Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsverjährung eines Verlustfeststellungsbescheids nach § 10d EStG; Bedeutung i.S.v. § 181 Abs. 5 AO; zur verjährungshemmenden Wirkung einer Prüfungsanordnung
Leitsatz (NV)
1. Nach der BFH-Rechtsprechung ist die Frage der Feststellungsverjährung betreffend den verbleibenden Verlustabzug nach § 10d EStG gesondert von der Festsetzungsverjährung der jeweiligen Einkommensteuer-Veranlagung zu prüfen. Dem Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids nach § 10d EStG steht jedoch solange keine Feststellungsverjährung entgegen, als diese Feststellung für künftige Einkommensteuerfestsetzungen oder Verlustfeststellungen nach § 10d EStG von unmittelbarer oder mittelbarer Bedeutung i.S. des § 181 Abs. 5 AO ist.
2. Die verjährungshemmende Wirkung einer Prüfungsanordnung nach § 171 Abs. 4 AO erstreckt sich nicht auch auf gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO gesondert festzustellende Besteuerungsgrundlagen.
Normenkette
AO § 171 Abs. 4, § 180 Abs. 1 Nr. 2a, § 181 Abs. 5; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 118 Abs. 2; EStG § 10d Abs. 4 Sätze 3-4
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 25.11.2009; Aktenzeichen 3 K 117/06) |
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde ist unbegründet. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben.
Rz. 2
1. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist nicht erforderlich. Eine Divergenz liegt nur vor, wenn das Finanzgericht (FG) bei einem gleich oder ähnlich gelagerten Sachverhalt in einer bestimmten entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der --dieselbe Rechtsfrage betreffenden-- Rechtsauffassung eines anderen Gerichts abweicht (z.B. BFH-Beschluss vom 14. Oktober 2009 IX B 105/09, BFH/NV 2010, 443, unter 1., m.w.N.), also eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen vorliegt.
Rz. 3
a) Im Streitfall ist eine solche Divergenz nicht gegeben. Es mag zutreffen, dass das FG die Frage der Feststellungsverjährung des Bescheids gemäß § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) von der Festsetzungsverjährung für die betreffende Einkommensteuer abhängig gemacht hat; diese mögliche Abweichung ist aber nicht entscheidungserheblich. Zwar hat der BFH in seinem Urteil vom 4. November 1992 XI R 32/91 (BFHE 170, 291, BStBl II 1993, 425; in der neueren Rechtsprechung z.B. BFH-Urteile vom 10. Juli 2008 IX R 90/07, BFHE 222, 32, BStBl II 2009, 816; vom 19. August 2009 IX R 89/07, BFH/NV 2009, 762; vom 17. September 2009 IX R 70/06, BFHE 223, 50, BStBl II 2009, 897) die Feststellungsverjährung unabhängig von der Festsetzungsverjährung der jeweiligen Einkommensteuer-Veranlagung geprüft. Jedoch hat er für einen zu erlassenden Verlustfeststellungsbescheid nach § 10d EStG solange keine Feststellungsverjährung angenommen, als diese Feststellung für künftige Einkommensteuerfestsetzungen oder Verlustfeststellungen nach § 10d EStG von unmittelbarer oder mittelbarer Bedeutung i.S. des § 181 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) ist (BFH-Urteile vom 12. Juni 2002 XI R 26/01, BFHE 198, 395, BStBl II 2002, 681; in BFHE 223, 50, BStBl II 2009, 897; BFH-Beschluss vom 5. November 2009 IX B 96/09, BFH/NV 2010, 386). Im Streitfall war aber --unabhängig davon, dass § 181 Abs. 5 AO keine Ablaufhemmung für die Feststellungsfrist bewirkt-- nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG (s. § 118 Abs. 2 FGO) für das Jahr 1999 die Festsetzungsfrist (für die Einkommensteuer) noch nicht abgelaufen (s. FG-Urteil S. 5, a.E.).
Rz. 4
b) Auch liegt keine erhebliche Abweichung zum Urteil des FG Köln vom 31. August 2000 15 K 6221/95 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 1368, rkr.) vor. Nach dieser Entscheidung erstreckt sich die verjährungshemmende Wirkung einer Prüfungsanordnung nach § 171 Abs. 4 AO nicht auf gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO gesondert festzustellende Besteuerungsgrundlagen (s. BFH-Urteile vom 25. April 2001 I R 80/97, BFH/NV 2001, 1541; vom 4. März 2009 I R 58/07, BFH/NV 2009, 1953; BFH-Beschluss vom 19. Mai 2006 II B 88/05, BFH/NV 2006, 1625). Abgesehen davon, dass es im Streitfall zum einen um eine Verlustfeststellung nach § 10d EStG geht, dass zum anderen entgegen der Ansicht des FG Köln bei der Benennung der "Einkommensteuer" als Gegenstand einer Prüfungsanordnung alle für diese Steuerart maßgebenden Verhältnisse des betreffenden Steuerpflichtigen der Prüfung unterliegen (Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 171 AO Rz 51), also auch --wie vom FG erkannt-- die gesonderte Verlustfeststellung nach § 10d EStG, und dass schließlich die vorliegende Prüfungsanordnung nur die Ehefrau des Klägers als Adressatin ausweist, nicht aber den Kläger --für diesen also keine ablaufhemmende Wirkung auslösen konnte (vgl. dazu BFH-Urteil vom 25. April 2006 X R 42/05, BFHE 212, 421, BStBl II 2007, 220)--, konnte die vom Kläger angegriffene Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d EStG im Streitfall gleichwohl auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist gemäß § 181 Abs. 5 AO erfolgen (s. oben unter a) a.E.).
Rz. 5
2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO und erfordert keine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO. Denn auf die vom Kläger angesprochenen Rechtsfragen kommt es im Streitfall nicht an (s. unter 1. a, b; zur Klärungsfähigkeit und Entscheidungserheblichkeit vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 30, 41).
Rz. 6
Im Übrigen ergeht der Beschluss nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 2350689 |
BFH/NV 2010, 1449 |