Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bei mehreren tragenden Urteilsgründen; Bindung des FG an Verwaltungsanweisungen; Neuherstellung eines Gebäudes bei Sanierungsarbeiten; Ausbau
Leitsatz (NV)
- Wirt ein FG-Urteil kumulativ auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich beider Begründungen Zulassungsgründe schlüssig dargelegt werden.
- Es ist grundsätzlich geklärt, ob und inwieweit Steuergerichte an Verwaltungsanweisungen gebunden sind.
- Für die Frage, ob bei umfangreichen Sanierungsmaßnahmen ein neues Gebäude fertiggestellt wird, ist ohne Belang, ob die einzelnen Baumaßnahmen ‐ jeweils für sich betrachtet ‐ als Erhaltungs- oder Herstellungsaufwand zu beurteilen sind. Eine Neuherstellung einer Wohnung kommt nur in Betracht, wenn die Wohnung nach dem Umbau bautechnisch neu ist.
- Eine Förderung als Ausbau oder Erweiterung kann nur der Bauherr, nicht der Erwerber in Anspruch nehmen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 Sätze 1, 3; EigZulG § 9 Abs. 2 S. 2
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben keinen Revisionszulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend den gesetzlichen Voraussetzungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO).
1. Das Finanzgericht (FG) hat sein Urteil auf zwei die Entscheidung jeweils selbständig tragende Begründungen gestützt. Zum einen könnten die Kläger für die von ihnen angeschaffte Wohnung deshalb lediglich den Fördergrundbetrag nach § 9 Abs. 2 Satz 2 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) in Höhe von 2,5 v.H. der Bemessungsgrundlage (höchstens 2 500 DM) jährlich in Anspruch nehmen, weil der Verkäufer in dem im Jahr 1900 errichteten Gebäude keine neue Wohnung hergestellt habe. Vielmehr habe er ―unbeschadet der Frage, ob es sich bei den einzelnen Baumaßnahmen um Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand handle― lediglich eine bereits bestehende Wohnung instand gesetzt und umgebaut. Selbst wenn aber eine neue Wohnung hergestellt worden sei, könnten die Kläger gleichwohl nur die Zulage nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EigZulG beanspruchen, weil zwischen Fertigstellung und Anschaffung mehr als zwei Jahre lägen. Hat das FG ―wie hier― sein Urteil auf mehrere Begründungen gestützt, die die Entscheidung selbständig tragen, ist die Nichtzulassungsbeschwerde nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer zu jeder dieser Begründungen einen Zulassungsgrund form- und fristgerecht darlegt (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH―, z.B. Beschluss vom 30. Januar 2001 VII B 140/00, BFH/NV 2001, 930). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.
2. Die Kläger halten für grundsätzlich klärungsbedürftig (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) die Frage, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) und das FG den Grundsatz der Gleichbehandlung und Einzelfallgerechtigkeit dadurch verletzt hätten, dass sie Verwaltungsauffassungen, die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung dienten, nicht angewendet hätten. Das FA habe im finanzgerichtlichen Verfahren erklärt, bei ordnungsgemäßer Bearbeitung hätte die Verwaltungsauffassung berücksichtigt werden und zum Erfolg der Kläger führen müssen. Das FG habe jedoch statt auf die Verwaltungsauffassung auf die Gesetzeslage verwiesen. Wenn der Umstand Schule mache, dass eine Verwaltung sich nicht an die begünstigenden Verwaltungsanweisungen halten müsse, andererseits eine gerichtliche Überprüfung erfolglos bleibe, sei ein Missbrauch denkbar.
Dadurch ist die grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt. In der Beschwerdebegründung ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzutun, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (z.B. BFH, Beschluss vom 30. Oktober 2002 IX B 129/02, BFH/NV 2003, 328, m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Der Kläger trägt nicht vor, weshalb vor dem Hintergrund der bislang schon vorliegenden Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 20. Oktober 1999 X R 69/96, BFHE 190, 185, BStBl II 2000, 259, m.w.N.) grundsätzlich klärungsbedürftig sein soll, ob es einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Anwendung von Verwaltungsanweisungen gibt. Nach der Rechtsprechung besteht für norminterpretierende Verwaltungsanweisungen keine Bindung der Steuergerichte, dagegen sind zur Selbstbindung führende Billigkeitsregelungen der Verwaltung grundsätzlich auch von den Steuergerichten zu beachten, allerdings nicht im Anfechtungsverfahren, sondern in einem besonderen Verwaltungsverfahren (BFH-Urteil vom 18. November 1998 X R 110/95, BFHE 187, 488, BStBl II 1999, 225).
