Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Terminverlegung; Übernahme von im Strafverfahren getroffenen Feststellungen
Leitsatz (NV)
1. Wird der Kläger durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten, bedarf es zur schlüssigen Rüge, das FG habe durch die Nichtverlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung das Recht auf Gehör verletzt, der substantiierten Darlegung von Gründen, aus denen sich ergibt, dass die persönliche Teilnahme des Klägers an der mündlichen Verhandlung zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes erforderlich ist.
2. Das FG ist zwar berechtigt, jedoch nicht verpflichtet, sich die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen eines Strafgerichts zu eigen zu machen.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 2, § 105 Abs. 2 Nr. 5, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 227, 295 Abs. 1
Verfahrensgang
Thüringer FG (Urteil vom 15.06.2005; Aktenzeichen I 1472/98) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat nicht schlüssig dargelegt, dass das Finanzgericht (FG) dadurch, dass es seinen Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung abgelehnt hat, einen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begangen hat. Denn die Ablehnung eines Antrags auf Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung verstößt nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, §§ 96 Abs. 2, 119 Nr. 3 FGO), wenn erhebliche Gründe für eine Aufhebung oder Verlegung geltend gemacht worden sind (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Deshalb erfordert eine schlüssige Rüge dieses Verfahrensmangels, dass zur Begründung des Verlegungsantrags erhebliche Gründe substantiiert vorgetragen wurden (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Juni 2001 IV B 25/00, BFH/NV 2001, 1579).
a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht eine Verpflichtung zur Terminverlegung nur, wenn der diese beantragende Prozessbeteiligte hierfür erhebliche Gründe glaubhaft macht. Die Prüfung der Frage, ob erhebliche Gründe für eine Terminverlegung vorliegen, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Der Prozessstoff und die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten und ihrer Prozessbevollmächtigten sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass das FG im steuergerichtlichen Verfahren die einzige Tatsacheninstanz ist und die Beteiligten ein Recht darauf haben, ihre Argumente in einer mündlichen Verhandlung vorzutragen (BFH-Urteil vom 16. Mai 2001 X R 16/98, BFH/NV 2001, 1262, 1264). Die Ablehnung des Antrags auf Terminverlegung kann das rechtliche Gehör eines Beteiligten verletzen, wenn beispielsweise ein Kläger verhindert ist, dessen persönliches Erscheinen das Gericht angeordnet hat und dessen Anwesenheit für die Klärung des Sachverhalts erforderlich ist. Im Streitfall jedoch wurden die Rechte des Klägers durch seinen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung wahrgenommen. Wird der nicht zum persönlichen Erscheinen aufgeforderte Kläger in der mündlichen Verhandlung durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten, so muss der Kläger, der sein persönliches Erscheinen vor Gericht trotz Vertretung durch den Bevollmächtigten für erforderlich hält, die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unter substantiierter Darlegung der für die Notwendigkeit seiner persönlichen Anwesenheit sprechenden Gründe beantragen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2001, 1262, 1264; ebenso Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 1982 9 C 1.81, Die öffentliche Verwaltung 1983, 247, und Beschluss des Bundessozialgerichts vom 15. Mai 1991 6 BKa 69/90, juris Nr: KSRE040121406; s. auch Zöller, Zivilprozessordnung, § 227 Rz. 6).
b) Solche Darlegungen fehlen im Streitfall. Der bloße Hinweis, der Kläger sei am Tag der mündlichen Verhandlung Partei in einem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht X, ist für die Frage der Terminverlegung ohne Bedeutung. Darüber hinaus hätte der Kläger, dem der gesamte Prozessstoff aus dem Gerichtsbescheid und auch die beabsichtigte Zeugeneinvernahme durch das FG bekannt war, darlegen müssen, dass und weshalb es ihm nicht möglich gewesen sei, seinen Prozessvertreter vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung umfassend über die Argumente und die Gründe, die das FG eventuell zu einer Überprüfung seiner Rechtsauffassung hätten veranlassen können, zu informieren. Es fehlt auch an dem Vortrag, welche Tatsachen und Umstände der Kläger bei seiner persönlichen Teilnahme in der mündlichen Verhandlung noch vorgetragen hätte und inwiefern dieser Vortrag Einfluss auf die vom Gericht zu treffende Entscheidung hätte nehmen können. Dass die persönliche Teilnahme des Klägers an der mündlichen Verhandlung zur weiteren Aufklärung des Prozessstoffes erforderlich gewesen wäre, war für das Gericht aus dem bisherigen Vorbringen weder ersichtlich noch kam es darauf nach den objektiven Umständen an, so dass das FG rechtsfehlerfrei einen erheblichen Grund i.S. des § 227 ZPO für eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung verneint hat. Durch die Mitteilung vom 8. Juni 2005 hat das Gericht den Prozessbevollmächtigten des Klägers auch darauf hingewiesen, dass es dem Vortrag des Klägers keinen erheblichen Grund für eine Terminverlegung entnehmen kann. Zudem hat der Prozessbevollmächtigte, der im Beschwerdeverfahren darauf verwiesen hat, er sei weder zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage noch zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt gewesen, in der mündlichen Verhandlung keinen Hinweis auf seine nicht vollumfängliche Vollmacht gegeben. Auch hat er keinen Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung gestellt, sondern ausweislich der Niederschrift zur Sache verhandelt. Dies würde nach § 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO zum Verlust des Rügerechts führen, selbst wenn das FG dem Antrag auf Terminverlegung hätte stattgeben müssen.
