Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung; unsachliche Einstellung wegen Verhaltens in Vorprozessen?
Leitsatz (NV)
1. Zweifel des FG an der Wirksamkeit der vom Kläger (Steuerberater) in anderen Verfahren vorgelegten Vollmachten lassen nicht auf eine unsachliche Einstellung gegenüber dem Kläger schließen (Anschluß an BFH-Beschluß vom 10. Oktober 1994 VI B 19/94, BFH/NV 1995, 419).
2. Der Umstand, daß der Berichterstatter sich nach mehrfacher Mahnung zum Zwecke der Sachverhaltsaufklärung an die vertretenen Beteiligten selbst gewandt hat, läßt für sich genommen noch nicht erkennen, daß er den Kläger aus den jeweiligen Prozessen habe "herausdrängen" wollen.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2
Tatbestand
Mit Telebrief vom 2. Juni 1993 haben die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gegen den Einkommensteuerbescheid 1990 Klage erhoben. Mit gerichtlicher Verfügung vom 1. Juli 1993 wurde der Kläger zu 1 aufgefordert, eine Vollmacht (für seine Ehefrau) vorzulegen, den Gegenstand des Klageverfahrens zu bezeichnen, einen Klageantrag zu stellen und die Klage zu begründen. Mit Verfügung vom 17. August 1993 wies der Berichterstatter den Kläger darauf hin, daß er der Verfügung vom 1. Juli nicht vollständig nachgekommen sei und forderte ihn unter Setzung einer Ausschlußfrist auf, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen. Mit Schriftsatz vom 10. September 1993 reichten die Kläger den Klageantrag ein.
Mit einem weiteren Schriftsatz vom 9. September 1993 lehnte der Kläger den Berichterstatter des Finanzgerichts (FG) als befangen ab. Zur Begründung führte er aus, der Berichterstatter versuche seit 1988 ihn, den Kläger, als Prozeßbevollmächtigten aus den jeweiligen Verfahren zu drängen, indem er den Mandanten suggeriere, er sei nicht in der Lage, ordnungsgemäße Vollmachten vorzulegen oder angeforderte Unterlagen beizubringen. Dieser Rachefeldzug sei ausgelöst worden durch einen Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH), mit dem zwar nicht der nunmehr abgelehnte Berichterstatter, wohl aber dessen Senatsvorsitzender für befangen erklärt worden sei. Die Befangenheit zeige sich auch in der Verfügung vom 17. August 1993. Es zeuge von der Voreingenommenheit des Berichterstatters, wenn er eine Ausschlußfrist zur Bezeichnung des "Gegenstandes des Klagebegehrens" setze, obwohl der angefochtene Verwaltungsakt genau bezeichnet sei.
Der abgelehnte Richter hat eine dienstliche Äußerung abgegeben, in der er mitteilte, er halte sich nicht für befangen. Rechtsgrundlage für die Verfügung vom 17. August 1993 sei § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Das FG hat ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger, der das FG nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Vorbringen der Kläger gibt bei vernünftiger und objektiver Betrachtung keinen Anlaß i. S. des § 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Berichterstatters des FG zu rechtfertigen.
Die Kläger haben nicht konkret dargelegt, in welcher Form der Berichterstatter des FG versucht haben soll, den klagenden Ehemann als Prozeßvertreter in anderen Prozessen "aus dem Verfahren zu drängen".
Erst der abgelehnte Richter selbst hat in seiner dienstlichen Äußerung zwei Punkte angesprochen, auf die sich der Vorwurf des Klägers möglicherweise bezieht. Er hat ausgeführt, zum einen habe der 2. Senat des FG Zweifel an der Wirksamkeit der vom Kläger verwendeten formularmäßigen Prozeßvollmachten gehabt. Diese Zweifel hätten sich aus dem BFH-Beschluß vom 9. Februar 1988 III R 180/82 (BFH/NV 1988, 509) ergeben und seien dem Senat ausreichend gravierend erschienen, um sie für eine rechtliche Klärung aufzugreifen. Zum anderen habe er, der Berichterstatter, in Fällen, in denen der Kläger beruflich als Prozeßbevollmächtigter aufgetreten sei und angeforderte Unterlagen auch nach mehrfacher Mahnung nicht vorgelegt habe, sich an die Beteiligten gewendet, um die gesetzlich gebotene Sachverhaltsaufklärung zu betreiben.
Ein Ablehnungsgesuch kann grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, daß von einem Richter im Streitfall selbst oder in einem vorausgegangenen Verfahren unrichtige Entscheidungen in materieller -- oder wie vorliegend geltend gemacht -- in verfahrensrechtlicher Hinsicht getroffen worden seien (vgl. BFH-Beschluß vom 8. Mai 1992 III B 110/92, BFH/NV 1993, 174 m. w. N.). Behauptete Verfahrensverstöße können eine Besorgnis der Befangenheit vielmehr nur dann rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, daß die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruhe (BFH- Beschluß vom 16. Februar 1989 X B 99/88, BFH/NV 1989, 708).
Zweifel des FG an der Wirksamkeit der vom Kläger in anderen Verfahren vorgelegten Vollmachten lassen nicht auf eine unsachliche Einstellung gegenüber dem Kläger schließen (BFH-Beschluß vom 10. Oktober 1994 VI B 19/94, BFH/NV 1995, 419).
Der Umstand, daß der Berichterstatter sich nach mehrfacher Mahnung zum Zwecke der Sachverhaltsaufklärung an die vertretenen Beteiligten selbst gewandt hat, läßt für sich genommen noch nicht erkennen, daß er den Kläger aus den jeweiligen Prozessen habe "herausdrängen" wollen. Auf jeden Fall ist dieses Verhalten des Berichterstatters ungeeignet zur Begründung der Annahme, er werde dem Kläger selbst als Prozeßbevollmächtigtem unsachlich gegenübertreten.
Im übrigen verkennt der Kläger offenbar den Umfang der Mitwirkungspflichten der Beteiligten. Das zeigt sich auch daran, daß er für den Streitfall die Befangenheit des Berichterstatters aus dessen Aufforderung zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens herleiten will. Daß der Gegenstand des Klagebegehrens nicht -- wie der Kläger meint -- mit dem von ihm bezeichneten angefochtenen Verwaltungsakt identisch ist, ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 65 Abs. 1 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 420808 |
BFH/NV 1996, 145 |