Leitsatz (amtlich)
1. Die Kosten eines in der Hauptsache erledigten Verfahrens sind nach § 138 Abs. 1 FGO dem Antragsteller aufzuerlegen, wenn das FA dem Begehren des Antragstellers vor Verfahrensbeginn nicht entsprechen konnte, weil der Antragsteller ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt hatte.
2. Der Antrag auf Erlaß einer Gesamtschuld ist nicht ohne weiteres auch als Aufteilungsantrag nach § 7 Abs. 3 StAnpG aufzufassen.
Normenkette
FGO § 138 Abs. 1; StAnpG § 7 Abs. 3; Auffeilungsverordnung § 1
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer für 1967 bis 1969 zusammenveranlagt worden. Nachdem der Antragsgegner und Beschwerdegegner (FA) rückständige Steuern für diese Jahre angemahnt hatte, stellte der Antragsteller mit Schreiben vom 21. Februar 1974 einen Erlaßantrag, zu dem nach Aufforderung des FA zu Erläuterungen mit Schreiben des Antragstellers vom 8. April 1974 weitere Angaben gemacht wurden. Gegen die Ablehnung des Erlaßantrags erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 15. August 1974 - beim FA eingegangen am 16. August 1974 - Beschwerde und beantragte gleichzeitig eine Aufteilung der Einkommensteuer nach § 7 Abs. 3 StAnpG. Ebenfalls mit Schriftsatz vom 15. August 1974 beantragte der Antragsteller beim FG - dort eingegangen am 16. August 1974 - im Wege der einstweiligen Anordnung eine Aufteilung der Einkommensteuer. Nachdem das FA einen Aufteilungsbescheid erlassen hatte, erklärten die Beteiligten die Hauptsache für erledigt. Durch Beschluß des FG wurden dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt und dazu im wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller habe die Kosten nach § 138 Abs. 1 FGO zu tragen, weil eine Steueraufteilung nach § 7 Abs. 3 St AnpG nur auf Antrag stattfinde und ein entsprechender Antrag erst während des gerichtlichen Verfahrens gestellt worden sei. Ein solcher Antrag könne aus den Schreiben des Antragstellers vom 21. Februar und vom 8. April 1974 nicht herausgelesen werden.
Mit der Beschwerde wendet der Antragsteller sich dagegen, daß er die Kosten tragen soll, und führt dazu aus, zu Unrecht habe das FG angenommen, daß ein Aufteilungsantrag nicht oder zu spät gestellt worden sei. Eines Aufteilungsantrags bedürfe es nicht, wenn ein Antrag des Steuerpflichtigen nur nach Aufteilung der Steuern bearbeitet werden könne. Dies sei hier der Fall, weil ein Erlaßantrag gestellt worden sei und nur die auf den "armen" Steuerpflichtigen entfallenden Steuern hätten erlassen werden können.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, ist unbegründet.
Die Vorentscheidung ist nicht zu beanstanden, wenn sie die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller auferlegt hat und dabei von der Regelung in § 138 Abs. 1 FGO ausgegangen ist. Dieser Vorschrift, nach der die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands zu treffen ist, entspricht es, die Kosten denjenigen tragen zu lassen, der die für einen Erfolg seines Prozeßbegehrens erforderlichen Voraussetzungen erst während des Verfahrens schafft. So wäre es unbillig, die Kosten eines in der Hauptsache erledigten Verfahrens betreffend eine einstweilige Anordnung dem FA aufzuerlegen, wenn das FA dem Begehren des Antragstellers vor Einleitung des Verfahrens nicht entsprechen konnte, weil der Antragsteller ein gesetzlich vorgeschriebenes Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt hatte. Das trifft für den vorliegenden Fall zu, weil das FA vor Eingang des Antrags auf einstweilige Anordnung bei Gericht einen Aufteilungsbescheid nicht erlassen konnte.
Entgegen der Meinung des Antragstellers setzt die Aufteilung der aufgrund einer Zusammenveranlagung entstandenen Gesamtschuld nach § 7 Abs. 3 StAnpG einen Antrag des Gesamtschuldners voraus. Das ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 3 StAnpG und § 1 der Aufteilungsverordnung. Demzufolge wurde auch in der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Entscheidung vom 21. Februar 1961 1 BvL 29/57, 1 BvL 20/60, BVerfGE 12, 151, BStBl I 1961, 55) und des BFH (vgl. Urteil vom 3. April 1964 III 287/60 U, BFHE 79, 502, BStBl III 1964, 414) stets von der Notwendigkeit eines Antrags ausgegangen. Eine Vorschrift, die das FA verpflichtet, die Steuerpflichtigen auf die Möglichkeit einer Aufteilung hinzuweisen, besteht nicht. Auch kann bei fehlendem Hinweis der Zeitpunkt der Antragstellung nicht zurückbezogen werden (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 7 StAnpG, Anm. 5 Abs. 5).
Zutreffend hat das FG im Streitfall das Vorliegen eines Antrags auf Aufteilung der Gesamtschuld nach § 7 Abs. 3 StAnpG vor Beginn des gerichtlichen Verfahrens verneint. Daß die auf einen Steuererlaß gerichteten und damit in Zusammenhang stehenden Schreiben des Antragstellers vom 21. Februar und 8. April 1974 keinen ausdrücklichen Aufteilungsantrag enthielten, ist offensichtlich; an keiner Stelle ist von einer Aufteilung der Steuerschuld die Rede. Die Ausführungen in den beiden genannten Schreiben waren aber auch nicht als ein auf Aufteilung gerichtetes Begehren auszulegen. Angesichts der Vielgestaltigkeit der Verhältnisse läßt sich ein auf Erlaß einer Gesamtschuld gerichteter Antrag nicht ohne weiteres als Aufteilungsantrag nach § 7 Abs. 3 StAnpG auffassen; es ist denkbar, daß der den Erlaß beantragende ebenso wie ein anderer Gesamtschuldner ein Interesse daran hat, daß nicht aufgeteilt wird. Im Hinblick auf diese möglichen Unsicherheiten und auf die Rechtswirkungen eines Aufteilungsantrags - z. B. Rückwirkung des Aufteilungsbescheides ab dem Tag der Antragstellung, § 11 Abs. 1 der Aufteilungsverordnung - ist es gerechtfertigt, eine eindeutige Antragstellung zu verlangen. Ob der Grad der Eindeutigkeit bei einem in Rechtsdingen unerfahrenen Steuerpflichtigen geringer anzusetzen ist, kann hier unerörtert bleiben. Der Antragsteller war bei allen hier bedeutsamen Handlungen durch einen berufsmäßig mit Steuerrechtsfragen befaßten Steuerbevollmächtigten vertreten. Dieser hat aber erstmalig mit Schreiben vom 15. August 1974 klar erkennbar einen Aufteilungsantrag gestellt.
Fundstellen
BStBl II 1976, 572 |
BFHE 1977, 133 |