Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht, Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
In der Pfändungsverfügung ist die zu vollstreckende Forderung nach Grund und Beträgen und bei Steuern, die für bestimmte Zeiträume erhoben werden, nach Zeiträumen zu bezeichnen. Eine lediglich summarische Angabe des Steuerbetrages unter Beifügung der Steuerart genügt insoweit nicht.
Normenkette
AO § 123 Abs. 1; ErbStG 2009 § 13a Abs. 4; BeitrO § 69 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
Mit Pfändungsverfügung vom 18. August 1960 pfändete das Finanzamt wegen "Umsatzsteuer 5.500 DM" und Kosten eine der Bgin. zustehende Forderung aus Hinterlegung einer Kaution. Auf die Beschwerde gemäß § 18 Buchst. c der Verordnung Nr. 175 der Militärregierung Deutschland - Britisches Kontrollgebiet - hin hob das Finanzgericht die Pfändungsverfügung auf, weil sie nicht genau erkennen lasse, wegen welcher Forderung vollstreckt werden solle. Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, daß die genaue Bezeichnung des Schuldgrundes in Pfändungsverfügungen aus Gründen der Rechts- und Verkehrssicherheit erforderlich sei.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts den Mangel der Prozeßführungsbefugnis durch den einen Gesellschafter. Dieser habe die Beschwerde allein erhoben. Er sei aber vor dem Finanzgericht nur mit dem anderen Gesellschafter gemeinschaftlich vertretungsbefugt gewesen. Im übrigen wird eingewendet, daß nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 der Beitreibungsordnung (BeitrO) die Pfändungsverfügung neben der Bezeichnung des geschuldeten Geldbetrages nur die Angabe des Schuldgrundes (z. B. der Steuerart), nicht aber die Angabe des Zeitabschnittes, für den die Steuer geschuldet sei, enthalten müsse. Auch der vom Finanzgericht herausgestellte Gesichtspunkt der Rechts- und Verkehrssicherheit erfordere die Angabe des Entstehungsjahres der Schuld nicht. Die dem Vollstreckungsschuldner monatlich zugehenden, mit allen erforderlichen Erläuterungen versehenen Kontoauszüge gäben ihm die ihn betreffende Buchführung der Kasse lückenlos wieder. Er werde darüber hinaus laufend darauf hingewiesen, welche Rückstände er bei den einzelnen Steuerarten habe und wie sich diese durch Zahlungen oder sonstige Sollminderungen veränderten. Der Vollstreckungsschuldner könne daher jederzeit feststellen, wie die als Rückstände ausgewiesenen Gesamtbeträge je Steuerart entstanden seien. Da ihm mithin die in der Pfändungsverfügung des Finanzamts ausgewiesenen Steuerforderungen bekannt seien, bedürfe es keiner Bezeichnung der einzelnen Entstehungszeiträume.
Auch schutzwürdige Interessen des Drittschuldners würden durch die kassenmäßige Zusammenfassung der Steuerschulden des Vollstreckungsschuldners zu Gesamtbeträgen nicht verletzt. Bei den nach dem maschinellen Buchungsverfahren arbeitenden Finanzämtern sei durch mehrere Maßnahmen sichergestellt, daß die Zahlungen des Drittschuldners nur auf die in der Pfändungsverfügung bezeichnete Forderung und nicht etwa auf andere Schulden des Vollstreckungsschuldners verrechnet würden. Im übrigen würde bei einer nachträglichen Aufgliederung der kassenmäßig zusammengefaßten Forderungen nach Einzelforderungen je Zeitabschnitten der gesamte beim Lochkartenverfahren erzielte Rationalisierungseffekt zunichte gemacht werden.
Das Finanzamt hat die streitige Pfändungsverfügung während des Rechtsbeschwerdeverfahrens am 9. Juni 1961 aufgehoben, da sich ergeben hatte, daß die hinterlegte Sicherheit in Anspruch genommen worden war.
Entscheidungsgründe
Die Hauptsache ist somit erledigt, weil die streitige Pfändungsverfügung während des Laufes des Rechtsbeschwerdeverfahrens vom Finanzamt aufgehoben worden ist. Es ist daher über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist dabei über die Kosten so zu entscheiden, wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn die Hauptsache nicht ihre Erledigung gefunden hätte (vgl. die im Urteil I 203/60 U vom 31. Juli 1963, BStBl 1963 III S. 441, zitierte Rechtsprechung).
