Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bei bereits geklärter Rechtsfrage
Leitsatz (NV)
1. Eine durch den BFH bereits geklärte Rechtsfrage ist regelmäßig nicht mehr klärungsbedürftig und kann somit keine grundsätzliche Bedeutung mehr haben. Etwas anderes kann gelten, wenn gewichtige neue rechtliche Gesichtspunkte in der Rechtsprechung oder in der Literatur vorgetragen worden sind, die der BFH noch nicht geprüft hat.
2. In diesem Fall hat der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der (schon entschiedenen) Rechtsfrage umstritten und inwiefern sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden ist. Dazu ist es erforderlich, daß der Beschwerdeführer ausgehend von der Entscheidung des BFH im einzelnen in der Beschwerdeschrift konkret darlegt, welche neuen gewichtigen rechtlichen Gesichtspunkte zu der aufgezeigten Rechtsfrage in welcher Entscheidung der Finanzgerichte und/oder der Literatur vorgetragen werden, die der BFH bisher noch nicht geprüft hat.
3. Durch die Rechtsprechung des BFH ist geklärt, daß erbschaftsteuerrechtlicher Tatbestand der Erwerb ,,durch Erbanfall" und nicht der Erwerb ,,aufgrund" eines Erbfalls, also des Ergebnisses der Abwicklung des Erbfalls, ist.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 3 S. 3; ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 12
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Der Kläger hat die von ihm behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend substantiiert dargelegt i. S. v. § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Eine durch den BFH geklärte Rechtsfrage ist regelmäßig nicht mehr klärungsbedürftig und kann somit keine grundsätzliche Bedeutung mehr haben (vgl. Beschluß des Bundessozialgerichts - BSG - vom 22. Juli 1988 7 BAr 104/87, Sozialrecht 1500, § 160 a SG Nr. 65). Eine Ausnahme von dieser Regel gilt dann, wenn gewichtige neue rechtliche Gesichtspunkte in der Rechtsprechung oder in der Literatur vorgetragen worden sind, die der BFH noch nicht geprüft hat (vgl. Klein / Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof Rz. 159). In diesem Fall hat der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung dieser (schon entschiedenen) Rechtsfrage umstritten und inwiefern sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden ist. Dazu wäre es erforderlich gewesen, daß der Kläger ausgehend von der Entscheidung des BFH im einzelnen in der Beschwerdeschrift konkret darlegt, welche neuen gewichtigen rechtlichen Gesichtspunkte zu der aufgezeigten Rechtsfrage in welcher Entscheidung der Finanzgerichte (FG) und/oder der Literatur vorgetragen werden, die der BFH bisher noch nicht geprüft hat. Der Hinweis, daß ein bestimmtes BFH-Urteil allgemein auf Kritik gestoßen sei, genügt, auch wenn Literaturstellen angegeben werden, aus der sich der Inhalt der Kritik ergeben soll, nicht als Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Nicht ausreichend ist, daß es dem BFH möglich wäre, Gegenstand und Aussage der Kritik herauszufinden. Dies ist mit dem in § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO normierten Begründungszwang nicht vereinbar (vgl. BFH-Beschluß vom 8. Dezember 1989 V B 59/89, BFH/NV 1990, 654).
