Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortsetzungsfeststellungsklage gegen bereits erledigte Prüfungsanordnung
Leitsatz (NV)
Auch wenn sich eine Prüfungsanordnung mit dem Abschluß der Prüfung bereits erledigt hat, kann eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO) mit dem Ziel erhoben werden, die Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung festzustellen. Das Anfechtungsrecht gegenüber der Prüfungsanordnung wird nicht dadurch verwirkt, daß sich der Steuerpflichtige zunächst widerspruchslos auf die Prüfung eingelassen hat.
Normenkette
AO 1977 § 196; FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine Fahrschule. Am 1. Dezember 1982 ordnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bei ihm eine Betriebsprüfung für die Jahre 1979 bis 1981 an; die Anordnung wurde am 7. Dezember 1982 auf das Jahr 1978 erweitert, weil mit nicht unerheblichen Mehrsteuern zu rechnen sei. Die Anordnungen enthielten keine Rechtsmittelbelehrung. Am 21. Dezember 1982 fand die Schlußbesprechung statt, in der Übereinstimmung erzielt wurde. Der Prüfungsbericht wurde dem Kläger am 31. Dezember 1982 bekanntgegeben. Am 10. März 1983 legte der Kläger gegen die Prüfungsanordnungen Beschwerde ein. Die zuständige Oberfinanzdirektion (OFD) wies diese Beschwerde zurück.
Mit der Klage beanstandete der Kläger, daß die Prüfungsanordnung allein auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) verweise, jedoch nicht erkennen lasse, wie die Behörde ihr Auswahlermessen ausgeübt habe; auch die Prüfungserweiterung sei unzureichend begründet. Unzulässigerweise habe das FA auch die Bereitstellung eines für die Prüfung geeigneten Raumes verlangt.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen, weil sie nach Durchführung der Betriebsprüfung nur in Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhoben werden könne, deren Voraussetzungen jedoch nicht vorlägen. Eine solche Klage könne nur Erfolg haben, wenn das Vorverfahren zumindest eingeleitet gewesen sei. Hier habe der Kläger sein Beschwerderecht aber verwirkt, da er sich auf die Prüfung eingelassen, an der Schlußbesprechung teilgenommen und den Prüfungsbericht entgegengenommen habe.
Mit der vom FG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, daß bei der gegebenen Sachlage eine Verwirkung des Beschwerderechts nicht eingetreten sei.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Zu Recht ist das angefochtene Urteil davon ausgegangen, daß sich die beanstandeten Prüfungsanordnungen mit dem Abschluß der Prüfung erledigt haben. Der Kläger war in dieser Lage auf die Erhebung einer Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO) verwiesen, an der er deswegen ein Rechtsschutzinteresse hatte, weil er bei einem Klageerfolg die Auswertung der Prüfungsfeststellungen verhindern konnte. Eine solche Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch dann zulässig, wenn sich der beanstandete Verwaltungsakt bereits vor Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erledigt hat (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 24. Juni 1982 IV B 3/82, BFHE 136, 192, BStBl II 1982, 659; Urteile vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790; vom 7. November 1985 IV R 6/85, BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435).
Entgegen der Auffassung des FG setzt die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage demnach nicht voraus, daß bereits ein Rechtsbehelfsverfahren eingeleitet war. Tatsächlich war dieses Verfahren auch eingeleitet und durchgeführt, da der Kläger gegen den nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Verwaltungsakt binnen Jahresfrist (§ 356 Abs. 2 AO 1977) Beschwerde erhoben hatte und diese abschlägig beschieden worden war. Die Klage erweist sich auch nicht deshalb als unzulässig, weil der Kläger sich auf die Prüfung eingelassen und damit sein Beschwerde- und Klagerecht verwirkt habe. Der Senat hat hierzu eingehend in der angeführten Entscheidung in BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435 Stellung genommen. Auf diese Ausführungen, an denen der Senat festhält, wird verwiesen. Den Interessen der Finanzbehörde ist auch im Streitfall dadurch Rechnung getragen, daß sie bei einer Aufhebung der Prüfungsanordnung aus formellen Gründen eine erneute Anordnung unter Vermeidung des Verfahrensfehlers erlassen kann.
Da das FG, wie sich durch Auslegung ergibt, die Klage als unzulässig abgewiesen hat, fehlt es an tatsächlichen Feststellungen, die dem Senat ein Eingehen auf die Sache ermöglichen würde. Der Rechtsstreit muß deshalb als nicht spruchreif gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 414753 |
BFH/NV 1988, 42 |