Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG 1980 bei entgeltlichen Leistungen zwischen nahestehenden Personen - Muß Ermächtigungsverfahren nach Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG veröffentlicht werden?
Leitsatz (amtlich)
1. Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1.1. Ist eine vom Rat erteilte Ermächtigung zur Einführung eine zur Verhütung von Steuerumgehungen von der Richtlinie 77/388/EWG abweichenden Sondermaßnahme, wonach bei entgeltlichen Leistungen zwischen nahestehenden Personen als Mindestbemessungsgrundlage die Ausgaben i.S. des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG anzusetzen sind, auch insoweit durch Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG gedeckt, als das vereinbarte Entgelt marktüblich, aber niedriger als die Mindestbemessungsgrundlage ist, mithin eine Steuerumgehung nicht vorliegt?
1.2. Kann ein Mitgliedstaat einem Steuerpflichtigen Sondermaßnahmen i.S. von Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG als Besteuerungsvorschrift entgegenhalten, wenn weder der Ermächtigungsbeschluß des Rates im ABlEG noch das Ermächtigungsverfahren i.S. des Art. 27 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie 77/388/EWG --nach dessen Durchführung-- in amtlichen Veröffentlichungen des Mitgliedstaats veröffentlicht wurde?
Normenkette
UStG 1980 § 10 Abs. 5 Nr. 1; EWGRL 388/77 Art. 27, 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c, Art. 27 Abs. 2-4
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines von ihm errichteten Mehrfamilienhauses und mehrerer Eigentumswohnungen. Er vermietete diese Objekte an eine GmbH, deren Gesellschafter sein volljähriger Sohn und seine Ehefrau mit Anteilen je zu 1/2 waren. Die Ehefrau war auch die alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der GmbH. Die vereinbarten Mieten entsprachen unstreitig den ortsüblichen Vergleichsmieten.
Der Kläger verzichtete gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973 auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 a UStG. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die Zwischenmietverhältnisse an. Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung setzte das FA für die Berechnung der Umsatzsteuer statt der vereinbarten Miete die sog. Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1980 als Entgelt an.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, es handele sich bei der GmbH nicht um eine dem Kläger nahestehende Person i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG 1980. Darüber hinaus sei die Vorschrift einschränkend dahingehend auszulegen, daß sie dann nicht zur Anwendung komme, wenn für die Leistungen ein marktübliches Entgelt vereinbart worden sei. Wie sich aus der Regierungsbegründung zum Entwurf des UStG 1980 ergebe (vgl. BRDrucks 145/78, 38), solle die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 dann eingreifen, wenn Unternehmer Lieferungen und sonstige Leistungen an bestimmte Personen "zu unangemessen niedrigen Entgelten" ausführten. Dann liege nämlich eine Mischung aus Leistungsaustausch und Eigenverbrauch vor mit der Folge, daß die für den Eigenverbrauch vorgesehene Bemessungsgrundlage Anwendung finden solle, um einen teilweise unversteuerten Verbrauch auszuschließen. Diesem Gesetzeszweck entspreche es nicht, durch § 10 Abs. 5 UStG 1980 auch solche Leistungen zu erfassen, die zu einem marktüblichen Entgelt erfolgten und sich von Umsätzen an andere Leistungsempfänger in keiner Weise unterschieden.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 10 Abs. 5 UStG 1980.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Beschluß vom 15. September 1994 das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nach § 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Das BMF ist mit Erklärung vom 29. Dezember 1994 dem Verfahren beigetreten. Der Senat verweist zum Grund der Aufforderung zum Beitritt auf seinen Beschluß vom 15. September 1994 und im übrigen auf die Stellungnahme des BMF vom 10. April 1995 nebst Anlagen.
Mit Beschluß vom 13. Dezember 1995 hat der Senat die Verfahren betreffend Umsatzsteuer 1981 und 1982 mangels Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen abgetrennt (Aktenzeichen nunmehr XI R 81/95).
