Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein unbebautes Grundstück innerhalb der Fünfjahresfrist an einen neuen Erwerber weiterveräußert und bebaut dieser selbst als Bauherr – wenn auch unter Baubetreuung oder -ausführung durch den Veräußerer – das Grundstück, so liegt darin die Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen GrESWG 1958/1965.
2. Nach allgemeiner Erfahrung wird ein Grundstück in der Regel in dem Zustand veräußert, in dem es sich im Zeitpunkt der Veräußerung befindet, so daß dementsprechend im Falle der Weiterveräußerung derjenige Bauherr ist, der das Grundstück als Eigentümer übernommen hat. Die Errichtung (Fertigstellung) eines Gebäudes trotz Weiterveräußerung des Grundstücks kann nur ausnahmsweise wegen ganz besonders gelagerter Umstände noch dem Veräußerer als Bauherrn zugerechnet werden.
Normenkette
Bayerisches GrESWG Art. 1 Nr. 1 Buchst. a, Art. 4 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Der Erwerb eines Grundstücks durch den Beschwerdeführer am 17. Juli 1967 war gemäß Art. 1 Nr. 1 Buchstabe a des Bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau (GrESWG) 1958/1965 überwiegend und vorläufig von der Grunderwerbsteuer freigestellt worden. Da der Beschwerdeführer am 12. Dezember 1967 eine Teilfläche dieses Grundstücks vor Errichtung eines Gebäudes mit steuerbegünstigten Wohnungen veräußerte, forderte das FA gemäß Art. 4 des Bayer. GrESWG 1958/1965 die Grunderwerbsteuer nach. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Beschwerdeführer Klage, über die das FG noch nicht entschieden hat.
Gleichzeitig beantragte der Beschwerdeführer beim FG, die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids auszusetzen, da er als beratender Architekt trotz Weiterveräußerung nicht die Absicht aufgegeben habe, das Grundstück fristgerecht selbst steuerbegünstigt mit einem Kaufeigenheim zu bebauen. Das sei aus dem schriftlichen Kaufanwartschaftsvertrag ersichtlich, den er als „Bauherr” mit dem Erwerber als „Kaufanwärter” am 4. April 1969 geschlossen habe.
Das FG wies den Antrag ab und half der Beschwerde nicht ab.
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die Rechtsauffassung des FG entspricht der des Senats.
Die Steuervergünstigung des Art. 1 Nr. 1 Buchstabe a des Bayer. GrESWG setzt voraus, daß der Erwerber beabsichtigt, auf dem Grundstück fristgericht ein Gebäude mit grundsteuerbegünstigten Wohnungen (Wohnräumen) selbst, d. h. als Bauherr zu errichten. Es genügt also für die Aufrechterhaltung der Steuervergünstigung im Falle der Weiterveräußerung nicht, daß der Veräußerer nicht die Absicht aufgegeben hat, das Grundstück überhaupt – z. B. als Bauunternehmer im Werk-(Werklieferung-) Vertrag oder im Rahmen einer Baubetreuung – zu bebauen. In der Weiterveräußerung eines Grundstücks an einen neuen Erwerber, damit dieser selbst als Bauherr – wenn auch unter Baubetreuung oder -ausführung durch den Veräußerer – das Grundstück bebaut, liegt zwar nicht die Aufgabe der Bauabsicht als solcher, wohl aber die Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 des Bayer. GrESWG (vgl. auch Urteil des BFH II 66/57 U vom 2. September 1959, BFH 69, 518, BStBl III 1959, 453).
Gegenstand des Weiterveräußerungsvertrags vom 12. Dezember 1967 war eindeutig nur das unbebaute Grundstück, das rechtlich unabhängig von der späteren Errichtung eines Eigenheims übereignet werden sollte. Danach war der bis jetzt erkennbare Wille der Beteiligten in dem maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht auf eine einheitliche Übertragung des Grundstücks mit schlüsselfertigem Gebäude nach dessen Fertigstellung gerichtet (BFH-Urteil II 186/60 vom 21. Dezember 1961, HFR 1962, 169, 170 rechte Spalte; II 102/63 vom 28. November 1967, BFH 90, 534, 539, BStBl II 1968, 186, 188 rechte Spalte). Dem widerspricht nicht, sondern entspricht es, daß der Erwerber erklärte, er wolle auf dem Grundstück steuerbegünstigte Wohnungen erstellen, wenn auch ein Vertrag geplant war, wonach der Käufer als Bauherr das Eigentum im Rahmen eines Betreuungsvertrags mit dem Verkäufer als dem Betreuer errichten lassen wollte. Insofern ist die als Beschwerdebegründung gedachte Äußerung des Vertreters des Beschwerdeführers nicht verständlich, wieso gerade die Tatsache, daß der Veräußerer sich die Erstellung des Eigenheims nachdrücklich vorbehalten hatte, den Notar zur obigen Formulierung bewogen habe. Sie besagt nichts zur angeblichen Bauherreneigenschaft des Veräußerers, zumal dieser auch in diesem Zusammenhang wieder als Baubetreuer bezeichnet wird.
