Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs
Leitsatz (NV)
1. Die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG setzt voraus, dass Bindungen von grunderwerbsteuerrechtlicher Bedeutung zwischen den am Erwerbsvorgang Beteiligten nicht mehr bestehen bleiben.
2. Eine solche Bindung kann sich aus einer dem Erwerber unabhängig von dem zivilrechtlichen beseitigten Anspruch auf Grundstücksübereignung verbliebenen Rechtsposition ergeben. Eine solche Rechtsposition steht der Rückgängigmachung nicht entgegen, wenn der Erwerber diese bei der Weiterveräußerung nicht ausübt oder insoweit in ausschließlichem Interesse eines Dritten handelt.
Normenkette
GrEStG 1997 § 16 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 16.10.2003; Aktenzeichen 8 K 5058/01 GrE) |
Tatbestand
I. Mit notariell beurkundetem Grundstückskaufvertrag vom 18. Juli 2000 erwarben die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) von dem Verkäufer (V) je 265/1000 Miteigentumsanteile und die G-GmbH die restlichen 470/1000 Miteigentumsanteile an einem unbebauten Grundstück, auf dem die Errichtung eines Vier-Familienhauses beabsichtigt war. Zugunsten der Kläger wurde die Eintragung einer Auflassungsvormerkung beantragt und bewilligt. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die Kläger durch Bescheide vom 7. September 2000 Grunderwerbsteuer von jeweils … DM fest.
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 9. November 2000 hoben die Kläger und V den zwischen ihnen geschlossenen Vertrag vom 18. Juli 2000 auf. Hinsichtlich der Löschungsbewilligungen der für die Kläger eingetragenen Auflassungsvormerkungen war vereinbart, dass diese in gesonderter Urkunde erteilt werden, "verbunden mit der Treuhandauflage an den beurkundenden Notar, von diesen Löschungsbewilligungen nur Gebrauch zu machen, wenn ihm die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises bestätigt oder anderweitig nachgewiesen wird". In derselben Vertragsurkunde erwarb die G-GmbH, deren Kaufvertrag mit V vom 18. Juli 2000 aufrecht erhalten blieb, auch die weiteren 530/1000 Miteigentumsanteile.
Den Antrag der Kläger, die Grunderwerbsteuerbescheide gemäß § 16 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) aufzuheben, lehnte das FA mit der Begründung ab, es liege keine tatsächliche Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags vor. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und führte zur Begründung aus: Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG lägen nicht vor, da V aufgrund der gleichzeitigen Beurkundung der Teilaufhebung des Grundstückskaufvertrags und der Weiterveräußerung an die G-GmbH seine ursprüngliche Rechtsstellung nicht wieder erlangt habe.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger, die einen Verfahrensmangel und Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend machen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher zu verwerfen. Die Begründung der Beschwerde genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach müssen in der Beschwerdeschrift die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision dargelegt werden.
1. Die Begründung für die als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) genügt nicht den Begründungsanforderungen.
Das Beschwerdevorbringen, das FG habe seine Erwägungen zum wirtschaftlichen oder privaten Interesse der Kläger an der Weiterveräußerung auf spekulative Erwägungen gestützt und keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben, enthält keine schlüssige Bezeichnung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Die Vorentscheidung ist zum einen darauf gestützt, dass die Kläger ihre Interessen hinsichtlich der von ihnen erworbenen Miteigentumsanteile haben verwirklichen wollen und verwirklicht hätten. Das FG hat jedoch weiter ausgeführt, dass die von den Klägern mit der Vertragsgestaltung verfolgten Interessen letztlich dahinstehen könnten. Nach der Gestaltung des Vertrags vom 9. November 2000 sei V jedenfalls aufgrund der für die Kläger weiter eingetragenen Auflassungsvormerkung in seiner Verfügungsmöglichkeit beschränkt gewesen. Würdigt man die Vorentscheidung dahin gehend, dass sie insoweit auf mehrere Begründungen gestützt ist, die jede für sich nach Auffassung des FG die Entscheidung tragen, muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO geltend gemacht werden (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 26. Oktober 1998 IX B 132/98, BFH/NV 1999, 355; vom 12. Mai 2000 IV B 74/99, BFH/NV 2000, 1133). Hinsichtlich der den Fortbestand der Auflassungsvormerkung betreffenden (zweiten) Begründung enthält die Beschwerde keine schlüssige Darlegung einer Verletzung rechtlichen Gehörs.
Würdigt man die Vorentscheidung jedoch dahin gehend, dass die Erwägungen des FG zu dem wirtschaftlichen oder privaten Interesse der Kläger nicht entscheidungserheblich waren, fehlt es schon an einem schlüssigen Vortrag, inwiefern das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (dazu Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 49, m.w.N.).
2. Die Rüge der Kläger, die Vorentscheidung weiche von den Senatsentscheidungen vom 4. Dezember 1985 II R 171/84 (BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271) und vom 19. März 2003 II R 12/01 (BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770) ab, ist ebenfalls nicht schlüssig erhoben. Zur Darlegung, es sei eine Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), müssen tragende abstrakte Rechtssätze aus der Vorentscheidung sowie aus den angeblich divergierenden Entscheidungen so einander gegenübergestellt werden, dass eine Abweichung erkennbar wird. Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerde nicht. Es fehlt an der Herausarbeitung eines bestimmten abstrakten und entscheidungserheblichen Rechtssatzes, der von den benannten Divergenzentscheidungen abweichen soll.
Der Senat hat im Übrigen in seinem Urteil in BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271 die Anwendung des § 16 Abs. 1 GrEStG davon abhängig gemacht, dass Bindungen von grunderwerbsteuerrechtlicher Bedeutung nicht mehr bestehen bleiben. Eine solche Bindung kann sich, wie im Urteil in BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770 ausgeführt, auch aus einer dem Erwerber unabhängig von dem zivilrechtlichen beseitigten Anspruch auf Grundstücksübereignung verbliebenen Rechtsposition (z.B. Löschung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Erwerbers) ergeben. Jedoch steht eine solche Rechtsposition der Rückgängigmachung nicht entgegen, wenn der Erwerber diese Rechtsposition bei der Weiterveräußerung nicht ausübt oder insoweit im ausschließlichen Interesse eines Dritten handelt.
Von diesen Grundsätzen ist das FG-Urteil nicht abgewichen. Seine Erwägung, die Kläger hätten im Zusammenhang mit der Weiterveräußerung die ihnen aus der Auflassungsvormerkung zustehende Rechtsposition tatsächlich ausgeübt und damit "die Dinge in der Hand behalten" wollen, weicht nicht von der vorzitierten Senatsrechtsprechung ab. Das FG konnte den in der Treuhandauflage an den beurkundenden Notar enthaltenen Modalitäten der Löschungsbewilligung entnehmen, dass die Kläger im Zusammenhang mit ihrem Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung tatsächlichen Einfluss auf die Weiterveräußerung der Miteigentumsanteile genommen haben.
3. Auch der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 1. Alternative FGO) liegt nicht vor. Mit der Beschwerde wird keine konkrete und bisher ungeklärte Rechtsfrage formuliert. Damit fehlt es an einer ausreichenden Darlegung dieses Zulassungsgrundes.
Fundstellen
Haufe-Index 1392418 |
BFH/NV 2005, 2049 |