Leitsatz (amtlich)
Gibt die Finanzbehörde im Einspruchsverfahren zu erkennen, daß sie die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides nicht aussetzen werde, obwohl ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (für die Dauer des Einspruchsverfahrens) vorliegt, so ist ein beim Gericht gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung auch dann zulässig, wenn er nach Zahlung der Steuer erstmals während der Anhängigkeit einer von der Finanzbehörde eingelegten Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gestellt wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Finanzbehörde ihre ablehnende Haltung geändert hat (Anschluß an BFH-Beschluß vom 8. Juni 1982 VIII B 29/82, BFHE 136, 67, BStBl II 1982, 608).
Normenkette
VGFG-EntlG Art. 3 § 7 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 1
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat durch Urteil vom 22. Oktober 1982, das am gleichen Tage verkündet und den Beteiligten am 24. Februar 1983 zugestellt worden ist, entsprechend dem Klagantrag den vom Antragsteller angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid über 2 800 DM aufgehoben. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 14. März 1983 wegen Nichtzulassung der Revision durch das FG Beschwerde eingelegt. Dieser Beschwerde hat der Senat stattgegeben.
Mit Schriftsatz vom 6. Mai 1983 hat der Antragsteller beim erkennenden Senat beantragt, die Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides auszusetzen.
Die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides (bis zur Entscheidung über den Einspruch) hatte der Antragsteller bereits bei Einlegung des Einspruchs durch Schreiben vom 21. Juli 1981 beantragt. Über diesen Antrag hat der Antragsgegner nicht entschieden, möglicherweise deshalb nicht, weil er bereits am 28. August 1981 den Einspruch als unbegründet zurückwies.
Der Antragsgegner hat durch Verfügung vom 31. Mai 1983 die Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides ausgesetzt und dem erkennenden Senat mitgeteilt, daß die gezahlte Grunderwerbsteuer ohne Sicherheitsleistung erstattet werde. Zugleich hat er beantragt, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unzulässig zu verwerfen, da die Voraussetzungen des Art. 3 § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFG-EntlG) nicht beachtet worden seien.
Der Antragsteller hält demgegenüber den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung für zulässig. Er hat die Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
Entsprechend der Erledigungserklärung des Antragstellers, der sich der Antragsgegner nicht angeschlossen hat, ist festzustellen, daß die Hauptsache (der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung) erledigt ist.
Die Erledigungserklärung des Antragstellers ist nicht etwa wegen Unzulässigkeit des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung unwirksam (vgl. hierzu das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. August 1977 VII R 123/74, BFHE 122, 443, BStBl II 1977, 697).
Allerdings liegen die Voraussetzungen des Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 VGFG-EntlG nicht vor; denn der Antragsgegner hat den von dem Antragsteller während des Einspruchsverfahrens gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht beschieden und somit nicht abgelehnt. Der nunmehr unmittelbar beim erkennenden Senat gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist aber deshalb zulässig, weil der Antragsgegner während des Einspruchsverfahrens zu erkennen gegeben hat, daß er die Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides nicht aussetzen werde. Dies ergibt sich aus folgendem:
Der Antragsteller war während des Einspruchsverfahrens u. a. wegen der Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung beim Antragsgegner vorstellig geworden (vgl. den Aktenvermerk vom 18. August 1981). Der Antragsgegner hatte ihn wegen dieser Frage an die Stadtverwaltung X. verwiesen. Dem Antragsgegner mußte klar sein, daß die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung in den Fällen, in denen die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides nicht ausgesetzt wird, regelmäßig die Zahlung der Grunderwerbsteuer voraussetzt (vgl. § 41 Abs. 2 des früheren Rheinland-Pfälzischen Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG -). Wenn der Antragsgegner bei dieser Sachlage gleichwohl eine Entscheidung über den bei ihm gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unterließ, so läßt sich dieses Verhalten nur dahin deuten, daß er eine positive Entscheidung über den Antrag nicht treffen werde. Der Antragsteller konnte nunmehr unmittelbar beim zuständigen Gericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen.
Daß der Antragsteller einen entsprechenden Antrag beim Gericht während des Einspruchsverfahrens und während des Klageverfahrens nicht stellte, vielmehr die Grunderwerbsteuer zahlte, beeinträchtigte nicht sein Recht, einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nunmehr unmittelbar bei dem mit der Nichtzulassungsbeschwerde des Antragsgegners befaßten Senat zu stellen.
Hat die Finanzbehörde in einem früheren Verfahrensabschnitt zu erkennen gegeben, daß sie die Vollziehung des angefochtenen. Steuerbescheides nicht aussetzen werde, so ist der Weg zum Gericht jederzeit frei. Es gilt nichts anderes als in den Fällen der ausdrücklichen Ablehnung eines Antrages auf Vollziehungsaussetzung durch die Finanzbehörde in einem früheren Verfahrensabschnitt (vgl. hierzu den BFH-Beschluß vom 8. Juni 1982 VIII B 29/82, BFHE 136, 67, BStBl II 1982, 608).
Eine andere Beurteilung könnte allenfalls dann Platz greifen, wenn die Finanzbehörde zu einem späteren Zeitpunkt zu erkennen gibt, daß sie an ihrer früheren Meinung nicht mehr festhält. Hiervon kann jedoch im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Der Antragsgegner hat in der Zeit von der Verkündung des angefochtenen Urteils am 22. Oktober 1982 bis zur Bekanntgabe des Schreibens des Antragstellers vom 6. Mai 1983, mit dem er beim erkennenden Senat die Aussetzung der Vollziehung beantragte, zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, daß er möglicherweise nicht mehr an seiner früheren Auffassung hinsichtlich der Nichtaussetzung der Vollziehung festhalten werde. Dem Antragsgegner wäre ohne weiteres zuzumuten gewesen, seine Bereitschaft zur Aussetzung der Vollziehung zu erklären, als er sich entschloß, wegen der Nichtzulassung der Revision Beschwerde einzulegen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner gemäß § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung zu tragen.
Fundstellen
Haufe-Index 74782 |
BStBl II 1984, 210 |