Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rüge materiell-rechtlicher Fehler; Beweiswürdigung in der Urteilsbegründung
Leitsatz (NV)
1. Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze, Verkennung der Verteilung der Feststellungslast, Fehler bei der Beweiswürdigung sind regelmäßig materiell-rechtliche Fehler und keine Verfahrensmängel.
2. Gemäß §96 Abs. 1 Satz 3 FGO muß den Urteilsgründen zu entnehmen sein, aufgrund welcher Unterlagen oder Erwägungen der Tatrichter zu den zugrunde gelegten Feststellungen und seinen rechtlichen Folgerungen gelangt ist. Dabei kommen als "Gründe" nur nachvollziehbare, konkrete Gesichtspunkte und Erwägungen in Betracht.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 3 S. 3, § 96 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 76 Abs. 1
Tatbestand
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) erhöhte nach einer Umsatzsteuersonderprüfung den von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erklärten Umsatz für das Streitjahr (1990) um Beträge nicht geklärter Geldzuflüsse und schätzte einen Sicherheitszuschlag von 20 v. H. hinzu. Der Einspruch der Klägerin hatte nur zum Teil Erfolg.
Nach Klageerhebung führte das Finanzgericht (FG) eine Beweisaufnahme durch und vernahm den Ehemann der Geschäftsführerin der Klägerin, der zuvor Angestellter der Klägerin gewesen ist, als Zeugen. Das FG wies die Klage ab. In seinem Urteil stellte das FG fest, daß es der Begründung der Einspruchsentscheidung folge. Das Ergebnis der Beweisaufnahme führe zu keiner anderen Beurteilung.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Klägerin Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängel gemäß §115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Klägerin macht geltend, das FG habe die in §96 Abs. 1 FGO niedergelegten Grundsätze der Beweiswürdigung mißachtet.
a) Hierzu trägt die Klägerin vor, das FG habe gegen die Denkgesetze und allgemeinen Erfahrungssätze verstoßen. Einen Verfahrensmangel legt die Klägerin mit diesem Vorbringen nicht dar; denn Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze sind in der Regel materielle Rechtsfehler und keine Verfahrensmängel (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Rz. 29, m. Nachw.). Dies gilt auch dann, wenn sich ein solcher Verstoß nicht auf die rechtliche Subsumtion, sondern auf die Würdigung von Tatsachen erstreckt (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289; BFH-Beschluß vom 19. August 1992 V B 30/90, BFH/NV 1995, 748).
b) Ferner rügt die Klägerin Verletzung von §96 Abs. 1 Satz 3 FGO. Nach dieser Vorschrift sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Den Urteilsgründen muß zu entnehmen sein, aufgrund welcher Unterlagen oder Erwägungen der Tatrichter zu den zugrunde gelegten Feststellungen und seinen rechtlichen Folgerungen gelangt ist. Dabei kommen als "Gründe" nur nachvollziehbare, konkrete Gesichtspunkte und Erwägungen in Betracht (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §96 FGO Rz. 204, m. Nachw.).
aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin beruht die Würdigung der Zeugenaussage durch das FG auf hinreichend nachvollziehbaren und konkreten Erwägungen. Das FG würdigt die Aussage des Zeugen unter dem Gesichtspunkt, daß er faktisch die Geschäfte der Klägerin geführt hat. Es stellt darauf ab, die Aussage sei an den entscheidenden Stellen unsubstantiiert, d. h. allgemein gehalten, geblieben. Sie sei durch objektive Beweismittel auch nicht nachprüfbar. Dies belegt das FG in seinem Urteil mit ins einzelne gehenden Gründen.
bb) Des weiteren rügt die Klägerin, das FG habe keine Gründe angegeben, warum es hinsichtlich der umstrittenen Zahlungseingänge den Darlehenscharakter verneine. Das FG hat hierzu ausgeführt, daß die Klägerin die Feststellungslast trage. Die mangels Vorlage nachprüfbarer Unterlagen zur Darlehensvereinbarung verbleibenden Unsicherheiten gingen zu Lasten der Klägerin. Auch diese Erwägungen sind hinreichend nachvollziehbar und konkret.
c) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe die Verteilung der Feststellungslast verkannt, macht sie keinen Verfahrensmangel geltend. Die fehlerhafte Beurteilung der Grundsätze über die Verteilung der Beweislast ist ein materiell-rechtlicher Fehler (Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Rz. 28, m. Nachw.).
d) Die Klägerin beanstandet ferner Fehler des FG bei der Beweiswürdigung. Hierzu führt sie aus, das FG habe die von ihr vorgelegten Urkunden, die die Rückforderung des Darlehens durch die Gläubigerin belegen sollten, nicht gewürdigt. Das FG hat diese Urkunden berücksichtigt, wie im Rahmen der Darstellung des Beklagtenvorbringens im Urteil erkennbar wird. Es hat diese Urkunden allerdings nicht in dem von der Klägerin gewünschten Sinne gewürdigt. Mit der Rüge, die Beweiswürdigung des FG sei fehlerhaft, kann ein Verfahrensmangel regelmäßig nicht begründet werden. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Rz. 28).
2. Soweit die Klägerin als Verfahrensmangel rügt, das FG habe den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt, wird sie den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht gerecht. Zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (Vestoß gegen §76 Abs. 1 FGO) hätte sie im einzelnen die ermittlungsbedürftigen Tatsachen, die angebotenen Beweismittel und die Beweisthemen angeben müssen. Ferner war darzulegen, was das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre und weshalb das Urteil des FG -- ausgehend von dessen materiell-rechtlicher Auffassung -- auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann. Diesen Anforderungen entspricht die Rüge nicht.
Fundstellen