Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung mit Steuerforderungen im Insolvenzverfahren
Leitsatz (NV)
Wird im Insolvenzverfahren des Steuerpflichtigen eine Umsatzsteuerfestsetzung wegen Uneinbringlichkeit einer vor Insolvenzeröffnung begründeten Forderung berichtigt, kann das FA gegen einen dadurch entstandenen Erstattungsanspruch die Aufrechnung erklären. Der Erstattungsanspruch beruht in diesem Fall auf der festgestellten Uneinbringlichkeit des vereinbarten Entgelts für die steuerpflichtige Lieferung oder Leistung und nicht auf einer anfechtbaren Rechtshandlung.
Normenkette
UStG § 17 Abs. 2; InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3, §§ 129, 131
Verfahrensgang
FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 04.12.2007; Aktenzeichen 5 K 1103/04) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Insolvenzverwalter in dem im Februar 2000 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Im Januar 2004 gab der Kläger für die Schuldnerin eine Umsatzsteuererklärung für 2001 ab, mit der (u.a.) wegen Berichtigung von vor Insolvenzeröffnung entstandener uneinbringlicher Forderungen negative Umsätze erklärt wurden. Aus der Erklärung ergab sich nach Abzug bereits an den Kläger geleisteter Zahlungen ein Erstattungsbetrag in Höhe von … €, den der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) mit rückständiger Umsatzsteuer für Oktober 1999 verrechnete. Nachdem der Kläger insoweit Einwendungen erhoben hatte, erließ das FA einen entsprechenden Abrechnungsbescheid.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der der Kläger geltend machte, dass der verrechnete Erstattungsbetrag in Höhe von … € aus gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Insolvenzordnung (InsO) anfechtbaren Rechtshandlungen resultiere, wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO der Aufrechnung durch das FA nicht entgegenstehe, denn das FA habe die Möglichkeit der Aufrechnung nicht durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt. Sowohl die Umsatzsteuer als auch der Umsatzsteuererstattungsanspruch entstünden kraft Gesetzes durch Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen. Eine durch eine Rechtshandlung in inkongruenter Weise hergestellte Aufrechnungslage i.S. des § 131 InsO liege daher nicht vor.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe jedenfalls nicht vorliegen, weshalb der Senat auf die Mängel bezüglich der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen schlüssigen Darlegung der Zulassungsgründe nicht näher eingehen muss.
Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache noch zur Fortbildung des Rechts erforderlich, denn der Streitfall wirft keine Rechtsfragen auf, deren Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt, und er gibt auch keine Veranlassung, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen.
Die für den Streitfall im Hinblick auf das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO maßgebende Frage, ob das FA die Möglichkeit der Aufrechnung gegen den Erstattungsanspruch durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat, lässt sich nur so beantworten, wie es das FG getan hat. Auch wenn sich --wie die Beschwerde ausführt-- in der Reihe von Ereignissen, die zu dem aus der Umsatzsteuererklärung 2001 resultierenden Erstattungsanspruch der Schuldnerin geführt haben, Rechtshandlungen i.S. des § 129 InsO finden lassen, so beruht doch --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- der Erstattungsanspruch der Schuldnerin und damit die entstandene Aufrechnungslage unmittelbar allein auf der Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes, nämlich auf der Uneinbringlichkeit des vereinbarten Entgelts für eine bereits erklärte steuerpflichtige Lieferung oder Leistung. Der Eintritt der Uneinbringlichkeit eines vereinbarten Entgelts ist aber keine von einem Willen getragene Rechtshandlung i.S. des § 129 InsO, sondern eine anhand objektiver Kriterien festzustellende Tatsache, mag er auch zuvor durch Rechtshandlungen bewirkt worden sein.
Anders als die Beschwerde meint, kann auch in der vom FA gemäß § 168 Satz 2 der Abgabenordnung erklärten Zustimmung zur Umsatzsteuererklärung 2001 keine anfechtbare Rechtshandlung gesehen werden, was für den Streitfall bereits aus dem Umstand folgt, dass diese Zustimmung nicht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 129 Abs. 1 InsO) erteilt wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 2083438 |
BFH/NV 2009, 123 |