Entscheidungsgründe
II. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG 1980 gilt als Bemessungsgrundlage für Lieferungen und sonstige Leistungen die u.a. Einzelunternehmer an ihnen nahestehende Personen ausführen, die Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch (§ 10 Abs. 4 UStG 1980), wenn diese das vereinbarte Entgelt übersteigt. Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch sind die bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten (§ 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1980). Der Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage führt dazu, daß --soweit diese das vereinbarte Entgelt übersteigt-- der Leistende mit der Steuer belastet bleibt, weil es sich um keine als Vorsteuer auf den Leistungsempfänger abwälzbare Steuer auf ein Entgelt handelt.
Im Streitfall haben der Kläger und die GmbH die marktübliche Miete vereinbart. Diese ist niedriger als die nach den entstandenen umsatzsteuerbelasteten Kosten (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 25. Mai 1993 Rs. C 193/91, BStBl II 1993, 812) ermittelte sog. Kostenmiete. Der Senat sieht --im Gegensatz zur Vorinstanz--die GmbH wegen der bestehenden engen persönlichen Beziehung zwischen ihren Gesellschaftern und dem Kläger als diesem nahestehende Person i.S. des § 10 Abs. 5 UStG 1980 an. Er hat aber Zweifel, ob die Vorschrift anzuwenden ist, ob sich nicht vielmehr der Kläger auf Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) berufen kann, wonach Besteuerungsgrundlage bei entgeltlichen Leistungen der Wert der Gegenleistung ist, die der Leistende vom Empfänger erhält.
§ 10 Abs. 5 UStG 1980 wurde als von dieser Richtlinienregelung abweichende Sondermaßnahme i.S. des Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG eingeführt. Die Bundesregierung hatte in dem von ihr eingebrachten Entwurf eines UStG vom 15. März 1978, durch den das Umsatzsteuerrecht an die Richtlinie 77/388/EWG angepaßt werden sollte, im Rahmen der Einzelbegründung zu § 10 Abs. 5 ausgeführt: "Die Regelung ist durch Art. 27 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie gedeckt" (BTDrucks 8/1779, 38). Mit Schreiben vom 12. Mai 1978 setzte die Bundesregierung gemäß Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG die Kommission über die beabsichtigte Einführung der Sondermaßnahme in Kenntnis. Die Maßnahme wurde damit begründet, daß dann, wenn für eine Leistung ein Entgelt gezahlt werde, dieses als Bemessungsgrundlage anzusetzen sei. Das gelte grundsätzlich auch dann, wenn das Entgelt unangemessen niedrig sei, d.h. nicht dem Wert des gelieferten Gegenstandes oder der erbrachten sonstigen Leistung entspreche. In solchen Fällen lasse Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG jedoch zur Verhütung von Steuerhinterziehungen oder Steuerumgehungen den Ansatz einer höheren Bemessungsgrundlage zu, um "eine von den Mitgliedstaaten als ungerechtfertigt angesehene Minderung der Bemessungsgrundlage zu verhindern (vgl. Protokollerklärung zu Art. 27)". Von dieser Möglichkeit werde in § 10 Abs. 5 UStG Gebrauch gemacht. Hiernach seien bei Lieferungen und sonstigen Leistungen als Bemessungsgrundlage die sich aus § 10 Abs. 4 UStG ergebenden Werte anzusetzen, falls das tatsächlich gezahlte Entgelt niedriger als diese Werte sei. Durch die Einführung dieser Mindestbemessungsgrundlage werde sichergestellt, daß Leistungen ohne angemessenes Entgelt ebenso wie die entsprechenden unentgeltlichen Leistungen besteuert würden und daß insoweit ein unbesteuerter Endverbrauch ausgeschlossen werde. Nach bisherigem Recht unterliege nur das tatsächlich gezahlte Entgelt der Umsatzsteuer.
Mit Schreiben vom 15. September 1978 unterrichtete die Kommission die Bundesregierung, daß sie das Verfahren gemäß Art. 27 Abs. 1 bis 4 der Richtlinie 77/388/EWG durch Mitteilungen an die anderen Mitgliedstaaten mit Schreiben vom 12. Juni 1978 in Gang gesetzt habe. Weder die Kommission noch ein Mitgliedstaat habe beantragt, die Angelegenheit im Rat zu erörtern. Nachdem die in Art. 27 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG gesetzte Frist abgelaufen sei, gelte somit der Beschluß, durch den der Rat die Bundesrepublik Deutschland zu den beabsichtigten Sondermaßnahmen ermächtige, als gefaßt. Die hinsichtlich der Mindestbemessungsgrundlage beabsichtigte Sondermaßnahme könne eingeführt werden.
