Entscheidungsstichwort (Thema)
Liebhaberei; Totalgewinnprognose
Leitsatz (NV)
1. In die Totalgewinnprognose sind Gewinne und Verluste eines Unternehmens von der Gründung bis zur Betriebsveräußerung einzubeziehen.
2. Das Streben nach einem finanzwirtschaftlichen Überschuss (Cash-flow) reicht ebenso wenig wie das Streben nach Kostendeckung aus, eine Gewinnerzielungsabsicht zu begründen.
3. Betriebswirtschaftliche Grundsätze einer gewinnorientierten Unternehmensführung können schon deshalb bei der Frage, ob ein Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht geführt wird, nicht übernommen werden, weil steuerlich die Aufwendungen der Vergangenheit nicht irrelevant sind. Über die Abschreibungen haben sie vielmehr Auswirkungen auch auf steuerliche Gewinne zukünftiger Veranlagungszeiträume.
4. Fehlende Reaktionen auf bereits eingetretene hohe Verluste und das unveränderte Beibehalten eines verlustbringenden Geschäftskonzepts sind gewichtige Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht. An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen.
Normenkette
FGO §§ 76, 96 Abs. 1, § 115 Abs. 2; EStG § 15
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 23.02.2007; Aktenzeichen 4 K 1847/02) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Aus den vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) herausgearbeiteten Rechtsfragen ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn über Rechtsfragen zu entscheiden ist, deren Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt und die klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sind (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--, vgl. z.B. Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die höchstrichterlich bereits entschieden ist, ohne dass zwischenzeitlich neue gewichtige Gesichtspunkte in Erscheinung getreten sind.
b) Nach Auffassung des Klägers kommt der Frage grundsätzliche Bedeutung zu, ob mangels Einkunftserzielungsabsicht Liebhaberei anzunehmen sei, wenn ein Steuerpflichtiger lediglich erkenne, dass er "sunk costs" nicht zurückerwirtschaften könne, obwohl in Zukunft mit einem Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben zu rechnen sei. Nach der Rechtsprechung des BFH (Senatsurteil vom 15. Mai 2002 X R 3/99, BFHE 199, 241, BStBl II 2002, 809) sei auch bei der Besteuerung des Übergangs von der Gewinnerzielungsabsicht zur Liebhaberei das Gebot der steuerrechtlichen Gleichbehandlung zu beachten. Dieses Gebot werde durch den vom Finanzgericht (FG) aufgestellten Rechtssatz, zur Vermeidung von Liebhaberei müssten "sunk costs" zurückverdient werden, verletzt.
Diese Rechtsfrage verleiht dem Streitfall indessen keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist bereits höchstrichterlich entschieden und zwar in dem Sinne, dass in die Totalgewinnprognose Gewinne und Verluste eines Unternehmens von der Gründung bis zur Betriebsveräußerung oder -aufgabe einzubeziehen sind (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Das Streben nach einem finanzwirtschaftlichen Überschuss (Cash-flow) reicht ebenso wenig wie das Streben nach Kostendeckung aus, eine Gewinnerzielungsabsicht zu begründen (BFH-Urteil vom 6. März 2003 IV R 26/01, BFHE 202, 119, BStBl II 2003, 702). Im Übrigen können --wie vom Kläger gefordert-- die betriebswirtschaftlichen Grundsätze einer gewinnorientierten Unternehmensführung (z.B. Berücksichtigung der Ergebnisse vor Abschreibung für Abnutzung --AfA-- bei der Totalgewinnprognose) schon deshalb bei der Frage, ob ein Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht geführt wird, nicht übernommen werden, weil steuerlich die Aufwendungen der Vergangenheit nicht irrelevant sind. Über die Abschreibungen haben sie vielmehr Auswirkungen auch auf steuerliche Gewinne zukünftiger Veranlagungszeiträume.
c) Die vom Kläger zudem erhobenen Rügen, von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob
- im ersten offenen Veranlagungszeitraum auf den Zeitpunkt, zu welchem erstmals Liebhaberei angenommen werde, eine einmalige Teilwertabschreibung auf die in Gewinnerzielungsabsicht getätigten Fehlinvestitionen zu tätigen sei oder
- die AfA auf solche in Gewinnerzielungsabsicht getätigten Fehlinvestitionen analog den Zinsen im Senatsurteil in BFHE 199, 241, BStBl II 2002, 809 laufend jährlich als nachträgliche Betriebsausgaben abzuziehen seien,
wurden nicht schlüssig erhoben. Es fehlt an einer hinlänglichen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen. Hierzu wäre es --woran es fehlt-- geboten gewesen, sich mit der im Streitfall einschlägigen umfangreichen Rechtsprechung und Literatur zur Liebhaberei auseinanderzusetzen und aufzuzeigen, wieso trotzdem ein weiterer (im allgemeinen Interesse liegender) Klärungsbedarf bestehe (vgl. z.B. Grüber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32 und 33, m.w.N.).
