Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Ausgestaltung des Grenzbetrages als Freigrenze verfassungskonform; keine Aussetzung des Verfahrens
Leitsatz (NV)
1. Durch die Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass die Ausgestaltung des kindergeldrechtlichen Grenzbetrages als Freigrenze verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
2. Die Aussetzung eines Verfahrens bis zur Entscheidung eines Musterverfahrens ist nur geboten, wenn es sich um ein beim BVerfG anhängiges Musterverfahren handelt.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 2; FGO § 74
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) bewilligte für den Sohn (S) des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) für das Jahr 2005 kein Kindergeld, da die Einkünfte und Bezüge des S den maßgeblichen Jahresgrenzbetrag überschritten. Der Einspruch des Klägers und seine anschließende Klage blieben erfolglos.
Mit seiner Beschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend. Das Finanzgericht (FG) habe die Frage, ob § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mangels einer Härtefallregelung bei geringfügigem Überschreiten der Einkünfte- und Bezügegrenze verfassungswidrig sei, nicht unter Verweis auf die bisherigen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH-- (insbesondere Senatsbeschluss vom 10. August 2007 III B 96/06, BFH/NV 2007, 2274) verneinen dürfen; diese Rechtsfrage sei weiterhin unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten klärungsbedürftig, da das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bisher inhaltlich hierzu noch nicht Stellung genommen habe. Außerdem habe es das FG verfahrensfehlerhaft unterlassen, das Verfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen und aufgrund des beim BFH anhängigen Verfahrens III R 54/06 die weitere Rechtsentwicklung einschließlich der Entscheidung des BVerfG abzuwarten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Die Ausgestaltung des Grenzbetrages nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG als Freigrenze ist nach der Rechtsprechung des VI. und VIII. Senats des BFH verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (z.B. Urteile vom 21. Juli 2000 VI R 153/99, BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566; vom 25. Mai 2004 VIII R 66/99, BFH/NV 2005, 24, und vom 13. Juli 2004 VIII R 20/02, BFH/NV 2005, 36, jeweils m.w.N.). Der Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen und in mehreren Verfahren die Zulassung der Revision mangels grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache abgelehnt (z.B. Beschluss in BFH/NV 2007, 2274, m.w.N.). Zur Begründung im Einzelnen nimmt der Senat auf das BFH-Urteil in BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566 Bezug.
Durch Beschluss nach § 126a FGO vom 29. Mai 2008 III R 54/06 (BFH/NV 2008, 1821) hat der Senat eine Revision, in der auch das Fehlen einer Härtefallregelung gerügt worden war, als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG durch Beschluss vom 6. April 2009 2 BvR 1874/08 (BFH/NV 2009, 1067) nicht zur Entscheidung angenommen. Der Hinweis des Klägers, dass das BVerfG nicht zur Sache entschieden habe, sondern die Beschwerde mangels hinreichender Substantiierung als unzulässig angesehen habe, rechtfertigt allein die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht. Neue Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung und Entscheidung erforderlich machen, hat der Kläger aber nicht aufgezeigt.
2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen.
Das FG war nicht verpflichtet, das Klageverfahren wegen des damals beim BFH anhängigen Verfahrens III R 54/06 nach § 74 FGO auszusetzen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung eines Musterverfahrens nur geboten, wenn es sich um ein beim BVerfG anhängiges Musterverfahren handelt (z.B. BFH-Beschluss vom 15. März 2006 X B 8/06, BFH/NV 2006, 1140, m.w.N.). Die zum Zeitpunkt des FG-Urteils und der Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde anhängige und inzwischen durch Beschluss in BFH/NV 2008, 1821 als unbegründet zurückgewiesene Revision war im Übrigen nicht --wie der Kläger meint-- wegen der Erforderlichkeit einer Härtefallregelung zugelassen worden, sondern wegen der zum Zeitpunkt der Zulassung noch ungeklärten Berücksichtigung von Beiträgen des Kindes zu privaten Rentenversicherungen und Lebensversicherungen.
Fundstellen