Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinnützigkeit eines Fußballvereins bei inoffiziellen Zahlungen an Amateurfußballspieler
Leitsatz (NV)
- Es ist zweifelhaft, ob eine Bestimmung in der Satzung eines Vereins unklar ist, wenn sie im Wesentlichen der von der Finanzverwaltung für gemeinnützige Vereine entworfenen Mustersatzung entspricht.
- Es ist zweifelhaft, ob dem Vorstand eines gemeinnützigen Vereins die Tätigkeit eines Spielerobmanns bei der Vermittlung inoffizieller Zahlungen von Sponsoren an Spieler deshalb zuzurechnen ist, weil bei Sportinteressierten allgemein bekannt sei, dass überhöhte Gehälter an Spieler in der Regionalliga oder in der Oberliga gezahlt würden.
Normenkette
UStG 1991 § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a; AO 1977 §§ 52-55, 60 Abs. 1, § 63 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 3
Tatbestand
1. Der Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Kläger) ist ein Fußballklub (eingetragener Verein). Nach seiner Satzung vom 29. Juni 1984 bezweckte er die körperliche und charakterliche Ertüchtigung seiner Mitglieder durch planmäßige Pflege und Förderung der Leibeserziehung, insbesondere des Fußballsports. Er übte keine wirtschaftliche Tätigkeit aus. Die Mitglieder erhielten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins, der nach seiner Satzung den Berufssport ausdrücklich ablehnte.
Nach der geänderten Satzung vom 1. Juli 1994 bezweckt der Kläger, seinen Mitgliedern die Möglichkeit zur sportlichen Betätigung und körperlichen Ertüchtigung zu geben. Keine Person darf durch unverhältnismäßig hohe Vergütung begünstigt werden.
1994 fand eine Betriebsprüfung wegen Lohn- und Umsatzsteuer für 1990 bis 1993 statt. Sie führte nicht zu einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 1992; vielmehr wurde der vorhandene Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Die Umsatzsteuer 1993 wurde erstmals entsprechend den Ergebnissen der Betriebsprüfung festgesetzt. Dabei ging der Antragsgegner, Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) davon aus, dass der Kläger gemeinnützig sei und seine Umsätze dem ermäßigten Steuersatz unterlägen (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes ―UStG― 1991/1993).
Bei einer Lohnsteueraußenprüfung im Jahr 1997 für 1992 bis 1997 stellte das FA fest, dass Fußballspieler des Klägers, die ihm als Mitglieder angehörten und vertraglich eine monatliche Aufwandsentschädigung für die Verpflichtung als Spieler erhielten, von Sponsoren insgesamt … DM für 1992 bis 1997 erhalten hatten. Davon entfielen auf die Jahre 1992 und 1993 jeweils … DM. Das Geld war ihnen von dem Manager und Obmann, Herrn X, ausgezahlt worden. Dies sei, wie der Kläger geltend gemacht hatte, ohne Wissen seines Vorstands geschehen.
Aufgrund einer tatsächlichen Verständigung wurde für die Streitjahre 1992 bis 1996 ein Betrag von … DM angesetzt, für den Lohnsteuer nacherhoben wurde.
Nunmehr änderte das FA die vorhandenen Freistellungsbescheide für 1992 bis 1995 und setzte die Körperschaftsteuer aufgrund von Änderungsbescheiden für 1992 bis 1996 auf 0 DM fest. Außerdem änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1992 und 1993 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1994 bis 1996 nach § 164 Abs. 2 AO 1977. Es besteuerte die Umsätze des Klägers mit dem allgemeinen Steuersatz. Das FA wies die dagegen gerichteten Einsprüche zurück und vertrat die Ansicht, der Kläger habe keine ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecke verfolgt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte es u.a. aus, der Kläger erfülle die Voraussetzungen der Steuervergünstigung (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG 1991/1993) nicht, weil die tatsächliche Geschäftsführung bis 1994 nicht dem Satzungszweck entsprochen habe, nach dem nur der unbezahlte Sport gefördert werden sollte. Ab 1994 habe die Satzung zwar auch verhältnismäßige Vergütungen an einzelne Personen zugelassen. Sie sei aber insoweit unklar gefasst worden, dass nicht mehr beurteilt werden könne, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen erfüllt seien.