III. Nach Auffassung des Senats hängt die Anwendung des § 10 Abs. 5 UStG 1980 von der Auslegung von Gemeinschaftsrecht ab. Der Senat ruft deshalb gemäß Art. 177 Abs. 1 Buchst. b i.V.m. Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) den EuGH zwecks Vorabentscheidung an.
1. Entscheidungserheblich ist zunächst die Frage, ob eine vom Rat erteilte Ermächtigung zur Einführung einer zur Verhütung von Steuerumgehungen von der Richtlinie 77/388/EWG abweichenden Sondermaßnahme, wonach bei entgeltlichen Leistungen zwischen nahestehenden Personen als Mindestbemessungsgrundlage die Ausgaben i.S. des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG anzusetzen sind, auch insoweit durch Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG gedeckt ist, als das vereinbarte Entgelt marktüblich aber niedriger als die Mindestbemessungsgrundlage ist, mithin eine Steuerumgehung nicht vorliegt.
Nach Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG kann der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten. Die Maßnahmen zur Vereinfachung der Steuererhebung dürfen den Betrag der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer nur in unerheblichem Maße beeinflussen. Nach Abs. 2 der Vorschrift befaßt der Mitgliedstaat, der die in Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen einführen möchte, die Kommission damit und übermittelt ihr alle zur Beurteilung zweckdienlichen Angaben. Die Kommission macht den anderen Mitgliedstaaten hiervon innerhalb eines Monats Mitteilung (Abs. 3). Der Beschluß des Rates gilt als gefaßt, wenn innerhalb von zwei Monaten nach der Mitteilung nach Abs. 3 weder die Kommission noch ein Mitgliedstaat beantragt hat, die Angelegenheit im Rat zu erörtern (Abs. 4).
Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen Sondermaßnahmen i.S. des Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG, die Steuerhinterziehungen oder -umgehungen verhüten sollen, grundsätzlich von der in Art. 11 der Richtlinie 77/388/EWG geregelten Besteuerungsgrundlage nur insoweit abweichen, als dies für die Erreichung dieses Ziels unbedingt erforderlich ist. Sie dürfen gemessen am angestrebten Ziel nicht unverhältnismäßig sein (Urteile vom 12. Juli 1988 Rs. 138, 139/86, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1990, 286; vom 13. Februar 1985 Rs. 5/84, UR 1986, 8, und vom 10. April 1984 Rs. 324/82, UR 1984, 252).
Der erkennende Senat hat Bedenken, ob § 10 Abs. 5 UStG 1980 als Sondermaßnahme diesen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entspricht. Er hält es für unverhältnismäßig, daß die Mindestbemessungsgrundlage auch dann anzusetzen ist, wenn das vereinbarte Entgelt zwar niedriger aber marktüblich ist, also eine Steuerumgehung nicht gegeben ist. Da für die Einführung des § 10 Abs. 5 UStG 1980 die Ermächtigung des Rates vorliegt, ist fraglich, ob diese auch insoweit als erteilt gilt, als sich die Sondermaßnahme als unverhältnismäßig erweist.