2. Diesen Begründungserfordernissen genügt im Streitfall die Beschwerdeschrift nicht.
a) Die vom Kläger in der Beschwerdeschrift aufgeworfene Rechtsfrage, ob steuerlich eine andere Erbquote zugrundezulegen ist, wenn die Erben eindeutig darlegen, daß der Inhalt des Erbscheins unrichtig ist, ist, wie sich aus dem BFH-Urteil vom 17. August 1962 VI 70/61 U (BFHE 75, 487, BStBl III 1962, 444) ergibt, eindeutig geklärt. Nach dieser Entscheidung ist der Erbschein nicht schlechthin bindend für die Finanzbehörden. Nachdem das o. a. Urteil in der Beschwerdebegründung überhaupt nicht erwähnt wurde, ist nicht dargelegt, weshalb die aufgezeigte Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Das klägerische Vorbringen in diesem Zusammenhang - das FG habe verkannt, daß er aufgrund der letztwilligen Verfügung der Erblasserin tatsächlich Vermächtnisnehmer und nicht Erbe des ihm zugewiesenen Grundbesitzes gewesen sei - geht dagegen im wesentlichen dahin, das FG habe den Streitfall falsch entschieden. Damit wird jedoch kein Grund zur Zulassung der Revision i. S. von § 115 Abs. 3 FGO dargelegt.
b) Die weitere, vom Kläger in der Beschwerdeschrift aufgeworfene Rechtsfrage, ob verbindliche Teilungsanordnungen des Erblassers entgegen der Entscheidung des erkennenden Senats vom 10. November 1982 II R 85-86/78 (BFHE 137, 500, BStBl II 1983, 329) bei der Besteuerung des Erbanfalls des einzelnen Miterben zu berücksichtigen sind, ist nicht schlüssig gerügt. Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Niedersächsischen FG vom 8. Februar 1989 III 147/86 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1989, 464) bezieht, wäre es zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung erforderlich gewesen, auf die konkreten Umstände hinzuweisen, aus denen sich aus dieser Entscheidung die Kritik und der Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats zu der hier streitigen Rechtsfrage ergeben soll. Dies gilt auch, soweit der Kläger rügt, das BFH-Urteil in BFHE 137, 500, BStBl II 1983, 329 habe in der Literatur (vgl. Flume, Der Betrieb - DB - 1983, 2271; Moench, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1985, 592; Kapp, Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 3 des Erbschaftsteuergesetzes - ErbStG - Rz. 129, 3) Kritik erfahren.
Die Beschwerdeschrift enthält keine derartigen substantiierten Darlegungen. Abgesehen davon behandeln die beiden oben erwähnten Entscheidungen unterschiedliche Rechtsfragen. Der erkennende Senat hat mit seinem Urteil in BFHE 137, 500, BStBl II 1983, 329 die Frage entschieden, daß erbschaftsteuerrechtlicher Steuertatbestand der Erwerb ,,durch Erbanfall" und nicht der Erwerb ,,aufgrund" eines Erbfalles, d. h. das Ergebnis der Abwicklung des Erbfalles, ist. Das Niedersächsische FG in EFG 1989, 464 hatte dagegen die Frage zu entscheiden, ob sich bereits die ,,Erbquote" infolge verbindlicher Teilungsanordnung ,,verschieben" kann. Das klägerische Vorbringen in diesem Zusammenhang geht ausschließlich dahin, daß er das Ergebnis der Abwicklung des Erbfalls der Besteuerung zugrunde legen will. Daß dies nicht zulässig ist, ist durch die Senatsentscheidung in BFHE 137, 500, BStBl II 1983, 329 zum einen geklärt und wird auch durch die Entscheidung des Niedersächsischen FG in EFG 1989, 464 in dieser Form nicht in Frage gestellt. Soweit der Kläger ohne nähere Begründung darauf hinweist, das BFH-Urteil habe in der Literatur (Flume, a. a. O.; Moench, a. a. O.; Kapp a. a. O.) Kritik erfahren, genügt auch dies nicht als Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 654). Unabhängig davon, daß lediglich dem Aufsatz von Flume, a. a. O., die behauptete Kritik zu entnehmen ist, trägt der Kläger keine gewichtigen neuen Gesichspunkte oder Argumente vor, mit denen sich der Senat bisher noch nicht auseinandergesetzt hat und die im Interesse der Allgemeinheit eine erneute Klärung Überprüfung in einem Revisionsverfahren notwendig erscheinen ließen.
Fundstellen
Haufe-Index 418236 |
BFH/NV 1992, 676 |