d) Gleiches gilt für die weiter gestellte Rechtsfrage, wie die Rechtsgrundsätze zur Teilwertabschreibung mit den Rechtsgrundsätzen zur Ermittlung des Zeitpunktes des Übergangs vom Gewerbebetrieb zur Liebhaberei aufeinander abzustimmen sind.
2. Aus den oben genannten Gründen ist die Zulassung der Revision auch nicht wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO geboten (zur Qualifikation dieses Zulassungsgrundes als speziellen Tatbestand der "Grundsatzrevision" vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 38). Im Übrigen ist der Kläger in der Beschwerdebegründung auch nicht darauf eingegangen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Frage umstritten ist, ob für die Totalgewinnprognose nur bei Steuersparmodellen oder geborenen Liebhaberbetrieben wie z.B. Segelyachten und Pferdezuchten auf den Zeitraum zwischen Gründung und Beendigung des Betriebs abzustellen ist oder ob dieser Zeitraum auch bei sog. "Brotberufen" von Bedeutung ist. Angesichts der Vielzahl höchstrichterlicher Urteile und Beschlüsse, in denen auf die Totalgewinnprognose abgestellt wird (vgl. z.B. Senatsurteil vom 17. November 2004 X R 62/01, BFHE 208, 522, BStBl II 2005, 336), hätte hierzu besondere Veranlassung bestanden.
3. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz des FG-Urteils zu den Senatsentscheidungen in BFHE 199, 241, BStBl II 2002, 809 und vom 21. Juli 2004 X R 33/03 (BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063) zuzulassen. In diesen Entscheidungen hat der beschließende Senat den Rechtssatz aufgestellt, Schuldzinsen für betrieblich begründete Verbindlichkeiten seien auch nach Übergang eines (Gewerbe-)Betriebs zur Liebhaberei als nachträgliche Betriebsausgaben abziehbar, wenn und soweit die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten nicht durch eine mögliche Verwertung von Aktivvermögen beglichen werden können. Der Senat hat jedoch --anders als in der Beschwerdebegründung vorgetragen-- nicht erkannt, dass in Gewinnerzielungsabsicht getätigte Aufwendungen abzugsfähig sind, auch wenn sie sich als Fehlmaßnahme herausstellen, und dass die zukünftige Gewinnerzielungsabsicht nicht davon abhängt, ob die Verluste, welche in Gewinnerzielungsabsicht in Vorjahren einmal erlitten worden sind, in den Folgejahren zurückverdient werden können. Die Entscheidung des FG, wonach bei der Frage der Totalgewinnprognose auf den Zeitraum zwischen Betriebsgründung und Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe abzustellen ist, weicht somit nicht von den Senatsurteilen in BFHE 199, 241, BStBl II 2002, 809 und BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063 ab, sondern steht in Einklang mit der ständigen Rechsprechung des angerufenen Senats (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 208, 522, BStBl II 2005, 336).
Auch eine Divergenz zum 2. Leitsatz des Senatsurteils in BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063 liegt nicht vor. Dieser bezieht sich --wie der Kläger in der Beschwerdebegründung selbst einräumt-- ausschließlich auf Umstrukturierungsmaßnahmen, die zu einer Kostensenkung führen und nicht auf Maßnahmen, die --wie im Streitfall der Bau eines Golfplatzes-- auf eine Umsatzerhöhung abzielen. Im Übrigen macht es aus Sicht des angerufenen Senats Sinn, beim Schuldzinsenabzug --aber auch nur bei diesem-- zwischen Umstrukturierungsmaßnahmen, die eine Kostensenkung zur Folge haben und solchen, die zu einer Umsatzsteigerung führen, jedenfalls dann zu differenzieren, wenn die Umsatzsteigerung --wie beim Bau eines Golfplatzes-- nur durch einen immensen Kostenaufwand realisiert werden kann. Zur Fortbildung des Rechts in diesem Punkt kann die Revision schon deshalb nicht zugelassen werden, weil es der Kläger versäumt hat, die Rüge schlüssig darzulegen. Wiederum fehlen Ausführungen in der Beschwerdebegründung, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Frage umstritten ist.