Außerdem sei dem Kläger die Vermittlung der Bezahlung seiner Fußballspieler zuzurechnen. Nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht müsse er sich das Verhalten seines Spielerobmannes X zurechnen lassen. Es sei nicht glaubhaft, dass der Vorstand des Klägers von den inoffiziellen Zahlungen an seine Fußballspieler durch Sponsoren nichts gewusst habe. Mindestens müsse sich der Vorstand als bösgläubig behandeln lassen, weil er von den Zahlungsvorgängen hätte wissen können und müssen. Wegen der unterlassenen nahe liegenden Kontrollen könne seine tatsächliche Geschäftsführung nicht als ordnungsgemäß angesehen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 746 veröffentlichte Entscheidung Bezug genommen.
Das FG hat die Revision zugelassen. Der Kläger hat rechtzeitig Revision eingelegt und u.a. gerügt, dass die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1992 und 1993 nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 hätten geändert werden dürfen und dass der ermäßigte Steuersatz nicht unter Hinweis auf die Verletzung der Lohnsteuerabführungspflicht habe versagt werden dürfen. Er, der Kläger, habe keine Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug gehabt, weil es sich um unübliche Zahlungen Dritter gehandelt habe.
Das FA hat den Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerfestsetzungen für 1992 bis 1996 durch Bescheid vom 11. Februar 1999 abgelehnt. Nunmehr hat der Kläger beim Bundesfinanzhof (BFH) beantragt, die Vollziehung der erwähnten Umsatzsteuerfestsetzungen auszusetzen.
Er ist der Ansicht, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheide für 1992 bis 1996. Eine Grundlage für die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen für 1992 und 1993 habe nicht bestanden, weil nach der Betriebsprüfung eine Änderungssperre bestanden habe. Durch die unterlassene Lohnsteueranmeldung habe er, der Kläger, nicht gegen § 63 AO 1977 verstoßen, weil eine etwaige Verletzung von lohnsteuerlichen Pflichten nur den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb betreffen könne. Es gebe keinen vom FA herangezogenen Rechtsgrundsatz, dass ein Verstoß gegen die Rechtsordnung die Versagung der Gemeinnützigkeit zur Folge habe. Im Übrigen habe keine Pflicht zur Lohnsteuereinbehaltung bestanden.
Das FA ist dem Aussetzungsantrag entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
2. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide für 1992 und 1993 vom 23. Oktober 1997, der Umsatzsteueränderungsbescheide für 1994 bis 1995 vom 26. November 1997 und des Umsatzsteueränderungsbescheids für 1996 vom 14. November 1997 ist zulässig (§ 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1, Abs. 7 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) und begründet (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO).
a) An der Rechtmäßigkeit der bezeichneten Umsatzsteueränderungsbescheide bestehen bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ob derartige Zweifel bestehen, ist bei einem in der Revisionsinstanz anhängigen Rechtsstreit nach revisionsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Maßgebend ist, ob unter Berücksichtigung der begrenzten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts ernstlich mit der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts zu rechnen ist. Bei vermutlicher Zurückverweisung ist auf die Erfolgsaussichten des dann fortgesetzten Klageverfahrens abzustellen (BFH-Beschluss vom 4. Februar 1997 VII S 29/96, BFH/NV 1997, 588).
b) Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Beurteilung ist ernstlich zweifelhaft, ob das FA berechtigt war, die Umsatzsteueränderungsbescheide für 1992 und 1993 vom 23. Oktober 1997 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu erlassen. Weil die ursprünglichen Umsatzsteuerfestsetzungen für 1992 und 1993 auf Grund einer Außenprüfung ergangen waren, konnten sie nur geändert werden, wenn insoweit eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt (§ 173 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Dazu sind weder in den Umsatzsteueränderungsbescheiden für 1992 und 1993 noch in dem finanzgerichtlichen Urteil schlüssige Darlegungen enthalten. Ob insbesondere die subjektiven Voraussetzungen für eine Umsatzsteuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO 1977) oder für eine leichtfertige Umsatzsteuerverkürzung (§ 378 AO 1977) bei den für den Kläger verantwortlichen Personen vorliegen, ist nicht erkennbar.
c) Auch die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteueränderungsbescheide für 1994 bis 1996 ist ernstlich zweifelhaft.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG 1991/1993 ermäßigt sich die Steuer für die Leistungen der Körperschaften ―dazu gehören auch eingetragene Vereine wie der Kläger―, die ausschließlich und unmittelbar u.a. gemeinnützige Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 AO 1977). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ausgeführt werden (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG 1991/1993). Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Die Förderung des Sports ist unter diesen Voraussetzungen als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen (§ 52 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977). Die Steuervergünstigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Sportverein neben dem unbezahlten auch den bezahlten Sport fördert (§ 58 Nr. 9 AO 1977). Sie wird nach § 59 AO 1977 gewährt, wenn sich aus der Satzung der Körperschaft ergibt, dass ihr Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO 1977 entspricht und ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird; die tatsächliche Geschäftsführung muss diesen Satzungsbestimmungen entsprechen. Die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung müssen nach § 60 Abs. 1 AO 1977 so genau bestimmt sein, dass auf Grund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung gegeben sind. Schließlich muss die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung über die Voraussetzungen für die Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 AO 1977).
