Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnungsgrund für einstweilige Anordnung
Leitsatz (NV)
1. Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung setzt die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraus.
2. Im Fall der Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes ist ein Anordnungsgrund in der Regel nur gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung des Verwaltungsakts unmittelbar bedroht ist.
Normenkette
FGO § 114 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war in den Streitjahren 1974 und 1975 Mitglied einer Musikgruppe in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Die Einkünfte der GbR wurden entsprechend den eingereichten Erklärungen einheitlich und gesondert festgestellt. Die Bescheide wurden nicht angefochten.
Später wurden berichtigte Gewinnermittlungen für die Streitjahre eingereicht, in denen bisher nicht geltend gemachte Verluste berücksichtigt wurden. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) lehnte den Antrag auf Änderung der bestandskräftigen Feststellungsbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) deswegen ab, weil die GbR bzw. ihren Berater ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Verluste treffe. Gegen den ablehnenden Bescheid ist Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Zusätzlich beantragte der Antragsteller beim Finanzgericht (FG) den Erlaß einer einstweiligen Anordnung, mit der dem FA aufgegeben werden sollte, die Feststellungsbescheide 1974 und 1975 entsprechend den nachgereichten Erklärungen zu ändern. Das FG wies diesen Antrag zurück, weil der Antragsteller keinen Grund für die beantragte Anordnung angegeben habe und diese das Ergebnis des anhängigen Klageverfahrens vorwegnehmen würde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er macht geltend, daß er aufgrund wirtschaftlicher Rückschläge zur Zeit nicht in der Lage sei, die aus den Feststellungsbescheiden 1974 und 1975 in ihrer bisherigen Form resultierende Einkommensteuer zu entrichten. Eine Offenbarungsversicherung nach fruchtloser Vollstreckung würde ihn über Gebühr belasten und eine Besserung seiner finanziellen Situation wesentlich erschweren.
Das FA widerspricht diesem Begehren.
Entscheidungsgründe
Die nach § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde ist unbegründet. Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes ergehen, wenn die Anordnung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Voraussetzung für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist, daß der Antragsteller neben dem bezeichneten Anordnungsgrund auch einen Anordnungsanspruch durch präsente Beweismittel glaubhaft macht (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 der Zivilprozeßordnung).
Der Senat kann offenlassen, ob der Antragsteller einen Anspruch der Gemeinschaft auf Abänderung des Feststellungsbescheids schlüssig dargetan hat. Jedenfalls ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Das Verfahren der einstweiligen Anordnung muß auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Juni 1975 VI B 22/75, BFHE 116, 106, BStBl II 1975, 717). Wird der Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts abgelehnt, dann ist ein Anordnungsgrund nach der Rechtsprechung des BFH in der Regel nur gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung unmittelbar und ausschließlich bedroht ist (Beschluß vom 12. April 1984 VIII B 115/82, BFHE 140, 430, BStBl II 1984, 492). Der Antragsteller hat zu seinen persönlichen Verhältnissen vor dem FG keine Angaben gemacht. Im Beschwerdeverfahren hat er eine Aufforderung des FA zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 284 AO 1977 vorgelegt; die rückständigen Steuerschulden beliefen sich danach auf rd. 32 000 DM. Das FA hat hierzu mitgeteilt, daß der Antragsteller inzwischen 14 000 DM gezahlt habe, um die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu vermeiden. Auch in der Beschwerdeinstanz hat der Antragsteller aber keine Angaben über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemacht und auch keine Mittel zu ihrer Glaubhaftmachung beigebracht. Die Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung sind damit nicht erfüllt.
Fundstellen
Haufe-Index 413739 |
BFH/NV 1986, 219 |