Leitsatz (amtlich)
Ablehnung einer einstweiligen Anordnung, das FA nach ohne Sicherheitsleistung gewährter Aussetzung der Vollziehung im Vorgriff auf die Entscheidung zur Hauptsache ohne Sicherheitsleistung zur Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung zu verpflichten.
Normenkette
BerlGrEStG § 33 (vgl. GrEStDV 1940 § 9); FGO § 114
Tatbestand
Der Beschwerdeführer hat ein Grundstück in Berlin für 2 000 000 DM gekauft. Das FA hat gegen ihn 140 000 DM Grunderwerbsteuer festgesetzt. Nach Einspruch hat es antragsgemäß die Vollziehung dieses Bescheids in Höhe von 87 400 DM ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt, die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung aber von einer Sicherheitsleistung in Höhe dieses Betrags abhängig gemacht. Gleichzeitig mit der gemäß § 230 Abs. 1 AO erhobenen Beschwerde hat der Beschwerdeführer beim FG beantragt, durch einstweilige Anordnung dem FA aufzugeben, die Unbedenklichkeitsbescheinigung ohne Sicherheitsleistung zu erteilen. Das FG hat diesen Antrag abgelehnt, weil ein Anspruch auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung ohne Sicherheitsleistung nicht bestehe.
Hinsichtlich der umstrittenen Sicherheitsleistung unterscheidet das FG zwischen der Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheids (§ 242 AO), bei der sie nur unter bestimmten Voraussetzungen gefordert werden könne, und der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung, die bei möglichem und nicht gestundetem Steueranspruch die Entrichtung der Steuer oder deren Sicherstellung voraussetze (§ 33 Abs. 1 des Berliner Grunderwerbsteuergesetzes - BerlGrEStG -). Nach der Ansicht des Beschwerdeführers impliziert dagegen die vorbehaltlose Aussetzung der Vollziehung die Pflicht zur Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung; er macht geltend, sein Erwerb sei in Höhe der umstrittenen Sicherheitsleistung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 11 BerlGrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig.
Zwar hat der Beschwerdeführer zwischenzeitlich gegen die Ablehnung der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung ohne Sicherheitsleistung, nachdem seine Beschwerde von der Oberfinanzdirektion zurückgewiesen wurde, beim FG die Verpflichtungsklage erhoben. Dieses Verfahren ist aber dem vorliegenden Verfahren gegenüber das Verfahren zur Hauptsache. Dessen "weitergehende Rechtskraftwirkung" ist diesem Verfahren wesensgemäß (§ 110 Abs. 1 FGO); es ist bei vorangegangener einstweiliger Anordnung gerade dazu bestimmt, deren vorläufige Regelung in eine endgültige überzuleiten (§ 114 Abs. 3 FGO, § 926 ZPO). So wenig ein Kläger gehindert ist, nach eingereichter Klage eine einstweilige Anordnung beim Gericht der Hauptsache zu beantragen (§ 114 Abs. 2 Satz 1 FGO), so wenig macht die nachträgliche Klageerhebung die Weiterverfolgung eines bereits zuvor (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO) gestellten Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung unzulässig (vgl. § 151 Abs. 3 FGO).
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 114 FGO nicht nur einen Anspruch voraus, der Streitgegenstand eines Verfahrens zur Hauptsache ist oder sein könnte, sondern darüber hinaus einen besonderen Grund, der es geboten erscheinen läßt, diesen Anspruch zu sichern oder das durch den Anspruch beschriebene Rechtsverhältnis einstweilig zu regeln (Beschluß vom 14. Juli 1971 II B 2/71, BFHE 102, 238 [240 ff.], BStBl II 1971, 633). Diesen Anordnungsgrund hat der Beschwerdeführer nicht in dem erforderlichen Umfang dargelegt und glaubhaft gemacht (vgl. § 114 Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Daran muß der Erlaß einer einstweiligen Anordnung unabhängig davon scheitern, ob bezüglich des umstrittenen Anspruchs dem Standpunkt des FG oder dem Standpunkt des Beschwerdeführers beizutreten wäre.
Der Beschwerdeführer hat nicht verkannt, daß das von ihm mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung verfolgte Begehren identisch ist mit dem Begehren, das er im Verfahren zur Hauptsache zu verfolgen hätte, daß also eine seinem Antrag stattgebende Entscheidung die Entscheidung zur Hauptsache vorwegnähme. Wenn dem Beschwerdeführer bereits aufgrund einstweiliger Anordnung die Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen wäre, würde eine nachfolgende Klage auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung (vgl. § 114 Abs. 3 FGO, § 926 ZPO) gegenstandslos sein. Sofern ein Widerruf der Unbedenklichkeitsbescheinigung zulässig sein sollte, wäre er spätestens mit der Eintragung des Beschwerdeführers im Grundbuch unwirksam; eine "Nachforderung" der Sicherheitsleistung könnte nicht darauf, sondern nur - nach Änderung der Aussetzungsverfügung - auf die Vollziehbarkeit des Steuerbescheids gestützt werden und wäre den zwischenzeitlichen Eintragungen im Grundbuch gegenüber unbehelflich.
Ob in Ausnahmefällen eine einstweilige Anordnung, welche das Ergebnis der Hauptsache vorwegnähme, ergehen könnte, wenn auf andere Weise ein effektiver Rechtsschutz nicht zu gewährleisten wäre (vgl. Eyermann/Fröhler, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 1971, § 123 Randnr. 8), muß dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls würde eine solche - über die Aussage des § 114 FGO hinausreichende - einstweilige Anordnung eine besondere Intensität des Anordnungsgrundes erfordern. Dieser ist hier aber nicht einmal in dem Maße vorgetragen und glaubhaft gemacht, welches für eine einstweilige Anordnung nur sichernden oder sonst vorläufigen Inhalts geboten wäre.
Der Beschwerdeführer hat insoweit nur darauf hingewiesen, daß er das Grundstück zusammen mit einer Reihe von Nachbargrundstücken einheitlich bebauen wolle und die geforderte Sicherheitsleistung eine Einengung seiner Liquidität bedeute, der bei der derzeitigen Verknappung auf dem Geldmarkt wachsende Bedeutung zukomme. Dieses Argument gilt aber allgemein für die umstrittene Frage; es ist kein besonderes, das den Erlaß einer einstweiligen Anordnung als "nötig" erscheinen ließe (§ 114 Abs. 1 Satz 2 AO), zumal nicht einer solchen des begehrten Inhalts mit der Folge, daß nicht etwa nur ein "vorläufiger Zustand" geregelt, sondern die umstrittene Frage im Ergebnis endgültig entschieden wäre.
Eine einstweilige Anordnung anderen Inhalts (§ 114 Abs. 3 FGO, § 938 Abs. 1 ZPO) oder die Anordnung einer Sicherheitsleistung (§ 114 Abs. 3 FGO, § 921 Abs. 2 ZPO) würden dem Begehren des Beschwerdeführers zuwiderlaufen. Die umstrittene Frage kann daher nach dem vorgetragenen Sachstand nur im Verfahren zur Hauptsache entschieden werden.
Fundstellen
Haufe-Index 70646 |
BStBl II 1974, 221 |