Die streitige Pfändungsverfügung ist gegen eine OHG ergangen. Die OHG wird im Prozeß durch ihre Gesellschafter als gesetzliche Vertreter vertreten. Der Umfang der Vertretungsmacht bestimmt sich nach dem bürgerlichen Recht (§ 51 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Nach § 125 HGB ist jeder Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt, wenn er nicht durch den Gesellschaftsvertrag von der Vertretung ausgeschlossen ist. Im Streitfall ist nach Einlegung der Beschwerde durch den einen Gesellschafter die Vertretungsmacht in der Weise geregelt worden, daß die beiden Gesellschafter nur noch gemeinsam vertretungsberechtigt sind. Soweit demnach der Rechtsstreit von da an von dem einen Gesellschafter allein geführt worden war, hat ein Mangel in der Vertretungsmacht vorgelegen, der von Amts wegen zu berücksichtigen war (§ 56 ZPO). Dieser Mangel ist aber dadurch geheilt worden, daß der andere Gesellschafter durch seinen Bevollmächtigten während des Laufes des Rechtsbeschwerdeverfahrens sein Einverständnis zur Prozeßführung gegeben hat (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 9. Aufl., § 51 I, III, 3).
Mit Recht hat das Finanzgericht die Auffassung vertreten, daß das Finanzamt mit dem Ausdruck "Umsatzsteuer 5.500" die Forderung, derentwegen gepfändet worden ist, nicht genügend genau bezeichnet hat.
Das Beitreibungsverfahren der AO ist dem Zwangsvollstreckungsverfahren der ZPO nachgebildet, soweit sich nicht aus der Identität von Staatsgewalt und Gläubiger Abweichungen ergeben (Becker, Die Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., S. 843). Eine Folge dieser Identität von Staatsgewalt und Gläubiger ist, daß es im Steuerbeitreibungsrecht im Gegensatz zum Zwangsvollstreckungsverfahren der ZPO einen Vollstreckungstitel nicht gibt. Das Finanzamt stellt den materiellen, zu vollstreckenden Anspruch selbst fest und vollstreckt auch selbst durch seine Vollstreckungsstelle und seine Vollziehungsbeamten. Damit hat das Finanzamt im Interesse der Allgemeinheit wichtige, einschneidende Rechte, die aus dem Wesen der Besteuerung herzuleiten sind (vgl. Mattern, Deutsche Steuer-Zeitung 1959 S. 353). Dem Finanzamt ist demnach im Vergleich zu dem Vollstreckungsgläubiger im Zwangsvollstreckungsverfahren der ZPO eine stärkere Rechtsstellung eingeräumt. Das Beitreibungsverfahren bedeutet andererseits einen einschneidenden Eingriff in die Rechtssphäre des Vollstreckungsschuldners. Gerade im Hinblick darauf enthält das Zwangsvollstreckungsverfahren der ZPO zugunsten des Vollstreckungsschuldners verschiedene Sicherungen hinsichtlich des zu vollstreckenden Anspruchs, nämlich Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung (§ 724 ZPO), Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher unter übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung (§ 754 ZPO), bei Pfändung von Forderungen schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellten Antrag des Vollstreckungsgläubigers unter Beifügung einer Ausfertigung des Vollstreckungstitels mit Zustellungsnachweis (§ 829 ZPO). Im Zwangsvollstreckungsverfahren der ZPO ist daher im Interesse des Vollstreckungsschuldners und zu dessen Rechtsschutz sichergestellt, daß nur wegen eines bestimmten vollstreckbaren Anspruchs, der durch Vorlage des vollstreckbaren Titels nachgewiesen wird, vollstreckt werden kann. Dieser weitgehenden Sicherungen entbehrt naturgemäß und entsprechend dem Wesen des Steuerbeitreibungsrechts der Vollstreckungsschuldner im Steuerrecht. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß im Steuerbeitreibungsrecht als teilweiser Ausgleich gegenüber den Sicherungen des Zwangsvollstreckungsverfahrens der ZPO wenigstens der beizutreibende Anspruch in der Pfändungsverfügung genau bezeichnet wird. Dies ist im Interesse des Schutzes des Vollstreckungsschuldners gegenüber ungerechtfertigten Vollstreckungsmaßnahmen sogar erforderlich. Der Schuldner muß wissen, wegen welcher zeitlich abgegrenzter Ansprüche gegen ihn vollstreckt wird, weil es ihm erst dadurch ermöglicht wird, Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch geltend zu machen, z. B. sich auf Aufrechnung, Stundung oder Vollziehungsaussetzung wegen eines schwebenden Rechtsmittelverfahrens zu