Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung wegen Ablehnung von Akteneinsicht
Leitsatz (NV)
1. Einen Anspruch auf Akteneinsicht hat ein Kläger nur in Gerichtsakten.
2. Gegen die Ablehnung der Akteneinsicht durch das Gericht ist Beschwerde gegeben. Richterablehnung ist deswegen ohne weitere, über die Ablehnung hinausgehende Gründe nicht gerechtfertigt.
Normenkette
FGO §§ 51, 71 Abs. 2, § 78 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) machte in dem Verfahren .../91 vor dem Finanzgericht (FG) geltend, der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 1982 sei rechtswidrig, weil Vorsteuerbeträge von ... DM aus Rechnungen über die Zahlung eines Vertrauensschadens und wegen der Zahlung von Anwaltskosten nach Anfechtung eines Grundstückskaufvertrages von dem Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) nicht berücksichtigt worden seien. Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer legte die Klägerin nicht vor. Ferner rügte sie, daß die Einspruchsentscheidung nichtig sei, weil die Bearbeitung abweichend von den Grundsätzen zur Neuorganisation der Finanzämter und zur Neuordnung des Besteuerungsverfahrens - GNOFÄ - (BStBl I 1981, 270) durchgeführt worden sei.
Die Klägerin erhob in diesem Zusammenhang Dienstaufsichtsbeschwerde. Das FG lehnte den Antrag der Klägerin ab, die sich hierauf beziehenden Akten der Oberfinanzdirektion (OFD) und des ... Ministers der Finanzen sowie die Akten des FA D wegen Steuerhinterziehung gegen den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin beizuziehen. Außerdem beantragte die Klägerin bei dem FG, ihr Akteneinsicht in die nicht beigezogenen Akten zu gewähren. Das FG lehnte diesen Antrag ab. Darauf lehnte die Klägerin die Vorsitzende Richterin am FG A und den Richter am FG B wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung machte sie geltend, es könne neben der Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör auch der Tatbestand der Aktenunterdrückung vorliegen.
Das FG wies das bezeichnete Gesuch auf Richterablehnung zurück, weil weder Anhaltspunkte für eine Aktenunterdrückung vorlägen noch durch die Ablehnung der Akteneinsicht Hinweise für eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gegeben seien.
Mit der Beschwerde macht die Klägerin geltend, daß nach ihrem subjektiven Eindruck Akten dadurch unterdrückt worden seien, daß trotz eines entsprechenden Antrags keine Akteneinsicht gewährt worden sei. Die Akten, deren Einsicht beantragt worden sei, hätten dem FG vorgelegen. So habe die Akte des ... Finanzministeriums in der Streitsache ... wesentliche Stellungnahmen des FA zur Umsatzsteuer 1982 durch den Vorsteher enthalten. Auch habe die Akte der OFD in der Dienstaufsichtsbeschwerdesache Darlegungen zur Umsatzsteuer 1982 und eingehende Stellungnahmen des Vorstehers enthalten.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat die Ablehnungsanträge rechtsfehlerfrei zurückgewiesen.
Eine Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn ein Anlaß vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 51 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Gründe für ein derartiges Mißtrauen sind vorhanden, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555 m.w.N.).
Die Ablehnung der Akteneinsicht im Streitfall begründet kein derartiges Mißtrauen gegen die abgelehnten Richter. Die Ablehnung des Antrags auf Akteneinsicht ist keine Aktenunterdrückung. Über bloße Behauptungen hinaus hat die Klägerin keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluß zulassen, die abgelehnten Richter hätten der Klägerin die Benutzung der von ihr bezeichneten Akten vorenthalten, um ihr Beweisnachteile zuzufügen (vgl. zur Urkundenunterdrückung Dreher/Tröndle, Strafgesetzbuch, 46. Aufl., § 274 Rdnr. 5). Einen Anspruch auf Akteneinsicht hatte die Klägerin nur in Gerichtsakten, zu denen die bezeichneten Vorgänge nicht gehören, und in die dem Gericht vorgelegten Akten (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die dem Gericht vorgelegten Akten sind die den Streitfall betreffenden Akten (vgl. § 71 Abs. 2 FGO), soweit deren Inhalt entscheidungserheblich ist (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl.; § 78 FGO Tz. 3). Die Klägerin hat selbst in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt, aus welchem Grund die Akten, die ein Dienstaufsichtsbeschwerdeverfahren und ein Strafverfahren gegen ihren Prozeßbevollmächtigten betrafen, für die Entscheidung in dem maßgeblichen Rechtsstreit vor dem FG in der Sache .../91 von Bedeutung sein konnten. Entscheidungserheblich für diesen Rechtsstreit war u.a., ob die Klägerin in der Lage war, eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis über die von ihr begehrten Vorsteuerbeträge vorzulegen.
Gegen die Ablehnungsentscheidung war, wenn die Klägerin sie für falsch hielt, Beschwerde gegeben (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 79 FGO Tz. 7 m.w.N.). Selbst eine fehlerhafte Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht rechtfertigt ohne weiteres, im eigenen Verhalten des Richters begründete Anhaltspunkte keine Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit und seiner objektiven Einstellung für die Entscheidung in der Hauptsache. Solche Tatsachen hat die Klägerin aber nicht geltend gemacht.
Fundstellen