, 129, 132, BStBl II 1977, 309). Die Klagebefugnis der Gesellschafter folgt aus § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Denn durch die Feststellung, wer an dem Gewinn einer Personengesellschaft als Mitunternehmer beteiligt ist, wird nicht nur derjenige berührt, dessen Beteiligung streitig ist, sondern jeder der Gesellschafter, und zwar unabhängig davon, ob die Entscheidung Einfluß auf die Höhe seines Gewinnanteils haben kann (Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 48 Anm. 7). Auch wenn die Anteile der Gesellschafter am Gewinn der Klägerin außer Streit stehen, müssen sie die Möglichkeit haben, eigene Vorstellungen zu der Frage geltend zu machen, ob der Beigeladene einkommensteuerrechtlich als Mitunternehmer anzusehen ist (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 29. September 1981 VIII R 90/79, BFHE 134, 505, BStBl II 1982, 216, und vom 23. April 1985 VIII R 292/81, nicht veröffentlicht - NV -; siehe auch Urteil vom 2. April 1985 VIII R 243/81, BFH-NV 1985, 43).
Das Fehlen der notwendigen Beiladung ist als Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens auch ohne Verfahrensrüge zu beachten (BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209).
Der Senat kann daher die Frage, ob der Beigeladene in dem Streitjahr Mitunternehmer der Klägerin war, nicht prüfen. Die Sache geht vielmehr zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück, das die unterlassene Beiladung der Gesellschafter nachholen wird.
Fundstellen