Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zulassung der Revision in einem Verfahren auf Erlass von Nachforderungszinsen auf nachträglich festgesetzte Umsatzsteuer wegen sog. Null-Situation
Leitsatz (NV)
- Eine (behauptete) Abweichung von Entscheidungen des EuGH rechtfertigt keine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.
- Durch die Rechtsprechung ist geklärt, dass die Verzinsung der nachträglich aufgrund einer Außenprüfung festgesetzten Umsatzsteuer nicht deshalb sachlich unbillig ist, weil der Leistende von einer sog. Null-Situation ausgegangen war.
Normenkette
AO 1977 § 233a; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt ein Sand- und Kieswerk. Im Streitjahr 1992 verkaufte er eine gebrauchte Sandaufbereitungsanlage. Dem Erwerber stellte er keine Umsatzsteuer in Rechnung. Er berücksichtigte den Verkauf nicht in seinen Umsatzsteuererklärungen.
Aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahre 1995 gewann der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) die Überzeugung, dass die Lieferung der Anlage im Rahmen des Unternehmens des Klägers erfolgt sei und änderte den bisherigen Umsatzsteuerbescheid entsprechend. Gleichzeitig setzte er Nachforderungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO 1977) fest. Sowohl der Umsatzsteuer-Änderungsbescheid vom 19. Januar 1996 als auch die darin festgesetzten Nachforderungszinsen von 10 279 DM wurden bestandskräftig.
Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass der Zinsen aus Billigkeitsgründen. Das FA lehnte den Antrag ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch zurück. Die anschließende Klage hatte im Wesentlichen ebenfalls keinen Erfolg; das Finanzgericht (FG) hielt einen Erlass nur insoweit für geboten, als das FA den ursprünglich vereinbarten Kaufpreis von 699 720 DM ohne Herausrechnung der Umsatzsteuer der Besteuerung zugrunde gelegt hatte. Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Beschwerde, die er auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt. Er meint, die Zinsfestsetzung verstoße gegen Art. 33 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) und gegen die Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 13. Dezember 1989 Rs. 342/87 - Genius Holding (Slg. 1989, 4227), vom 26. Juni 1997 Rs. C-370/95 - CAREDA SA (Slg. 1997, I-3721) und vom 19. Februar 1998 Rs. C-318/96 - SPAR (Slg. 1998, I-785). Der Verstoß gegen die Richtlinie 77/388/EWG liege nicht grundsätzlich in der Verzinsung der Steuernachforderung, sondern darin, dass trotz eines zeitgleich entstehenden Anspruchs auf Vorsteuererstattung keine spiegelbildliche Verzinsung stattfinde. Das FG habe auch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. April 1998 V R 34/97 (BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695) nicht berücksichtigt, in dem die getrennte Betrachtungsweise hinsichtlich des Entstehens der Umsatzsteuer und des Vorsteuererstattungsanspruchs ausdrücklich aufgegeben worden sei. Der begehrte Erlass würde die im Urteil des EuGH vom 14. Februar 1985 Rs. 268/83 - Rompelman (Slg. 1985, 655) geforderte Belastungsneutralität gewährleisten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder das Urteil des FG von einer Entscheidung des BFH oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Eine Abweichung von Entscheidungen des EuGH rechtfertigt keine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Insoweit käme allenfalls eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung in Betracht (BFH-Beschluss vom 28. April 1999 V B 129/98, BFH/NV 1999, 1390). Der Hinweis auf das Urteil in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, nach dem der Vorsteuerabzug voraussetzt, dass eine Steuer für den berechneten Umsatz auch tatsächlich geschuldet wird, war wohl vom Kläger selbst nicht als Rüge einer Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO gemeint; jedenfalls genügt er nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Bezeichnung einer Divergenz. Der Kläger stellt keine einander widersprechenden Rechtsgrundsätze aus dem Urteil in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695 und der Vorentscheidung gegenüber.
2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
a) Zinsen i.S. des § 233a AO 1977 haben nicht den Charakter von Umsatzsteuern i.S. des Art. 33 der Richtlinie 77/388/EWG. Bei den Zinsen handelt es sich um keine Verbrauchsteuer; sie werden nicht allgemein, nicht proportional zum Preis der Lieferungen oder Dienstleistungen und nicht auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe erhoben, wie dies für die Mehrwertsteuer charakteristisch ist (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 1998, I-785). Insoweit besteht kein Klärungsbedarf.
b) Durch die Rechtsprechung ist auch geklärt, dass die Verzinsung der nachträglich aufgrund einer Außenprüfung festgesetzten Umsatzsteuer nicht deshalb sachlich unbillig ist, weil der Leistende von einer sog. Null-Situation ausgegangen war (keine Umsatzversteuerung durch den Leistenden, kein Vorsteuerabzug des Empfängers mangels Rechnung mit Steuerausweis). Die Zinsregelung des § 233a AO 1977 zielt ―im Falle der Steuernachforderung― darauf ab, Zinsvorteile und Liquiditätsvorteile abzuschöpfen, die der Steuerschuldner erzielt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Mai 1999 I R 60/98, BFHE 188, 542, BStBl II 1999, 634, und vom 21. Oktober 1999 V R 94/98, Umsatzsteuer-Rundschau 2000, 73). Nach der Rechtsprechung des Senats stellt § 233a AO 1977 auf einen Vorteil des Steuerpflichtigen und nicht des FA ab (BFH-Urteil vom 15. April 1999 V R 63/97, BFH/NV 1999, 1392). Daraus folgt, dass die Verzinsung in Fällen der vorliegenden Art nicht sachlich unbillig ist (vgl. BFH in BFH/NV 1999, 1392). Die vom Kläger in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen sind bereits geklärt. Ein weiterer Klärungsbedarf besteht auch unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten nicht; auf die Frage, für welchen Veranlagungszeitraum dem Käufer der Vorsteuerabzug zusteht, kommt es nicht an.
3. Von der Bekanntgabe einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen