Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 120 Abs. 2 FGO setzt nach ihrem Grundgedanken voraus, daß aus der - ggf. innerhalb der Revisionsfrist ergänzten - Revisionsschrift hervorgeht, wer Revisionskläger ist.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 2
Tatbestand
Nachdem das Urteil des FG dem Bevollmächtigten der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) am 9. April 1975 zugestellt worden war, ging am 5. Mai 1975 beim FG ein Schreiben des Bevollmächtigten vom 3. Mai 1975 ein. Darin teilte der Bevollmächtigte unter Angabe des erstinstanzlichen Rubrums, in dem der Sohn der Klägerin als Beigeladener aufgeführt ist, mit, daß er gegen das näherbezeichnete Urteil des FG Revision einlege. Die Angabe der Revisionsklägerin ist in dem Schreiben nicht enthalten. Erst in der Revisionsbegründungsschrift, die am 16. Mai 1975 beim FG einging, ist die Klägerin als Revisionsklägerin bezeichnet.
Mit Schreiben vom 17. September 1976 wies der Senatsvorsitzende den Bevollmächtigten darauf hin, daß Bedenken gegen die Zulässigkeit der Revision bestünden, weil aus der Revisionsschrift nicht hervorgehe, wer Revisionskläger sei; die Revisionsschrift sei auch nicht innerhalb der Revisionsfrist entsprechend ergänzt worden. Im übrigen liege eine auf den Bevollmächtigten lautende Vollmacht der Klägerin nur für das Verfahren vor dem FG vor.
In seinem Antwortschreiben vertrat der Bevollmächtigte die Auffassung, daß es nicht gerechtfertigt sei, hinsichtlich der Bezeichnung des Rechtsmittelführers in der Rechtsmittelschrift im finanzgerichtlichen Verfahren dieselben Anforderungen zu stellen wie im Zivilprozeß. Im Zivilprozeß müsse der Rechtsmittelschriftsatz unmittelbar dem Gegner zugestellt werden, damit dieser sich über die Einlegung des Anschlußrechtsmittels schlüssig werden könne. Dieser Gesichtspunkt entfalle im Anwendungsbereich der FGO. Dementsprechend werde auch in den Kommentaren zur Finanzgerichtsordnung die Bezeichnung des Revisionsklägers nicht als Erfordernis wirksamer Revisionseinlegung aufgeführt.
Im übrigen sei dem Schreiben vom 3. Mai 1975 mittelbar zu entnehmen, daß die Revision für die Klägerin eingelegt worden sei. Denn diese sei mit voller Anschrift aufgeführt, während der Beigeladene nur namentlich erwähnt, seine Anschrift jedoch nicht angegeben sei. In derartigen Fällen müsse angenommen werden, daß nur der mit ladungsfähiger Anschrift versehene Beteiligte als Rechtsmittelführer in Betracht komme. Im Streitfalle habe die Erwähnung des Beigeladenen nur der näheren Bezeichnung des Urteils gedient. Auch aus dem Schreiben der Geschäftsstelle des Senats vom 4. Juli 1975 ergebe sich, daß bei verständiger Würdigung kein Zweifel über die Person der Revisionsklägerin habe bestehen können. Dort sei angefragt worden, ob der Bevollmächtigte auch den Beigeladenen vertrete. Schließlich sei der Bevollmächtigte zur Einlegung der Revision für die Klägerin berechtigt gewesen. Dies ergebe sich ausdrücklich aus der vorgelegten schriftlichen Vollmacht vom 28. September 1976.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht zulässig.
Das innerhalb der Revisionsfrist beim FG eingegangene Schreiben vom 3. Mai 1975 ist keine ordnungsmäßige Revisionsschrift.
1. Die Vorschrift des § 120 Abs. 2 FGO setzt nach ihrem Grundgedanken voraus, daß aus der - ggf. innerhalb der Revisionsfrist ergänzten - Revisionsschrift hervorgeht, wer Revisionskläger ist. Wie bereits das RG entschieden hat, ist die Einlegung des Rechtsmittels als Prozeßerklärung nur in Verbindung mit einer bestimmten Person denkbar, von der die Erklärung ausgeht (Urteil vom 3. Juni 1919 II 40/19, RGZ 96, 117). Dabei kommt es nicht nur auf die Erkennbarkeit für die Gegenpartei an; der Rechtsmittelführer muß auch für das Gericht erkennbar sein (Beschluß des BGH vom 29. Juni 1956 V ZB 20/56, BGHZ 21, 168; RG-Beschluß vom 12. Mai 1934 V B 10/34, RGZ 144, 314). Eine Heilung dieses Mangels kommt nach Ablauf der Revisionsfrist nicht mehr in Betracht (vgl. z. B. Beschluß des BAG vom 25. Mai 1973 2 AZR 99/73, HFR 1973, 556).
Diese Grundsätze werden zum Zivilprozeßrecht in ständiger Rechtsprechung vertreten (RG-Urteil II 40/19; RG-Beschluß V B 10/34; BGH-Beschluß V ZB 20/56; Beschlüsse des BAG vom 4. Juli 1973 1 AZB 12/73, HFR 1973, 555, 2 AZR 99/73; vom 14. August 1973 3 AZR 292/73, HFR 1974, 125). Sie gelten auch für das finanzgerichtliche Verfahren. Die Einlegung der Revision als eine das Verfahren vor dem BFH eröffnende Erklärung weist keinen wesentlichen Unterschied gegenüber dem Akt der Revisionseinlegung im Zivilprozeß auf. Aus dem Wesen der Revision ergibt sich auch hier, daß Klarheit über die Person dessen bestehen muß, der das Verfahren vor dem BFH eröffnet.
Das Erfordernis der Erkennbarkeit des Revisionsklägers besteht unabhängig von der - anderen Zwecken dienenden - Notwendigkeit, Iadungsfähige Anschriften anzugeben. Dies geht auch aus dem Beschluß des BAG 3 AZR 292/73 hervor, in dem das BAG die Erkennbarkeit des Revisionsklägers aus der Revisionsschrift verlangt und "außerdem" die Angabe der ladungsfähigen Anschriften.
Der in den Ausführungen von Späth (StB 1974, 65, 68), auf die sich die Klägerin beruft, angeführte Beschluß des BVerwG vom 3. Oktober 1961 VI B 23.61 (BVerwGE 13, 94) betrifft die Frage, ob im verwaltungsgerichtlichen Berufungsverfahren der bestimmte Antrag noch nach Ablauf der Berufungsfrist gestellt werden kann. Für die hier zu entscheidende Frage kann aus jener Entscheidung nichts hergeleitet werden.
2. Den vorstehend dargelegten Anforderungen entspricht das Schreiben des Bevollmächtigten vom 3. Mai 1975 nicht. Aus dem Schreiben geht nicht hervor, für wen die Revision eingelegt wurde, insbesondere ob für die Klägerin, den Beigeladenen oder für beide Personen. Der Mangel beeinträchtigt die Ordnungsmäßigkeit der Revisionseinlegung, ohne daß es auf die von der Klägerin im einzelnen angestellten Erwägungen ankäme. Vermutungen über die Person des Rechtsmittelführers können den Mangel nicht beheben; entscheidend ist die sichere Erkennbarkeit (RG-Urteil II 40/19). Daran fehlt es hier. Der Senat kann deshalb offenlassen, ob der Umstand, daß der Beigeladene ohne Anschrift aufgeführt ist, gegen eine Revision des Beigeladenen sprach und wie der Fall zu entscheiden wäre, wenn ein Beigeladener nicht beteiligt gewesen wäre. Auf den BGH-Beschluß vom 26. September 1961 V ZB 24/61 (NJW 1961, 2347) beruft sich die Klägerin jedenfalls zu Unrecht, da der BGH dort auf die unterlassene Namens- und Ortsangabe abstellt. Im übrigen betrifft der BGH-Beschluß V ZB 24/61 nur die Rechtsmittelgegner. Im Streitfall sprach zudem gegen eine Vertretung der Klägerin, daß die damals vorliegende Vollmacht der Klägerin ausdrücklich auf das Verfahren vor dem FG beschränkt war.
3. a) Zu Unrecht meint die Klägerin, die Revision müsse unter Beachtung der allgemeinen Ausführungen des Großen Senats des BFH im Beschluß vom 5. November 1973 GrS 2/72 (BFHE 111, 278, BStBl II 1974, 242) zur Handhabung von Verfahrensvorschriften als zulässig angesehen werden. Der Große Senat hat für die damalige Streitfrage ausdrücklich darauf abgestellt, ob nach Lage der Verhältnisse ein Zweifel daran bestehen könne, daß die Revisionsbegründung von einem dazu Berechtigten eingereicht worden sei. Er hat dies für den damaligen Fall verneint. Im Streitfall war demgegenüber unklar, für wen der Bevollmächtigte die Revision einlegen wollte. Das Erfordernis der Erkennbarkeit des Revisionsklägers verfolgt keinen Selbstzweck, sondern dient der Rechtssicherheit.
b) Der Klägerin kann auch nicht gefolgt werden, soweit sie der Auffassung ist, es müsse ihr zugute gehalten werden, daß ein die Streitfrage betreffender Hinweis weder im Tatbestand des § 120 FGO noch in der Rechtsmittelbelehrung enthalten sei. Die Vorschrift des § 120 FGO unterscheidet sich insoweit nicht von den entsprechenden Vorschriften der §§ 518, 553 ZPO, die ebenfalls keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthalten, daß der Rechtsmittelführer angegeben werden muß. In der Rechtsmittelbelehrung brauchte ein entsprechender Hinweis nicht enthalten zu sein. Zum notwendigen Inhalt der Rechtsmittelbelehrung gehören Angaben über das Rechtsmittel, die Behörde, bei der das Rechtsmittel anzubringen ist, und die Rechtsmittelfrist (Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 55 FGO Anm. 7 a). Daß erkennbar sein muß, wer das Rechtsmittel einlegt, ist selbstverständlich; darüber braucht nicht ausdrücklich belehrt zu werden.
c) Fehl geht auch die Berufung der Klägerin auf das Schreiben der Geschäftsstelle des Senats vom 4. Juli 1975. Darin kann schon deshalb kein Indiz der von der Klägerin behaupteten Art gesehen werden, weil das Schreiben erst nach Ablauf der Revisionsfrist und nach Eingang der Revisionsbegründungsschrift, in der die Revisionsklägerin bezeichnet war, abgefaßt wurde. Ist aber die Frage der Erkennbarkeit des Revisionsklägers aus der Revisionsschrift in dem Schreiben vom 4. Juli 1975 nicht berührt worden, so ist bereits aus diesem Grunde eine rechtliche Bindung des Senats i. S. einer der Klägerin günstigen Beurteilung der Zulässigkeitsfrage nicht eingetreten. Im übrigen entscheidet über die Zulässigkeit der Revision gemäß §§ 124, 126 Abs. 1 FGO der BFH, d. h. der zuständige Senat in der Besetzung mit drei Richtern (§ 10 Abs. 3 FGO). Eine Präjudizierung durch ein Schreiben der Geschäftsstelle tritt nicht ein.
Fundstellen
Haufe-Index 72034 |
BStBl II 1977, 163 |
BFHE 1977, 341 |
NJW 1977, 696 |