Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensfehler durch Sachverhaltsermittlung aus beigezogenen Akten
Leitsatz (NV)
Ein Verfahrensfehler wegen Verletzung der dem FG obliegenden Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung liegt nicht vor, wenn das FG entscheidungserhebliche Tatsachen aus beigezogenen Akten von Amts wegen berücksichtigt.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3, § 76 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von Bauhandwerkern über ein in S hergestelltes Drei-Familienhaus mit Schwimmhalle in den vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) anerkannten Steueranmeldungen für 1983 und 1984 abgezogen. Das Grundstück hatte er nach seinen Angaben an die E-GmbH vermietet, deren Geschäfte er führte und an der er zu 95 v. H. beteiligt war. Die E-GmbH hatte die Erdgeschoßwohnung an den Kläger und seine Ehefrau vermietet.
Das FA änderte die bezeichneten, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerfestsetzungen durch die angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheide für 1983 vom 28. September 1988 und 1984 vom 12. Oktober 1988. Es berücksichtigte die aus Rechnungen über die Herstellung des Gebäudes abgezogenen Vorsteuerbeträge und die als steuerpflichtig behandelten Vermietungsumsätze nicht mehr, weil es die Zwischenvermietung als Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts ansah. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Der Kläger, so führte das FG zur Begründung aus, habe nicht nachweisen können, daß er die Bauleistungen durch Vermietungsumsätze verwendet habe. Aus dem Mietvertrag mit der E-GmbH über das erwähnte Grundstück ergebe sich, daß das Grundstück nicht vom Kläger, sondern von ihm und seiner Ehefrau vermietet worden sei. Der von den Ehegatten unterschriebene Mietvertrag vom 10. Januar 1984 befinde sich in den beigezogenen Akten in dem Verfahren der E-GmbH bei dem FG (wegen Körperschaftsteuer 1985). Damit übereinstimmend habe der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in einem Schriftsatz vom 25. Februar 1991 an das FG in den beigezogenen Akten des Verfahrens ... (wegen Umsatzsteuer für 1984 und 1985 der E-GmbH) erklärt, der Kläger sei nur irrtümlich als Vermieter bezeichnet worden. Dem Willen der Parteien habe eine Vermietung der Eheleute an die E-GmbH entsprochen. Der Vortrag im vorliegenden Verfahren, wonach ein Mietvertrag des Klägers mit der E-GmbH erst 1991 geändert worden sei, bleibe unbewiesen.
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger u. a. geltend, die Revision sei wegen Verfahrensfehlern und wegen Abweichung von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) zuzulassen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Kläger hat Zulassungsgründe in der dafür gesetzlich vorgeschriebenen Form (§115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) nicht dargelegt oder bezeichnet. Sie sind darüber hinaus auch nicht gegeben.
1. Soweit der Kläger die Zulassung der Revision begehrt, weil die Feststellungen des FG mit dem klaren Inhalt der Akten unvereinbar seien, macht er geltend, die Vorentscheidung könne auf einem Verfahrensmangel beruhen (§115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die dafür gegebene Begründung, das FG habe auf einen Mietvertrag der Ehegatten abgestellt, auf den sich sein, des Klägers, Vorbringen nicht bezogen, den sich das FG selbst beschafft habe, und der den zuvor nur von ihm, dem Kläger, geschlossenen Mietvertrag erst 1991 geändert habe, genügt nicht den Anforderungen nach §115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Bezeichnung eines Verfahrensfehlers.
Wird ein Verstoß gegen den Inhalt der Akten und damit eine Verletzung der Pflicht des FG gerügt, den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig zu berücksichtigen (§96 Abs. 1 FGO), so müssen nicht nur die Aktenteile, die das FG nach Ansicht des Klägers nicht berücksichtigt hat, genau bezeichnet werden, sondern es muß auch dargelegt werden, welche Schlußfolgerung sich dem FG hätte aufdrängen müssen, wenn es den nicht beachteten Akteninhalt in seine nach §96 Abs. 1 FGO aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu bildende Überzeugung einbezogen hätte (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 7. Oktober 1996 VIII B 138/95, BFH/NV 1997, 412, m. w. N.). Das Beschwerdevorbringen muß schlüssig einen Verstoß des FG gegen seine sich aus §76 FGO ergebende Ermittlungspflicht oder gegen die Überzeugungsbildung unter Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens nach §96 Abs. 1 FGO ergeben (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 4. Dezember 1996 II B 108/96, BFH/NV 1997, 499).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger beanstandet nicht, daß das FG einen Teil des Akteninhalts nicht beachtet habe. Vielmehr rügt er, daß es auch den von Amts wegen ermittelten Sachverhalt berücksichtigt habe. Nach der Beiziehung der Akten war deren Inhalt in dem vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen, soweit sich daraus entscheidungserhebliche Tatsachen ergaben. Weil das FG nach §76 Abs. 1 Satz 1 FGO verpflichtet war, Akten beizuziehen, die Informationen für die Entscheidung des Rechtsstreits enthalten können (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 1996 X R 53/95, BFH/NV 1997, 293), kann das FG durch die Beiziehung und Auswertung dieses Akteninhalts keinen Verfahrensfehler begangen haben.
Im übrigen ergibt das Beschwerdevorbringen, daß das FG auch den vom Kläger mit der E-GmbH dargelegten Mietvertrag bei der freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§96 Abs. 1 Satz 1 FGO) beachtet hat. Es hat daraus nur andere Schlußfolgerungen als der Kläger gezogen. Mit den dagegen gerichteten Angriffen macht der Kläger somit nicht schlüssig einen Verfahrensfehler geltend -- wie es zur Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde erforderlich wäre --, sondern rügt allenfalls materiell-rechtliche Fehler des FG.
2. Soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen Abweichung der Vorentscheidung (§115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) von Urteilen des BFH beantragt, entspricht die Beschwerde nicht den gesetzlichen Anforderungen. Nach §115 Abs. 3 Satz 3 FGO muß der Beschwerdeführer abstrakte entscheidungserhebliche Rechtssätze aus dem finanzgerichtlichen Urteil und abstrakte Rechtssätze aus angeblich divergierenden Entscheidungen des BFH so genau bezeichnen, daß eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschlüsse vom 1. August 1990 II B 36/90, BFHE 161, 418, BStBl II 1990, 987; vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Der Kläger bezeichnet aber keine Abweichung, sondern behauptet sie nur.
Hinzu kommt, daß die Abweichung der Vorentscheidung von dem Urteil des BFH vom 1. Februar 1973 IV R 49/68 (BFHE 108, 197, BStBl II 1973, 307) nicht vorliegt, weil das FG nicht -- wie der BFH in der bezeichneten Entscheidung -- über eine rechtliche Rückwirkung (einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung) entschieden hat. Das FG hat lediglich gewürdigt, ob der Kläger nachgewiesen hat, daß er die Leistungen, für deren Bezug ihm der Vorsteuerabzug gewährt worden war, selbst verwendet hat. Wegen dieser Beurteilung des FG kann auch keine Abweichung von dem BFH-Urteil vom 11. Dezember 1986 V R 57/76 (BFHE 148, 361, BStBl II 1987, 233) vorliegen, in dem u. a. über den Bezug von Bauleistungen auf einem Ehegatten gehörenden Grundstück entschieden worden war.
Fundstellen
Haufe-Index 66572 |
BFH/NV 1998, 195 |