Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht bei z.T. selbst genutzter Ferienwohnung
Leitsatz (NV)
1. Ist nach bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend von der Absicht des Steuerpflichtigen auszugehen, einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, so gilt dies bei Ferienwohnungen nur, wenn sie ausschließlich an Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten werden.
2. Fehlt aufgrund einer eingehenden Prognoserechnung des FG die Einkünfteerzielungsabsicht, so ist sie nicht "ungewiss" im Sinne des § 165 Abs. 1 AO, so dass eine vorläufige Steuerfestsetzung von vornherein nicht in Betracht kommt.
3. Ist nach dem BMF-Schreiben vom 23. Juli 1992 (BStBl I 1992, 434) lediglich "grundsätzlich" von einer tatsächlichen Nutzungsdauer von hundert Jahren auszugehen, so soll hiermit dem FA zwar ein für typische Sachverhalte anzuwendender Prognosezeitraum an die Hand gegeben, eine hiervon abweichende Beurteilung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und weiterer Rechtsprechungsentwicklungen jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Normenkette
AO § 165 Abs. 1, § 176 Abs. 2; EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) hervorgehobene Frage, ob der Gradmesser einer steuerlich anzuerkennenden Vermietungstätigkeit allein in der tatsächlichen Vermietung zu ortsüblichen Konditionen oder auch (zusätzlich) im Nichtvorhandensein sonstiger "Indizien" zu sehen ist, ist im Streitfall nicht klärbar. Denn es geht hier nicht um einen Ausnahmefall, in dem die Einkünfteerzielungsabsicht zu überprüfen ist (u.a. dann, wenn die Vermietung nicht den ortsüblichen Vermietungszeiten entspricht), obschon die Typisierungsvoraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in Bezug auf Ferienwohnungen an sich gegeben sind. Es fehlen im Streitfall nämlich schon die Bedingungen, unter denen die Einkünfteerzielungsabsicht typisierend angenommen werden kann.
Ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend von der Absicht des Steuerpflichtigen auszugehen, einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, so gilt dies bei Ferienwohnungen nur, wenn sie ausschließlich an Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten werden (vgl. z.B. das BFH-Urteil vom 19. August 2008 IX R 39/07, BFHE 222, 478, BStBl II 2009, 138, m.w.N.). Eben diese Voraussetzungen hat das Finanzgericht (FG) abgelehnt und ist aufgrund einer den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Würdigung von (unstreitigen) Beweisanzeichen zu dem Ergebnis gelangt, die Badehütte, um die es hier geht, werde auch von den Klägern selbst genutzt.
Muss die Einkünfteerzielungsabsicht im Streitfall überprüft werden, geschieht dies aufgrund einer Prognose (grundlegend BFH-Urteil vom 6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, m.w.N.), also durch eine in die Zukunft gerichtete Beurteilung. Hiervon ist die Rechtsprechung stets ausgegangen (vgl. eingehend den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. IV. 3. c bb (1), m.w.N.). Wenn die Kläger im Hinblick auf § 165 der Abgabenordnung (AO) eine retrospektive Betrachtungsweise bevorzugen, so übersehen sie, dass aufgrund der eingehenden Berechnungen des FG das Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht gar nicht "ungewiss" i.S. des § 165 Abs. 1 AO ist. Deshalb kommt eine vorläufige Steuerfestsetzung von vornherein nicht in Betracht.
Auf Vertrauensschutz können sich die Kläger mit Blick auf § 176 Abs. 2 AO nicht berufen. Zwar ist das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 23. Juli 1992 (BStBl I 1992, 434) durch das die neuere Rechtsprechung umsetzende BMF-Schreiben vom 8. Oktober 2004 (BStBl I 2004, 933, vgl. insbesondere Tz. 41) aufgehoben worden. Indessen gewährt § 176 Abs. 2 AO dem Steuerpflichtigen nur Schutz im Hinblick auf die fortdauernde Geltungskraft von Verwaltungserlassen. Nur dann, wenn der Wegfall einer Verwaltungsvorschrift für die Änderung des Steuerbescheides ursächlich wäre, soll eben diese Änderung unterbleiben (BFH-Urteil vom 11. Oktober 1988 VIII R 419/83, BFHE 155, 298, BStBl II 1989, 284). Im Streitfall soll nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 1992, 434, auf das sich die Kläger beziehen, lediglich "grundsätzlich" von einer tatsächlichen Nutzungsdauer von hundert Jahren auszugehen sein. Entsprechend dem allgemeinen Sprachverständnis soll hiermit dem FA zwar ein für typische Sachverhalte anzuwendender Prognosezeitraum an die Hand gegeben, eine hiervon abweichende Beurteilung --z.B. wie hier bei Ferienwohnungen-- aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und weiterer Rechtsprechungsentwicklungen jedoch nicht ausgeschlossen werden.
2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen. Aus den Gründen zu 1. ist eine Rechtsfortbildung nicht angezeigt und auch nicht möglich. Das FG ist ferner nicht von der Rechtsprechung des BFH abgewichen, hat diese vielmehr zutreffend zugrunde gelegt. Eine Divergenz der beiden Rechtssätze, die die Kläger hervorheben, besteht nicht. Der erste Rechtssatz betrifft den Ausnahmefall einer den ortsüblichen Vermietungszeiten widersprechenden Vermietung, der ein Beweisanzeichen (gegen die Einkünfteerzielungsabsicht) bildet, um auf dieser Grundlage die Einkünfteerzielungsabsicht zu allererst prüfen zu können. Im Streitfall geht es aber um eine Ferienwohnung, die nach den Wertungen der Vorinstanz teilweise selbst genutzt wird und in Bezug auf die Überschusserzielungsabsicht stets zu prüfen ist. Zur Begründung dieser Wertung bezieht sich das FG zutreffend auf die Nähe zum Wohnort der Kläger (in der Beschwerdebegründung als "Rechtssatz" bezeichnet, der von dem ersten Rechtssatz abweichen soll), die es neben weiteren unstreitigen Beweisanzeichen zur Begründung seiner Überzeugung verwertet, auch die Kläger selbst hätten in dem Haus gewohnt.
3. Das FG hat nicht verfahrensfehlerhaft geurteilt. Soweit die Kläger geltend machen, das FG habe einen Beweisantrag übergangen oder (einen Beweis) vorweggenommen gewürdigt, ist jedoch zu berücksichtigen, dass das FG zugunsten der Kläger von einer (zu beweisenden) Nutzbarkeit des Hauses lediglich von Mai bis Oktober ausgeht. Das FG hat auch das rechtliche Gehör der Kläger nicht verletzt oder den Akteninhalt außer Acht gelassen. Im Gegenteil beruhen seine indiziellen Würdigungen auf aktenkundigen Tatsachen.
Fundstellen
Haufe-Index 2258045 |
BFH/NV 2010, 36 |