Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Kindergeld für inhaftiertes Kind
Leitsatz (NV)
Für ein Kind, das aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist und das in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist, besteht kein Anspruch auf Kindergeld.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die Mutter von X, der wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Er ist in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Sein Grad der Behinderung beträgt 80, in seinem Schwerbehindertenausweis sind die Kennzeichen "B" und "G" eingetragen. Als Behinderung wurde eine Verhaltensstörung bei geistiger Retardierung nach Meningitis festgestellt.
Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) lehnte den Antrag auf Gewährung von Kindergeld für die Zeit ab März 2004 ab, weil der notwendige Lebensbedarf des Kindes aufgrund seiner Unterbringung gedeckt sei. Außerdem sei die Behinderung des Sohnes nicht ursächlich dafür, dass er seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten könne.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, die Voraussetzung einer Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wonach das Kind wegen einer Behinderung außerstande sein müsse, sich selbst zu unterhalten, sei nicht erfüllt, da X wegen des Strafvollzugs an einer Erwerbstätigkeit gehindert sei und nicht wegen seiner Behinderung.
Zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde trägt die Klägerin vor, die Begründung des FG sei vom Wortlaut des Gesetzes nicht gedeckt. X sei wegen seiner schweren geistigen Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten. Auch nach einer Entlassung könnte er keine Arbeiten gegen Entgelt leisten. Sie, die Klägerin, sei durch Aufwendungen für Besuchsfahrten erheblich finanziell belastet. Die Besuche seien für die Lebensfähigkeit von X von erheblicher Bedeutung. Das FG sei der Ansicht, die den Gesetzeswortlaut einschränkende Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG sei durch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Oktober 1999 VI R 40/98 (BFHE 189, 449, BStBl II 2000, 75) gedeckt. Das Urteil gebe aber für eine entsprechende Einschränkung nichts her, vielmehr gehe daraus hervor, dass ein Anspruch auf Kindergeld nur dann entfalle, wenn ein Kind trotz seiner Behinderung über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfüge --z.B. aufgrund hoher Einkünfte oder Bezüge-- und deshalb dazu in der Lage sei, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sei zu bejahen, weil das FG vom Gesetzeswortlaut abgewichen sei. Aus dem gleichen Grunde sei auch eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die von der Klägerin sinngemäß aufgeworfene Frage, ob ein behindertes Kind, das wegen einer Straftat in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist, außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist nicht klärungsbedürftig, da sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat.
Nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG muss ein kindergeldrechtlich zu berücksichtigendes Kind "wegen" seiner Behinderung außerstande sein, sich selbst zu unterhalten. Die Behinderung muss somit ursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt sein. Dem FG ist darin zu folgen, dass die Kausalität zu verneinen ist, wenn ein Kind wegen einer strafrechtlichen Verurteilung in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist und bereits wegen seiner Freiheitsbeschränkung keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 2153993 |
BFH/NV 2009, 929 |