Der Senat hat zwar, wie der Vertreter des Beschwerdeführers zutreffend bemerkt, mehrfach entschieden, daß die Errichtung (Fertigstellung) eines Gebäudes trotz Weiterveräußerung des Grundstücks unter besonderen Umständen noch dem Veräußerer als Bauherren zugerechnet werden kann. Dabei handelt es sich aber durchweg um besonders gelagerte Fälle, die eine Abweichung von der Regel rechtfertigten. Im Falle des vom Beschwerdeführer zitierten Urteils II 1/54 U vom 13. Oktober 1954 (BFH 59, 387, BStBl III 1954, 359) – dem Ausgangspunkt dieser Ausnahmerechtsprechung – hatte gerade umgekehrt der Erwerber (und nicht der Veräußerer) das Gebäude errichtet und es war lediglich streitig, ob eine erst später eingeführte Vergünstigungsvorschrift trotzdem anwendbar sei.
Der Fall des ebenfalls vom Beschwerdeführer angeführten Urteils II 151/59 U vom 26. Juli 1961 (BFH 73, 571, BStBl III 1961, 473) ist schon deshalb nicht ohne weiteres vergleichbar, weil Art. 1 Nr. 1 Buchstabe a des Bayer. GrESWG anders als § 1 Nr. 1 Buchstabe a des Bremer GrESWG 1954 (Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen 1954 S. 119) den ausdrücklichen Zusatz „Errichtung eines Gebäudes durch den Erwerber” enthält (vgl. hierzu auch BFH-Urteil II 139/63 vom 20. Juni 1967, BFH 89, 485, BStBl III 1967, 677, das wiederum einen Sonderfall entscheidet). Im übrigen hatte im Falle des Urteils II 151/59 U der Erwerber im Zeitpunkt der Weiterveräußerung den Rohbau bereits erstellt, war erkrankt, hatte das Grundstück auf seine Tochter weiterübertragen, es mit ihr bezogen und war „offenbar … trotz der Weiterveräußerung unverändert als Bauherr” anzusehen. Ähnlich hat der Senat in dem Sonderfall des Urteils II 37/61 vom 13. Dezember 1961 (HFR 1962, 109) der Weiterübertragung des von vornherein für den Erwerber und seine kinderreiche Familie bestimmten Gebäudes auf die Ehefrau – unter Bezugnahme auf das o. a. Urteil II 151/59 U – hervorgehoben, daß der Erwerber das Grundstück nicht eher aus der Hand geben dürfe, als bis der Zweck des Gesetzes – die Schaffung steuerbegünstigter Wohnungen – von ihm verwirktlicht sei und daß in jenem Fall die Übertragung des Grundstücks auf die Ehefrau noch vor Bezugsfertigwerden unschädlich sei, weil eine Umgehung oder Vereitelung des Gesetzeszwecks nicht in Betracht komme. Ähnlich war der Fall des Urteils II 19/62 vom 16. Oktober 1963 (HFR 1964, 261) zu beurteilen, in dem der Ehemann die ideelle Grundstückshälfte seiner Ehefrau geschenkt hatte.
Besondere Umstände solcher Art sind für den Streitfall aber nicht ersichtlich. Maßgebend muß hier angesichts der erkennbaren Umstände zunächst der allgemeine Erfahrungssatz bleiben, daß ein Grundstück in der Regel in dem Zustand veräußert wird, in dem es sich im Zeitpunkt der Veräußerung befindet und daß dementsprechend im Falle der Weiterveräußerung auch derjenige Bauherr ist, der ein Grundstück als Eigentümer übernommen hat.
Daran vermag auch die bloße Vornahme eines „Kaufanwartschaftsvertrags” nichts zu ändern, den der Grundstückserwerber mit dem Veräußerer am 4. April 1969 – nach dem Zeitpunkt der Nachversteuerung – über das Kaufeigentum „ohne Grundstück” abgeschlossen hat. Abgesehen davon, daß der Vertrag über den Erwerb des unbebauten Grundstücks schon mehr als ein Jahr zuvor abgeschlossen und die Auflassung ebenfalls bereits etwa ein Jahr zuvor erklärt waren, der Erwerber also ohnehin Eigentümer auch des zu errichtenden Gebäudes werden mußte (§§ 93, 94 BGB), kann jedenfalls für dieses Aussetzungsverfahren dahingestellt bleiben, welcher Rechtsnatur der Vertrag vom 4. April 1969 ist. Dieser Vertrag selbst enthält nämlich keine Anhaltspunkte dafür, weshalb der Beschwerdeführer (nur, weil er früher Eigentümer war und Architekt ist, demgegenüber nach dem Kaufvertrag aber Betreuer werden sollte) wirklich Bauherr hinsichtlich des ihm nicht mehr gehörigen Grundstücks geworden sein sollte. In diesem Aussetzungsverfahren, in dem nur präsente Beweismittel zu berücksichtigen sind (BFH-Beschluß II B 17/68 vom 23. Juli 1968, BFH 92, 440, BStBl II 1968, 589), hat der Beschwerdeführer keine einleuchtenden Gründe dafür dargetan oder glaubhaft gemacht, die die behauptete Bauherreneigenschaft anhand einzelner notwendiger Umstände (vgl. hierzu BFH-Urteil II 102/63 vom 28. November 1967, a. a. O.) zu belegen geeignet wären.
Fundstellen
Haufe-Index 557431 |
BStBl II 1970, 66 |
BFHE 1970, 193 |