Das BMF ist der Auffassung, daß die Vorschrift mit Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG in Einklang stehe. Nach § 10 Abs. 5 UStG 1980 sei als Bemessungsgrundlage bei entgeltlichen Leistungen zwischen nahestehenden Personen diejenige des Eigenverbrauchs gemäß § 10 Abs. 4 UStG 1980 anzusetzen, wenn sie das Entgelt übersteige. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1980 schreibe den Ansatz der bei der Ausführung des Eigenverbrauchs entstandenen Kosten vor. Die Vorschrift entspreche Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG, wonach bei Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für unternehmensfremde Zwecke der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung als Besteuerungsgrundlage anzusetzen sei. Der Richtliniengeber habe sich mit dieser Regelung aus Gründen der Vereinfachung gegen den im ursprünglichen Vorschlag der Richtlinie 77/388/EWG enthaltenen Normalwert des betreffenden Umsatzes entschieden. Der Vorgabe der Richtlinienregelung --Ansatz der Ausgaben (Kosten) ohne Rücksicht, ob diese den Normalwert (üblicher Marktpreis) überstiegen-- folge § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1980. Ziel der Regelung in § 10 Abs. 5 UStG 1980 sei es, entgeltlich ausgeführte Leistungen an nahestehende Personen so zu besteuern als habe der Unternehmer die Leistung als Eigenverbrauch bewirkt. Durch die Vereinbarung eines Entgelts solle die Verbrauchsbesteuerung nicht unterlaufen werden können. Auf die Berücksichtigung marktüblicher oder fremdüblicher Gestaltungen sei ebenso wie bei § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1980 und bei Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c verzichtet worden. § 10 Abs. 5 UStG 1980 sei eine Sondermaßnahme auf dem Gebiet der Bemessungsgrundlagen; denn sie richte sich --wie sich aus Wortlaut und systematischem Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck ergebe-- allein auf die Rechtsfolge, nicht auf den Rechtsgrund des § 10 Abs. 4 UStG. Auch die Anforderungen der Rechtsprechung des EuGH an das Mittel-/Zweckverhältnis seien erfüllt. Aus Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG könne nicht hergeleitet werden, daß sich die Mindestbemessungsgrundlage für Leistungen an nahestehende Personen an einem marktüblichen Entgelt als Schwellenwert zu orientieren habe. Im übrigen könne die Vorschrift auch als Sondermaßnahme zur Vereinfachung der Steuererhebung angesehen werden.
Die Bedenken des Senats sind dadurch nicht ausgeräumt. § 10 Abs. 5 UStG 1980 wurde eingeführt, um zu verhüten, daß durch die Vereinbarung eines unangemessen niedrigen Entgelts zwischen nahestehenden Personen die Steuer umgangen wird. Diese Umsätze sollten deshalb ebenso besteuert werden wie die entsprechenden unentgeltlichen Leistungen beim Eigenverbrauch (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zu § 10 Abs. 5 UStG, BTDrucks 8/1779, 38, und Mitteilung der Bundesregierung an die Kommission vom 12. Mai 1978 über die beabsichtigte Sondermaßnahme). Die Vorschrift erfaßt allerdings jede Lieferung oder sonstige Leistung eines Einzelunternehmers an eine ihm nahestehende Person ausnahmslos mit der Bemessungsgrundlage des Eigenverbrauchs --die bei der Ausführung des Umsatzes entstandenen Kosten--, wenn diese das vereinbarte Entgelt übersteigt. Die auf die Differenz zwischen Mindestbemessungsgrundlage und vereinbartem Entgelt entfallende Umsatzsteuer ist auf den Leistungsempfänger nicht abwälzbar. Die Möglichkeit, daß das zwischen nahestehenden Personen vereinbarte Entgelt zwar niedriger ist als die bei der Ausführung entstandenen Kosten, aber nicht unangemessen niedrig, weil es das marktübliche Entgelt darstellt, kann nach der Gesetzesfassung nicht berücksichtigt werden. Auch wenn eine Steuerumgehung nicht in Betracht kommt, ist die Mindestbemessungsgrundlage anzusetzen.
Zwar kann in der Regel davon ausgegangen werden, daß der leistende Unternehmer ein Entgelt vereinbart, das zumindest den ihm entstandenen Kosten entspricht. Gerade im Bereich der Vermietung von Grundstücken und Gebäuden läßt sich aber häufig --worauf auch das BMF hinweist-- eine kostendeckende Miete nicht erzielen. Vermietet in diesen Fällen der Unternehmer an nahestehende Personen, so werden für diesen Umsatz gemäß § 10 Abs. 5 UStG 1980 die umsatzsteuerbelasteten Kosten als Entgelt zugrunde gelegt. Wenn die Fälle auch nicht so häufig und in ihrer finanziellen Auswirkung nicht so schwerwiegend sein mögen, daß sie zu Wettbewerbsverzerrungen führen, so sind sie doch nicht auf einige wenige --vernachlässigenswerte-- Ausnahmefälle beschränkt.