Im Übrigen bezeichnet der Kläger auch nicht die Verwaltungsvorschrift, von der das FA und FG zu seinen Lasten abgewichen sein sollen. Es ist daher nicht erkennbar, ob die vom Kläger aufgeworfene Frage in einem nachfolgenden Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Der Kläger hat sich zudem weder im Verwaltungsverfahren noch im Klageverfahren auf einen derartigen Anspruch berufen. Vielmehr hat das FA erstmals mit Schriftsatz vom 10. Juli 2001 auf eine für Sachsen geltende Verwaltungsregelung hingewiesen, die aber seines Erachtens nicht einschlägig sei.
3. Die Kläger machen des Weiteren geltend, die Rechtsauffassung des FG, der Verkäufer habe keine neue Wohnung hergestellt, stehe im Widerspruch zu den in jüngster Zeit ergangenen BFH-Urteilen zum sog. anschaffungsnahen Herstellungsaufwand vom 12. September 2001 IX R 39/97 (BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968) und IX R 52/00 (BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966). Es sei unbeachtet geblieben, dass das Gebäude sich nicht im betriebsbereiten Zustand befunden und Gebäudeteile funktional umgestaltet oder neu geschaffen worden seien.
Damit ist eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht hinreichend dargetan. Es mangelt schon an der Gegenüberstellung zweier einander widersprechender Rechtssätze. Darüber hinaus ist nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar, weshalb die genannten BFH-Entscheidungen für den Streitfall bedeutsam sein könnten. Ob die Kläger den Fördergrundbetrag von 5 v.H. (höchstens 5 000 DM) oder 2,5 v.H. (höchstens 2 500 DM) beanspruchen können, hängt nicht davon ab, ob die einzelnen vom Verkäufer durchgeführten Baumaßnahmen ―jeweils für sich betrachtet― als Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand zu beurteilen sind, sondern davon, ob durch die Baumaßnahmen eine neue Wohnung geschaffen wurde.
Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteile vom 11. September 1996 X R 46/93, BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94, und vom 29. Januar 2003 III R 53/00, BFH/NV 2003, 972, m.w.N.) dann zu bejahen, wenn durch die Baumaßnahmen an einem bereits bestehenden Gebäude die alte Bausubstanz so tiefgreifend umgestaltet wird, dass die Wohnung bautechnisch als neu zu bewerten ist. Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat unter Würdigung der Baumaßnahmen im Einzelnen eine Neuherstellung der Wohnung verneint. Es hat sich zudem mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 10. Februar 1998 (BStBl I 1998, 190, Tz. 12 mit Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 181, 294, BStBl II 1998, 94) auseinander gesetzt und ausgeführt, die Voraussetzungen, unter denen aus Gründen der Vereinfachung von einer Neuherstellung auszugehen sei, lägen nicht vor, weil die Baukosten ―unter Abzug des Aufwandes für die typischen Erhaltungsmaßnahmen― nicht höher als der Wert der Altsubstanz gewesen seien.
Da die Kläger zu dieser das Urteil selbständig tragenden Begründung keinen Zulassungsgrund schlüssig dargelegt haben, können auch diejenigen Rügen, die sich mit der Frage beschäftigen, ob die im Jahr 1996 angeschaffte Wohnung erst im Jahre 1994 fertig gestellt wurde, nicht zur Zulassung der Revision führen.
4. Soweit die Kläger geltend machen, es sei grundsätzlich zu klären, ob nicht für die Räume im Obergeschoss, die erst im Jahr 1994 fertig gestellt worden seien, eine Förderung als Anbau oder Erweiterung in Betracht komme, haben die Kläger schon keine über den Einzelfall hinausgehende klärungsbedürftige Rechtsfrage dargetan. Sie machen lediglich geltend, das FG habe sich mit dieser Frage nicht befasst. Nach den Feststellungen des FG wie auch nach ihrem eigenen Vortrag haben sie die Räume im Obergeschoss nicht selbst ausgebaut, sondern nach deren Fertigstellung durch den Verkäufer zusammen mit den Räumen im Erdgeschoss angeschafft. Bereits deshalb kann eine Förderung als Ausbau oder Erweiterung, die nur den Bauherrn selbst begünstigt, nicht in Betracht kommen. Klärungsbedürftige Rechtsfragen haben die Kläger in diesem Zusammenhang nicht aufgeworfen.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
Fundstellen