Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistender Unternehmer; Beweiswürdigung
Leitsatz (NV)
1. Leistender Unternehmer ist regelmäßig der zivilrechtlich zur Leistung Verpflichtete, es sei denn, er hat die Leistung tatsächlich nicht erbracht.
2. Ob bestimmte Leistungen einer Kapitalgesellschaft oder einem Einzelunternehmer zuzurechnen sind, ist vom FG im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenfeststellung zu klären.
3. Die Grundsätze der Beweiswürdigung werden revisionsrechtlich grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zugeordnet.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2, 3 S. 3, § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren (1975 bis 1981) ein Ingenieurbüro mit ca. 18 bis 25 Mitarbeitern als Einzelunternehmer. Er gründete im Jahre 1973 zusammen mit einem . . . (Angehöriger einer anderen Berufsgruppe) die Firma . . .gesellschaft mbH. Diese Gesellschaft erteilte in den Streitjahren verschiedenen deutschen Unternehmen Rechnungen.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die diesen Rechnungen zugrundeliegenden Umsätze bei der Bemessung der Umsatzsteuer des Klägers. Das FA versagte darüber hinaus den vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerabzug
aus Rechnungen, die die GmbH ihm erteilt hatte.
Einspruch und Klage blieben insoweit erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Die GmbH habe die Verträge, die den von ihr den deutschen Unternehmen erteilten Rechnungen zugrunde lägen, zivilrechtlich mit diesen Unternehmen geschlossen. Die vereinbarten Leistungen habe aber nicht sie, sondern der Kläger ausgeführt. Dies ergebe sich aus der - näher dargelegten - Würdigung der Gesamtumstände.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger Divergenz, grundsätzliche Bedeutung und Verfahrensfehler geltend.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig. Dem steht die unrichtige Bezeichnung des Beschwerdegegners nicht entgegen. Das FG konnte innerhalb der Beschwerdefrist den Gerichtsakten zweifelsfrei entnehmen, daß sich die Beschwerde gegen das im Klageverfahren beklagte FA und nicht gegen das FA . . ., das mit dem angefochtenen Steuerbescheid nichts zu tun hatte, richten sollte. Dies reicht für die Zulässigkeit der Beschwerde (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Januar 1988 VII R 74/84, BFH/NV 1988, 692, m.w.N. zur Revision).
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
a) Divergenz:
aa) Zur Begründung der Divergenz bringt der Kläger vor: Das FG gehe davon aus, daß die von der GmbH abgerechneten und versteuerten Umsätze ihm - dem Kläger - zuzurechnen seien, obwohl den Leistungen wirksame Verträge zwischen der GmbH und den jeweiligen Leistungsempfängern zugrunde lägen und die in Rechnung gestellten Entgelte an die Gesellschaft bezahlt worden seien. Dadurch weiche das FG vom Urteil des BFH vom 13. März 1987 V R 33/79 (BFHE 149, 313, BStBl II 1987, 524) ab. Der BFH führe in dieser Entscheidung aus:
,,Wer Leistender im Sinn des Umsatzsteuerrechts ist, ergibt sich im allgemeinen aus den dem Leistungsaustausch zugrunde liegenden zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen . . . Leistender ist danach regelmäßig der zivilrechtlich zur Leistung Verpflichtete, der die Leistung auch tatsächlich erbracht hat."
Nichts anderes ergebe sich daraus, daß nach Überzeugung des FG die in Rechnung gestellten Tätigkeiten vom Kläger ausgeführt worden seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) komme es bei der Beurteilung der Frage, ob ein Eigengeschäft des unter fremden Namen Handelnden vorliege, auf den Empfängerhorizont an (Urteil vom 18. Januar 1988 II ZR 304/86, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht - NJW-RR - 1988, 814).
bb) Wenn diese Rüge den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung von Divergenz genügen sollte, weicht die Vorentscheidung jedenfalls nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO vom angeführten BFH-Urteil ab. Aus den vom Kläger zutreffend wiedergegebenen Ausführungen in dieser Entscheidung ergibt sich, daß Leistender im umsatzsteuerrechtlichen Sinn nicht stets der zivilrechtlich zur Leistung Verpflichtete ist, sondern nur dann, wenn er die Leistung auch tatsächlich erbracht hat. Hiervon ist auch das FG ausgegangen. Es ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände zu dem Ergebnis gelangt, daß nicht die GmbH, sondern der Kläger die fraglichen Umsätze ausgeführt habe. Damit fehlt es im Streitfall an der vom BFH vorausgesetzten Übereinstimmung von zivilrechtlicher Verpflichtung und tatsächlicher Leistung. Auf die Rechtsprechung des BGH zum Zivilrecht kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an.
Soweit sich der Kläger auf die BFH-Urteile vom 28. September 1967 V R 103/66 (BFHE 90, 310, BStBl II 1968, 108) und vom 15. Juli 1987 X R 19/80 (BFHE 150, 459, BStBl II 1987, 746) beruft, wird Divergenz nicht in einer dem § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Form gerügt. Der Kläger hat insoweit nicht dargelegt, daß das FG im angefochtenen Urteil einen die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt habe, der von einem - ebenfalls tragenden - abstrakten Rechtssatz in einer der genannten Entscheidungen des BFH abweiche (vgl. BFH-Beschluß vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, m.w.N.).
b) Grundsätzliche Bedeutung:
aa) Der Kläger mißt folgender Frage grundsätzliche Bedeutung bei:
,,Nach welchen Kriterien sind freiberufliche Leistungen eines in der Bundesrepublik ansässigen Steuerpflichtigen seinem inländischen, freiberuflichen Unternehmen oder der Kapitalgesellschaft, an der der Steuerpflichtige wesentlich beteiligt ist und die auf dem gleichen Geschäftsgebiet tätig ist, zuzurechnen?"
Der Kläger hält diese Frage für über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam und im Streitfall entscheidungserheblich.
bb) Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist nicht gegeben.
Einer Rechtssache ist grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt daher nur wegen einer klärungsbedürftigen und im Revisionsverfahren klärbaren Rechtsfrage in Betracht (BFH-Beschluß vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148, m.w.N.).
An diesen Voraussetzungen fehlt es im Streitfall. Die Frage, ob bestimmte Leistungen einer Kapitalgesellschaft oder einem Einzelunternehmer zuzurechnen sind, ist vom FG im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenfeststellung zu klären. Der BFH ist im Revisionsverfahren an die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, daß in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind (§ 118 Abs. 2 FGO). Nach welchen Kriterien die Zurechnung im Einzelfall zu erfolgen hat, entzieht sich der abstrakten Klärung in einem Revisionsverfahren.
c) Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO):
aa) Als Verfahrensmangel trägt der Kläger vor, das FG habe nicht das gesamte Ergebnis des Verfahrens bei der Bildung seiner Überzeugung berücksichtigt. Insbesondere habe es die Aussage eines bestimmten Zeugen nicht vollständig in seine Erwägungen einbezogen. Im übrigen sei die Beweiswürdigung willkürlich.
bb) Mit diesen Ausführungen ist ein Verfahrensmangel nicht dargetan (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Die Grundsätze der Beweiswürdigung werden revisionsrechtlich grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zugeordnet. Denn die richterliche Überzeugungsbildung bei der Würdigung der festgestellten Tatsachen ist in aller Regel nicht eindeutig von der Anwendung des materiellen Rechts zu trennen (BFH-Beschluß in BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671).
Fundstellen
Haufe-Index 418794 |
BFH/NV 1993, 757 |