Das FG hat in der Vorentscheidung angenommen, die Satzung des Klägers sei wegen der Bestimmung, dass Mitglieder keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins erhalten und dass keine Person durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden dürfe, so unklar, dass nicht mehr geprüft werden könne, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung gegeben seien.
Es ist zweifelhaft, ob dem zu folgen ist. Denn die beanstandete Bestimmung entspricht im Wesentlichen der von der Finanzverwaltung für Vereine entworfenen Mustersatzung (§ 4 in Anlage 1 zu § 60 Anwendungserlass zur Abgabenordnung ―AEAO― vom 24. September 1987, BStBl I 1987, 664, 678; ebenso vom 15. Juni 1998, BStBl I 1998, 630, 821).
Soweit das FG außerdem dem Kläger die Gemeinnützigkeit versagt hat, weil die tatsächliche Geschäftsführung nicht ausschließlich und unmittelbar auf die Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet gewesen sei und der Satzung nicht entsprochen habe (§ 63 Abs. 1 AO 1977), ist bei summarischer Prüfung nicht zweifelsfrei, ob die dafür herangezogenen tatsächlichen Feststellungen diese Schlussfolgerung decken. Das FG rechnete die Vermittlung inoffizieller Zahlungen von Sponsoren an Spieler durch den Spielerobmann X dem Kläger nach den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht zu, weil nicht glaubhaft sei, dass seine Vorstandsmitglieder dies nicht gewusst hätten, und weil die Vorstandsmitglieder dies mindestens hätten wissen müssen. Zu dieser Überzeugung gelangte das FG, weil bei Sportinteressierten allgemein bekannt sei, dass Fälle von Zahlungen überhöhter Spielergehälter auch im Oberliga- und Regionalligabereich mehrfach aufgedeckt worden seien. Ob bei der Entscheidung in der Hauptsache diese nicht weiter substantiierten Feststellungen des FG ausreichen, um die tatsächliche Schlussfolgerung auf das Wissen und Verhalten der Vorstandsmitglieder als möglich erscheinen zu lassen, erscheint zweifelhaft.
Die im Aussetzungsverfahren vom FA eingeführte urkundlich nachweisbare Betätigung von X als "vertretungsberechtigter Vorstand" ist möglicherweise als neues Vorbringen im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen. Das FG hat festgestellt, X sei nach der in den Streitjahren geltenden Satzung nicht zur Vertretung des Klägers befugt gewesen. Die Prüfung im Revisionsverfahren ist auf die tatsächlichen Feststellungen des FG begrenzt (§ 118 Abs. 2 FGO) und kann auf nachträgliches Parteivorbringen nicht erweitert werden (§ 561 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung i.V.m. § 155 FGO).
3. Die hiernach gebotene Aussetzung ist im Interesse wirksamen Rechtsschutzes auf die Zeit bis sechs Wochen nach Zustellung der Entscheidung über die Revision (V R 17/99) zu erstrecken (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 69 Rz. 141, m.w.N.).
4. Sie wird ohne Sicherheitsleistung (§ 69 Abs. 2 Satz 3 FGO) angeordnet, weil der Ausgang der Entscheidung in der Hauptsache (insbesondere für die Jahre 1992 und 1993) offen ist, die umstrittenen Steuererhöhungen mit insgesamt … DM (davon rund … DM für 1994 bis 1996) nicht so hoch sind, dass ihre Erhebung ohne eine Sicherheitsleistung gefährdet erscheint und weil das FA ein Bedürfnis für die Festsetzung einer Sicherheitsleistung durch den Kläger auch nicht dargelegt hat. Hinzu kommt, dass eine Sicherheitsleistung nachträglich nach § 69 Abs. 6 Satz 1 oder 2 FGO bestimmt werden könnte, wenn sich dafür ein Bedürfnis ergeben sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 425207 |
BFH/NV 2000, 996 |