Der stillschweigenden Ermächtigung des Rates liegt die Mitteilung der Bundesregierung zugrunde, in welcher als Ziel der Maßnahme angegeben wurde, eine als ungerechtfertigt angesehene Minderung der Bemessungsgrundlage zu verhindern. Die Regelung in § 10 Abs. 5 UStG 1980 geht --wie dargelegt-- über diese Zielsetzung hinaus. Es ist deshalb fraglich, ob die Vorschrift als Sondermaßnahme auch insoweit von der Ermächtigung gedeckt ist, als die Mindestbemessungsgrundlage das marktübliche Entgelt übersteigt. Das marktübliche Entgelt entspricht dem Normalwert in Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. d und Teil B Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG. Dieser Begriff ist nicht unbestimmt und ungenau (vgl. EuGH-Urteil in UR 1990, 286, unter Nr. 53). Daß der Begriff des Normalwerts aus Gründen der Vereinfachung in der Richtlinie 77/388/EWG nicht als Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch zugrunde gelegt wurde, spricht jedenfalls dann nicht gegen seine Verwendung im Rahmen einer Sondermaßnahme, wenn dadurch gewährleistet ist, daß diese von der Richtlinie nur insoweit abweicht als es für die Erreichung des Ziels unbedingt erforderlich ist.
Für eine Sondermaßnahme zur Vereinfachung der Steuererhebung --als welche § 10 Abs. 5 UStG 1980 nach Auffassung des BMF auch angesehen werden kann-- wurde mangels entsprechender Darlegung dieses Ziels eine Genehmigung durch den Rat nicht erteilt.
2. Für den Fall, daß der EuGH die erste Frage bejaht, ist außerdem entscheidungserheblich, ob ein Mitgliedstaat einem Steuerpflichtigen Sondermaßnahmen i.S. von Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG als Besteuerungsvorschriften entgegenhalten kann, wenn weder der Ermächtigungsbeschluß des Rates im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABlEG) noch das Ermächtigungsverfahren i.S. des Art. 27 Abs. 2 bis 4 der Richtlinie 77/388/EWG --nach dessen Durchführung-- in amtlichen Veröffentlichungen des Mitgliedstaats veröffentlicht wurde.
Der für die Sondermaßnahme des § 10 Abs. 5 UStG 1980 gemäß Art. 27 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG als gefaßt geltende Ermächtigungsbeschluß wurde im ABlEG nicht veröffentlicht. Das BMF trägt hierzu vor, daß nach seiner Kenntnis Ratsbeschlüsse nach Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG allgemein erst seit 1984 im ABlEG Nr. L als "nicht veröffentlichungsbedürftige Rechtsakte" veröffentlicht wurden. Falls eine stillschweigende Genehmigung nach Art. 27 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG wegen fehlender Veröffentlichung im ABlEG unwirksam wäre, würde dies für alle vor 1984 gegenüber allen Mitgliedstaaten erteilten Ermächtigungen und wohl auch für alle Ermächtigungen nach Art. 27 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG gelten.
Die Kommission hat zur Frage der Veröffentlichung der Ermächtigung in dem durch Rücknahme der Anfrage erledigten Vorabentscheidungsverfahren des V.Senats (Az. V R 151/84) in der Rechtssache C-340/92 vor dem EuGH die Auffassung vertreten, daß § 10 Abs. 5 UStG bei Fehlen der Veröffentlichung des Ermächtigungsverfahrens zu dieser Sondermaßnahme dem Steuerpflichtigen nicht entgegengehalten werden könne. Andernfalls würde dem Berufungsrecht, daß der Steuerpflichtige nach der Rechtsprechung des EuGH vor den innerstaatlichen Gerichten auf die Anwendung der in Einklang mit der Richtlinie 77/388/EWG erlassenen steuerrechtlichen Vorschriften habe (gegenüber Vorschriften, die unter Verstoß gegen Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 189 EWGV zustandegekommen seien), die tatsächliche Grundlage entzogen.