2. Ferner lässt die Beschwerdebegründung die erforderliche Substantiierung auch insoweit vermissen, als der Kläger rügt, das FG sei von der sehr umfangreichen Beweiserhebung im Strafverfahren abgewichen, habe entscheidende Zeugen nicht berücksichtigt und eidesstattliche Versicherungen dieser Zeugen für irrelevant gehalten. Zudem war das FG zwar nicht gehindert, sich die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen des Strafgerichts zu Eigen zu machen, wenn und soweit es diese für zutreffend hält; eine Verpflichtung, die im Strafverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu übernehmen, besteht hingegen nicht (BFH-Beschluss vom 23. Januar 2004 VII B 190/03, BFH/NV 2004, 845).
3. Die nach § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO vorgeschriebene Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgebend waren. Ein Fehlen von Entscheidungsgründen ist deshalb dann anzunehmen, wenn dem Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417). Das ist insbesondere der Fall, wenn nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt oder wenn nicht ersichtlich ist, auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt (BFH-Beschluss vom 28. August 2001 XI R 87/00, BFH/NV 2002, 201). Nach der Rechtsprechung des BFH fehlen die Entscheidungsgründe nicht nur dann, wenn die Entscheidung überhaupt nicht mit Gründen versehen ist, sondern bereits dann, wenn das FG einen selbständigen prozessualen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juni 2001 VII R 67/00, BFH/NV 2002, 80, und BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2001 V B 48/01, BFH/NV 2002, 369, jeweils m.w.N.). Unter selbständigen Ansprüchen und selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmitteln sind nur die eigenständigen Klagegründe und solche Angriffs- und Verteidigungsmittel zu verstehen, die den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestalteten Rechtsnorm bilden (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 80; vom 2. Oktober 2001 IX R 25/99, BFH/NV 2002, 363, jeweils m.w.N.).
Mit dem Beschwerdevorbringen wird indes nicht in schlüssiger Weise dargetan, dass in dem angefochtenen Urteil maßgebliche rechtliche Erwägungen in diesem beschriebenen Sinne ganz oder teilweise fehlen. Die Beschwerde rügt lediglich, das FG habe die streitige und entscheidungserhebliche Frage der Höhe der Steuer nicht vollständig behandelt. Das Urteil beinhalte keinen einzigen Grund, warum verschiedene Rechnungen dem Kläger zuzurechnen seien; es führe nur aus, warum sie Dritten nicht zugerechnet werden können. Damit wird aber ein übergangener eigenständiger Klagegrund oder ein selbständiges Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht dargelegt. Die Einwände des Klägers erschöpfen sich --nach Art einer Revisionsbegründung-- in kritischen Äußerungen darüber, dass und warum die vom FG vorgenommene rechtliche Beurteilung und tatsächliche Würdigung des Streitfalles unrichtig sei. Hinweise gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler) sind im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren jedoch unbeachtlich (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2000 XI B 128/99, BFH/NV 2001, 800).
4. Schließlich ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht schlüssig dargelegt, weil der Beschwerdeführer nicht konkret und substantiiert darauf eingeht, inwieweit die von ihm sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob Personen, die für Dritte Lieferungen annehmen, diese auch der Besteuerung unterwerfen müssen, im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig, d.h. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 19. November 2002 X B 117/01, juris Nr: STRE200251200, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 116 Rz. 32, m.w.N.).
Fundstellen