Die weitere Rüge des Klägers, das FG lege den Rechtsbegriff der "im Bereich der Lebensführung des Steuerpflichtigen liegenden persönlichen Gründe und Neigungen" falsch aus und weiche dadurch von der Rechtsprechung des BFH ab, ist nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger hat keine Divergenzentscheidung genau (mit Datum sowie Aktenzeichen und/oder Fundstelle) bezeichnet. Im Übrigen rechtfertigt nicht schon die Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils im Einzelfall, sondern nur die Abweichung im Grundsätzlichen die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO. Bloße Subsumtionsfehler sind hingegen im Zulassungsverfahren grundsätzlich unbeachtlich (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 55, m.w.N.). Zudem sind --worauf der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) zutreffend hinweist-- fehlende Reaktionen auf bereits eingetretene hohe Verluste und das unveränderte Beibehalten eines verlustbringenden Geschäftskonzepts gewichtige Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht. An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen.
4. Schließlich brauchte das FG nicht zu prüfen, ob in der Fortführung eines Verlust erwirtschaftenden Gewerbebetriebs auch dann eine Liebhaberei liegt, wenn die Fortführung betriebswirtschaftlich die beste Verwertungsmöglichkeit einer fehlgeschlagenen Investition darstellt; nach ständiger Rechtsprechung ist vielmehr --wie im Streitfall geschehen-- eine Totalgewinnprognose anzustellen.
5. Mit dem weiteren Vorbringen der Beschwerde, die Richter des FG ließen nicht erkennen, dass sie eigene Sachkunde zu der Frage hätten, ob ein Abrücken von der Positionierung des Hotels im oberen Qualitätssegment zugunsten einer erheblichen Reduzierung der Betriebskosten zu einem höheren Gewinn oder wenigstens zu einem niedrigeren Verlust führen würde, wird kein Verfahrensfehler dargelegt, der zur Zulassung der Revision führen könnte. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 FGO) oder der Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) liegt bereits deshalb nicht vor, weil Gerichte nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob sie eine Frage aufgrund eigener Sachkunde entscheiden oder ein Sachverständigengutachten einholen und die vom FG getroffene Ermessensentscheidung im Streitfall nicht zu beanstanden ist. Richter der Finanzgerichtsbarkeit sind nach ihrer Ausbildung und Berufstätigkeit grundsätzlich in der Lage, anhand der Bilanzen und anderer Erkenntnisquellen zu beurteilen, ob ein Betrieb bei einer bestimmten Bewirtschaftungsart auf die Dauer gesehen Gewinne erzielen kann. Das gilt jedenfalls in Fällen, bei denen besondere Branchenkenntnisse nicht erforderlich sind. Im Streitfall hatte der Kläger aus dem Golfhotel während der gesamten Zeit seines Bestehens ausschließlich Verluste erzielt. Es bedurfte bei dieser Sachlage keines Sachverständigen, um festzustellen, dass das Unternehmen bei gleichbleibender Art der Bewirtschaftung objektiv ungeeignet war, nachhaltig mit Gewinn zu arbeiten. Zum anderen hat das FG seine Entscheidung nicht auf die Aussage auf S. 23 der Entscheidungsgründe gestützt, wonach die vorgelegte Prognose bis zum Jahr 2018 zeige, dass der Kläger auch in Zukunft nicht plane, von der Positionierung des Hotels im oberen Qualitätssegment zugunsten einer erheblichen Reduzierung der Betriebskosten abzurücken. Die Frage, ob das FG aufgrund eigener Sachkenntnis beurteilen konnte, ob das Hotel besser mit höheren Betriebskosten im oberen Qualitätssegment oder aber mit niedrigeren Betriebskosten im niedrigeren Qualitätssegment geführt werde, war somit nicht entscheidungserheblich.
6. Im Kern erschöpfen sich die Ausführungen des Klägers in kritischen Äußerungen darüber, dass und warum das FG den Streitfall in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht unzutreffend gewürdigt habe. Die Rüge solcher Fehler rechtfertigt indessen grundsätzlich die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 55, m.w.N.).
Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Beschwerdeführer --woran es im Streitfall mangelt-- schlüssig und substantiiert darlegt, dass die Vorentscheidung an einem besonders schwerwiegenden materiell-rechtlichen Fehler leide, der nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. Begründung zum Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000, BTDrucks 14/4061, S. 9) und der Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. Beschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25, m.w.N.) zur Zulassung der Revision führen könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 2069610 |
BFH/NV 2009, 18 |