Das BMF ist der Auffassung, daß aus einer fehlenden Veröffentlichung einer Ermächtigung nach Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG im ABlEG nicht folge, daß die Ratsentscheidung unwirksam sei. Die Veröffentlichung habe rein deklaratorischen Charakter. Bei der Ermächtigung des Rates handele es sich um einen an den betreffenden Mitgliedstaat gerichteten Rechtsakt i.S. von Art. 189 Abs. 4 EWGV. Nach Art. 191 Abs. 3 EWGV werde eine Entscheidung durch die Bekanntgabe an diejenigen, für die sie bestimmt sei, wirksam; eine Veröffentlichung sei nicht erforderlich. Wie der EuGH festgestellt habe, wäre es zwar zu begrüßen, wenn Entscheidungen, welche Rechte und Interessen von Bewohnern mehrerer Mitgliedstaaten berührten, der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht würden. Nach Art. 191 EWGV reiche es jedoch aus, daß eine Entscheidung denjenigen bekanntgegeben werde, für die sie bestimmt sei (Urteil vom 18. Februar 1964 Rs. 73, 74/63, EuGHE 1964, 1). Im vorliegenden Fall sei die Sondermaßnahme nach Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG durch die Bekanntgabe der Mitteilung der Kommission vom 15. September 1978 an die Bundesregierung wirksam geworden. Bedenken hinsichtlich der Gültigkeit dieser Regelung bestünden mithin nicht. Im übrigen trage die ausdrückliche Begründung des Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung in der BTDrucks 8/1779, die Regelung des § 10 Abs. 5 UStG sei durch Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG gedeckt, dem Erfordernis einer ausreichenden Information der Öffentlichkeit durch eine amtliche und allgemein zugängliche Veröffentlichung Rechnung. Bei verständiger Würdigung dieser Aussage in der Gesetzesbegründung müsse davon ausgegangen werden, daß die nach Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG erforderliche Ermächtigung zum damaligen Zeitpunkt entweder bereits erteilt gewesen sei, oder daß die Bundesregierung jedenfalls unverzüglich das Verfahren nach Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG einleiten würde. Schließlich könne das nationale Gericht, wenn sich der Steuerpflichtige auf Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG unmittelbar berufe, nach Art. 35 des Grundgesetzes im Wege der Amtshilfe bei der Bundesregierung klären, ob die Ermächtigung erteilt worden sei.
Das BMF hat sich mit Schreiben vom 5. Januar 1994 und 26. Januar 1995 an die Europäische Kommission gewandt, um eine nachträgliche Veröffentlichung der in Rede stehenden Ermächtigung des Rates im ABlEG zu erreichen. Nachdem die Kommission mit Schreiben vom 19. Juli 1994 darauf hingewiesen hatte, daß die Veröffentlichung von Ratsentscheidungen in die ausschließliche Zuständigkeit des Rates falle und der Kommission insoweit kein Initiativrecht zustehe, teilte sie mit Schreiben vom 30. März 1995 mit, daß der Rat offenbar bereit wäre, eine Mitteilung über die in Rede stehende Ermächtigung zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung ist bisher nicht nachgeholt worden.
Der erkennende Senat ist zwar der Auffassung, daß der Ermächtigungsbeschluß des Rates gemäß Art. 27 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG zu seiner Wirksamkeit keiner Veröffentlichung bedarf. In diesem Sinne versteht der Senat auch die Entscheidung des EuGH in EuGHE 1964, 1, wonach die mangelnde Veröffentlichung einer dem Mitgliedstaat erteilten Ermächtigung unschädlich ist. Die Veröffentlichung des Ermächtigungsverfahrens oder zumindest des Ermächtigungsbeschlusses in allgemein zugänglichen Quellen erscheint aber erforderlich, damit für die Steuerpflichtigen klar erkennbar wird, daß es sich um eine von der Richtlinie abweichende Sondermaßnahme handelt, und sie sich deshalb nicht auf die unmittelbare Anwendung der für sie günstigeren Richtlinienregelung berufen können. Die Begründung in dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines UStG (BTDrucks 8/1779) reicht hierfür auch bei verständiger Würdigung nicht aus; denn es ist nicht erkennbar, daß das Ermächtigungsverfahren eingeleitet wurde.
IV. Bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH wird das Revisionsverfahren ausgesetzt (§ 74 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 421181 |
BFH/NV 1996, 114 |
BFH/NV 1996, 114-116 (LT) |
BFHE 179, 457 |
BFHE 1996, 457 |
BB 1996, 995 |
BB 1996, 995-996 (LT) |
DB 1996, 816 (L) |
DStR 1996, 540-542 (KT) |
DStZ 1996, 314-315 (KT) |
HFR 1996, 351-352 (L) |
StE 1996, 234 (K) |