berufen, wobei die Rechtslage hinsichtlich dieser Einwendungen für die jeweils in bestimmten Zeitabschnitten entstandenen Steueransprüche verschieden sein kann. Erst durch die genaue Bezeichnung der nach Zeitabschnitten zusammengefaßten einzelnen Ansprüche läßt sich im Falle freiwilliger Zahlung das Recht des Vollstreckungsschuldners verwirklichen, zu bestimmen, welche Schuld von mehreren Schulden durch die Zahlung getilgt werden soll (§ 123 Abs. 1 AO). Diesem rechtlichen Interesse des Vollstreckungsschuldners an einer möglichst genauen Bezeichnung der zu vollstreckenden Ansprüche nach Zeitabschnitten steht kein gleichwertiges rechtliches Interesse der Behörde an einer Unterlassung einer solchen Bezeichnung in der Pfändungsverfügung gegenüber. Den vom Vorsteher des Finanzamts angeführten Erwägungen über Arbeitsersparnis bei einer pauschalierten Angabe der beizutreibenden Forderung kann gegenüber den rechtlichen Gesichtspunkten eine ausschlaggebende Bedeutung nicht beigemessen werden. Es ist im Gegenteil davon auszugehen, daß vor Erlaß einer Pfändungsverfügung durch die Bezeichnung der einzelnen, nach Zeitabschnitten zusammengefaßten rückständigen Forderungen die Verwaltung eine Selbstkontrolle über deren Vollstreckbarkeit ausübt. Dagegen läßt sich nicht einwenden, daß der Vollstreckungsschuldner auf Grund der Kontoauszüge jederzeit nachprüfen kann, welche Rückstände er bei den einzelnen Steuerarten hat. Selbst wenn er dies kann, ist dies ohne Bedeutung. Es kommt nämlich darauf an, wegen welcher Rückstände gepfändet wird. Denn es kann sein, daß Rückstände der gleichen Steuerart vorliegen, aber nicht wegen aller dieser Rückstände im Einzelfall gepfändet wird. Auch im Zwangsvollstreckungsverfahren der ZPO weiß der Vollstreckungsschuldner auf Grund des ergangenen Urteils, das sich in seinen Händen befindet, welche Leistung er schuldet. Es ist vielmehr ein allgemeiner Grundsatz für die Rechtswidrigkeit einer Verfügung, daß die darin geforderten Leistungen mit größtmöglicher Genauigkeit bezeichnet werden müssen. Die genaue Bezeichnung der zu vollstreckenden Forderung ist auch für den Drittschuldner von Bedeutung, weil sich aus der Höhe der noch bestehenden und zu vollstreckenden Forderung der Umfang des Pfändungspfandrechts hinsichtlich der zu pfändenden Forderung ergibt. Zahlungen des Drittschuldners dürfen nur auf die zu vollstreckende Forderung und nicht etwa auch auf andere Schulden des Vollstreckungsschuldners verrechnet werden.
Aus diesen allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Erwägungen ergibt sich, daß die Bestimmung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 BeitrO, wonach die Pfändungsverfügung die Bezeichnung des geschuldeten Geldbetrages und die Angabe des Schuldgrundes (z. B. der Steuerart) enthalten muß, so verstanden werden muß, daß der geschuldete Geldbetrag bei Veranlagungsteuern nach den für die einzelnen Steuerarten üblichen Veranlagungszeiträumen zu bezeichnen ist, weil deren Ablauf entweder für die Entstehung der Steuerschuld (vgl. § 3 Abs. 5 StAnpG) oder aber für deren Berechnung maßgebend ist (§ 11 UStG). Von einer solchen Auffassung geht auch überwiegend das Schrifttum aus (vgl. Liman-Schwarz, Das Steuerbeitreibungsrecht, 3. Aufl., § 69 Anm. 5; Mattern, Das Steuergeheimnis, S. 28; derselbe, Der Betriebs-Berater 1955 S. 645, 648; Müller, Das Beitreibungsrecht der Finanzverwaltung, 3. Aufl., S. 89, Anm. 89; derselbe, Deutsche Steuer-Zeitung 1951 S. 105, 106). Diese Auffassung kommt auch in dem Urteil des Bundesfinanzhofs II 92/55 U vom 17. Oktober 1956 (BStBl 1957 III S. 80, Slg. Bd. 64 S. 210) zum Ausdruck.
Die vom Finanzamt vorgenommene Bezeichnung der zu vollstreckenden Forderung mit "Umsatzsteuer 5.500" erfüllt die angeführten Anforderungen für die Bezeichnung der zu vollstreckenden Steuerforderung nicht. Die Pfändungsverfügung des Finanzamts ist daher insoweit fehlerhaft und deshalb vom Finanzgericht mit Recht aufgehoben worden. Unter diesen Umständen hätte aber die Rb. gegen die Entscheidung des Finanzgerichts keinen Erfolg haben können, so daß die Kosten der Rb. dem Bund aufzuerlegen waren (§ 309 AO).
Fundstellen
BStBl III 1964, 22 |
BFHE 1964, 59 |
BFHE 78, 59 |
StRK, AO:361 R 5 |
NJW 1964, 839 |