Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass des Jahressteuerbescheides während des Revisionsverfahrens
Leitsatz (NV)
1. Wird während des Verfahrens über eine zulässige Revision der angefochtene Vorauszahlungsbescheid durch den Jahressteuerbescheid ersetzt, wird dieser in entsprechender Anwendung des § 68 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens.
2. Enthält der Bescheid gegenüber dem angefochtenen Vorauszahlungsbescheid eine Verböserung, die erstinstanzlich nicht überprüft worden ist, ist der Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.
Normenkette
FGO §§ 68, 127
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (Urteil vom 06.12.2007; Aktenzeichen 2 K 261/07) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob u.a. gegen die Einkommensteuervorauszahlungsbescheide des Jahres 2006 Klage vor dem Finanzgericht (FG) und wandte sich gegen die Besteuerung seiner Altersrenten aufgrund des Alterseinkünftegesetzes. Gegen das die Klage abweisende Urteil des FG vom 23. April 2007 legte der Kläger Revision ein. Unter dem 4. Juli 2007 --nach Einreichen der Revisionsbegründung-- erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006. Der hiergegen gerichtete Einspruch wurde von dem FA als unzulässig verworfen, da der Einkommensteuerbescheid für 2006 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des bereits beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Revisionsverfahrens gemacht worden sei. Das FG hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen und ebenfalls darauf verwiesen, dass das klägerische Begehren bereits Streitgegenstand der beim BFH anhängigen Revision sei und damit eine doppelte Rechtshängigkeit vorliege, die die Klage unzulässig mache.
Der Kläger begründet seine Nichtzulassungsbeschwerde damit, dass für ihn immer noch offen sei, ob sich der BFH im anhängigen Revisionsverfahren auch konkret mit dem Einkommensteuerbescheid 2006 befasse. Dies sei bei der Rechtshängigkeit von Vorauszahlungsbescheiden möglicherweise dann nicht gewährleistet, wenn sich im Nachhinein bei Vorliegen des Jahreseinkommensteuerbescheids ergebe, dass die mit den Vorauszahlungsbescheiden angeforderten Beträge auch dann bezahlt werden müssten, wenn die Rentenanteile gar nicht in die Besteuerung einbezogen werden müssten. Dies entspreche seiner Situation im Jahr 2006.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist als unzulässig zu verwerfen.
1. Hat das FG die Revision nicht zugelassen, kann die Zulassung der Revision mit Hilfe der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 115 Abs. 1 FGO erreicht werden. Dazu muss der Beschwerdeführer in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise darlegen, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 FGO).
2. Keiner dieser Zulassungsgründe wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde schlüssig dargelegt.
a) Der Kläger setzt sich in seiner Beschwerdebegründung vor allem mit den materiellen Fragen der Rentenbesteuerung auseinander und artikuliert seine Befürchtung, dass sich das Revisionsgericht nicht konkret mit dem Jahressteuerbescheid 2006 befassen werde. Eine Auseinandersetzung mit der Argumentation des FG zur doppelten Rechtshängigkeit, die zur Klageabweisung geführt hat, fehlt jedoch.
b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH "ersetzt" der Jahressteuerbescheid den Vorauszahlungsbescheid i.S. des § 68 FGO, da die Vorschrift des § 68 FGO nicht etwa die Nämlichkeit des Streitgegenstandes erfordert, sondern lediglich voraussetzt, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt durch Erlass des neuen Verwaltungsaktes seine Wirkung verliert und dass sowohl Beteiligter als auch Besteuerungsgegenstand hinsichtlich beider Verwaltungsakte identisch sind (vgl. BFH-Beschluss vom 6. November 1987 III B 101/86, BFH/NV 1988, 312, m.w.N.). Diese zu § 68 FGO a.F. ergangene Rechtsprechung gilt uneingeschränkt auch für § 68 FGO n.F., da dort im Wesentlichen nur das Antragserfordernis weggefallen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 15. November 2005 XI B 33/04, BFH/NV 2006, 352, m.w.N.). Die Vorauszahlungsbescheide verlieren durch den Jahressteuerbescheid ihre Wirksamkeit und der Jahressteuerbescheid nimmt die Vorauszahlungsbescheide in seinen Regelungsgehalt auf (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Entscheidungen vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671; vom 22. Oktober 2003 V B 103/02, BFH/NV 2004, 502). Wird deshalb --wie hier-- während des Verfahrens über eine zulässige Revision der angefochtene Vorauszahlungsbescheid durch einen Jahressteuerbescheid ersetzt, wird dieser in entsprechender Anwendung des § 68 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens (vgl. dazu Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 68 FGO Rz 74, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung). Enthält der Bescheid gegenüber dem angefochtenen Vorauszahlungsbescheid eine Verböserung, die bisher erstinstanzlich nicht überprüft worden ist, ist die Sache schon aus diesem Grund an das FG zurückzuverweisen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 26. Juli 2006 V B 198/05, BFH/NV 2006, 2112).
Mit dieser ständigen Rechtsprechung des BFH, der das FG im angefochtenen Urteil gefolgt ist, hat sich der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht auseinandergesetzt. Anderenfalls hätte er erkennen können, dass die von ihm geäußerte Befürchtung, seine steuerliche Situation des Jahres 2006 werde nicht ausreichend einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen, nicht berechtigt ist.
Im Übrigen wird auf das Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tag in dem Revisionsverfahren X R 15/07 verwiesen.
Fundstellen