Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den rechtlichen Anforderungen an den eigenen Hausstand im Rahmen doppelter Haushaltsführung
Leitsatz (NV)
1. Sofern die betreffende Wohnung nicht im Eigentum des Nutzenden steht, erfordert das Innehaben eines eigenen Hausstandes im Rahmen doppelter Haushaltsführung eine geschützte Rechtsposition aufgrund einer gültigen Nutzungsvereinbarung, die bei einer Nachlassimmobilie mit der Erbengemeinschaft getroffen sein muss.
2. Rügeverzicht bei schriftsätzlich angeregter, aber in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragter und dort auch nicht zum Gegenstand einer Aufklärungsrüge gemachter Zeugenvernehmung.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 76
Verfahrensgang
FG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 24.05.2006; Aktenzeichen 1 K 134/03) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) absolvierte von August 1991 bis Juli 1993 eine Banklehre in Rheinland-Pfalz. Danach übte er eine Tätigkeit als Bankkaufmann zunächst bei der Volksbank X und seit dem 1. April 1994 --wie auch während der Streitjahre (1997 bis 2000)-- in A aus. Im April 1998 nahm er eine Wohnung in A. Vier Jahre später zog er in A mit seiner Lebensgefährtin zusammen, mit der er ein im August 2000 geborenes gemeinsames Kind hat. Im Streit ist die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit einer doppelten Haushaltsführung des Klägers in den Streitjahren. Dazu hat er vorgetragen, nach dem Tod seiner Großmutter im Juni 1991 in deren Haus in B im Einverständnis der Erbengemeinschaft einen eigenen Hausstand begründet zu haben.
Wegen zuvor ungeklärter Eigentumsverhältnisse habe ein Mietverhältnis über die Wohnung in B erst zum 1. Dezember 1994 begonnen.
Einspruch und Klage gegen die die steuerliche Anerkennung der doppelten Haushaltsführung versagenden Steuerbescheide blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat sein Urteil darauf gestützt, dass der Kläger bei Aufnahme seiner Berufstätigkeit in A über keinen eigenen Hausstand in B verfügt habe. Zwar könne als wahr unterstellt werden, dass der Kläger dort bereits vor der Arbeitsaufnahme in A gewohnt habe, dies aber nicht aus eigenem oder abgeleitetem Recht. Weder habe zunächst ein Mietvertrag bestanden noch habe die allein zur Nachlassverwaltung befugte Erbengemeinschaft dem Kläger die unentgeltliche Nutzung gestattet. Dass allein die Mutter des Klägers die Wohnungsnutzung bis zum Mietbeginn formlos geduldet habe, habe dem Kläger nicht die erforderliche geschützte Rechtsposition in Bezug auf die Wohnungsnutzung verschafft.
Mit seiner Beschwerde macht der Kläger den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie einen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hält die Beschwerde wegen Nichterfüllung der Darlegungspflichten nach § 116 Abs. 3 FGO für unzulässig.
Entscheidungsgründe
II. Der Senat ist der Auffassung, dass die Beschwerde insoweit zulässig ist, als der Kläger Divergenz des vorinstanzlichen Urteils zu der Entscheidung des Senats vom 4. November 2003 VI R 170/99 (BFHE 203, 386, BStBl II 2004, 16) behauptet, der er den abstrakten Rechtsatz entnimmt, dass es --so sinngemäß-- für das Innehaben eines eigenen Hausstandes nicht auf das Bestehen eines Vertragsverhältnisses über die Wohnung am Lebensmittelpunkt ankomme und dass die Entscheidung des FG diesen Rechtssatz nicht berücksichtigt habe.
Ob die Beschwerde auch im Übrigen zulässig ist, kann dahingestellt bleiben, da sie jedenfalls --insgesamt-- unbegründet ist.
Eine Divergenz der Vorentscheidung zu dem oben zitierten Urteil des Senats besteht nicht. Dieses Urteil stellt darauf ab, ob einem Arbeitnehmer der Hausstand, um den es geht, auch als eigener zugerechnet werden kann. In diesem Zusammenhang hat der Senat die vom Kläger zitierte Aussage getroffen, dass es nicht darauf ankommt, ob die der Wohnungsnutzung zu Grunde liegenden Vereinbarungen dem unter Fremden Üblichen entsprechen. Daraus ist aber ersichtlich, dass der Senat von dem Erfordernis einer Nutzungsvereinbarung (ggf. auch in der Weise einer Duldung) ausgeht, sofern die betreffende Wohnung nicht im Eigentum des Arbeitnehmers steht. Das FG hat sich hierzu nicht in Widerspruch gesetzt, wenn es entscheidend darauf abstellt, dass dem Kläger die Nutzung nicht aufgrund einer geschützten Rechtsposition möglich gewesen sei, da es hierfür an einer Gestattung der dazu allein befugten Erbengemeinschaft gefehlt habe. Das FG verneint damit das Bestehen einer Nutzungsvereinbarung schon dem Grunde nach.
Hiervon ausgehend ist nicht ersichtlich, worin die Divergenz der Vorentscheidung zu den anderen vom Kläger angeführten Entscheidungen (Urteil des Senats vom 14. Oktober 2004 VI R 82/02, BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98; FG Düsseldorf, Urteil vom 29. Juni 2005 13 K 2622/03 E) bestehen soll. Der Kläger hat zwar aus den genannten Entscheidungen zitiert, aber keine abstrakten Rechtssätze bezeichnet und gegenübergestellt, in denen die vermeintlich divergierenden Entscheidungen sich in Anwendung solcher Rechtssätze in entscheidungserheblicher Weise widersprechen würden.
Der vom Kläger gerügte Verfahrensfehler einer vom FG unterlassenen Sachverhaltsaufklärung ist nicht festzustellen. Angesichts der klaren schriftlichen Äußerung der Miterbin Y, der Tante des Klägers, dass sie dem Kläger zu keinem Zeitpunkt das Grundstück in B unentgeltlich überlassen habe, musste sich dem FG eine Vernehmung dieser Miterbin nicht aufdrängen. Da der Kläger zwar zunächst ihre Vernehmung schriftsätzlich angeregt, insoweit aber in der mündlichen Verhandlung keinen Antrag gestellt und auch keine mangelnde Sachaufklärung gerügt hat, kann er sich zur Begründung der Beschwerde nicht auf die Verletzung der Aufklärungspflicht des FG berufen (sog. Rügeverzicht, s. Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz. 33, m.w.N.). Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gestellte Antrag auf Vernehmung der Frau Z als Zeugin bezog sich nach dem Inhalt der Verhandlungsniederschrift auf das tatsächliche Wohnen des Klägers in B zum 1. April 1994 und in der Zeit danach. Das so konkretisierte Beweisthema war nicht beweiserheblich, weil in der Vorentscheidung die tatsächlichen Angaben des Klägers insoweit als wahr unterstellt worden sind, auf die es nach der zutreffenden Rechtsauffassung des FG aber auch nicht ankam.
Fundstellen